Archiv


Letzter Vorhang für Wuppertal

Wuppertal hat kein Geld und deshalb wird das alte Schauspielhaus nicht renoviert. Das neue in einer Lagerhalle bietet nur noch 160 Besuchern anstelle von bisher 700 Platz. Das ist nicht die einzige Kulturbaustelle in der Stadt.

Von Stefan Keim |
    Nach den Sommerferien beginnen die Bodenarbeiten. Dann wird eine Lagerhalle in Sichtweite des Wuppertaler Opernhauses zur neuen Spielstätte für das Schauspiel umgebaut, während ein paar Kilometer entfernt das ehemalige Schauspielhaus vor sich hin rottet.

    Dort wurde ohnehin nur noch das Foyer bespielt. Das Mitte der 60er-Jahre entstandene Baudenkmal müsste saniert werden. Dafür hat die bankrotte Stadt Wuppertal kein Geld, außerdem – so befürchten viele – wäre es mit über 700 Plätzen ohnehin zu groß für die schrumpfende Stadt. Das neue Schauspielhaus ist für 160 Besucher gedacht. Zum Vergleich: In die Bochumer Kammerspiele, die kleinere Spielstätte des Schauspielhauses, passen über 400 Zuschauer.

    "Man kann es Kammerspielgröße nennen, aber wir wollen es nicht so betreiben."

    Enno Scharwächter, Geschäftsführer der Wuppertaler Bühnen.

    "Sondern wir wollen in diesem Haus mit 160 Plätzen und einer Bühne, die immerhin elf mal elf Meter hat – die Theaterleute wissen, dass das eine anständige Bühne ist, sogar mit einer Drehbühne mit einer Drehscheibe drauf – da wollen wir schon anständiges Stadttheater machen."

    Die technischen Möglichkeiten sind also vorhanden, allerdings verlangt der Stadtrat eine Auslastung von mindestens 75 Prozent. Künstlerische Risiken darf die neue Intendantin Susanne Abbrederis mit einem auf zehn Schauspieler geschrumpften Ensemble nicht eingehen. Wahrscheinlich hat sie das auch nicht vor.

    Derzeit hat Wuppertal ein ästhetisch und inhaltlich aufregendes Schauspiel unter Leitung Christian von Treskows, das aber in der Stadt zu wenige Zuschauer fand. Die abgelaufene Saison fand zwar deutlich mehr Zuspruch, aber da waren die Würfel schon gefallen und die Verträge Treskows und seines Teams nicht verlängert worden. Bleibt nur die Frage: Wird das Schauspielhaus, das der damalige Intendant Holk Freytag als eins der schönsten Theater der Welt bezeichnete, nun abgerissen? Enno Scharwächter:

    "Ich glaube, dass dieses Haus seine Bedeutung halten muss. Und es wird auch die Bedeutung halten. Die Vorschläge, die im Kulturausschuss vorgestellt worden sind – ob es Tanzzentrum ist oder ob es Museum ist – dokumentieren zunächst mal, dass man zu diesem Haus steht an einem tollen Ort in einem sich entwickelnden Elberfelder Zentrum."

    Ein Tanzzentrum für das Ensemble Pina Bauschs – das klingt nicht schlecht, aber die Idee kommt seit Jahren nicht voran. Der Deutsche Bühnenverein hat angeregt, die ensemblelosen Tanzwüsten Köln und Bonn mit ins Boot zu holen. Vielleicht gibt es auch Geld vom Bund. Aber das Wuppertaler Tanztheater, das nach dem Tod Pina Bauschs vor vier Jahren immer noch kein neues Stück produziert hat, müsste auch endlich mal zeigen, wohin es sich in Zukunft entwickeln will. Die andere Variante wäre der Umzug des Von-der-Heydt-Museums ins Schauspielhaus, wofür bereits Sponsoren zur Verfügung stehen. Auch der Bau des kleinen Schauspielhauses wird übrigens von den Theaterfreunden finanziert. Es gibt ein reges und zahlungskräftiges Kulturbürgertum in Wuppertal, bloß die Stadt ist überschuldet.

    Das Theater wird also ab Sommer 2014 mit weniger Geld auskommen müssen. Dann beginnt auch der neue Opernintendant Toshiyuki Kamioka seine Arbeit. Die Wuppertaler lieben ihn bisher als Generalmusikdirektor der Sinfoniker.

    Kamioka sorgt bereits jetzt für Aufsehen. Er hat keinen Vertrag des künstlerischen Personals verlängert, alle Sängerinnen und Sänger, auch die Dramaturgen, Regieassistenten und Theaterpädagogen müssen gehen. Viele glauben, Kamioka will ganz ohne eigenes Ensemble arbeiten, ausschließlich mit Gastsängern. So, wie es die Musiktheater zum Beispiel in Belgien und den Niederlanden tun. Dann müssen die Bühnen keine Sozialabgaben mehr zahlen. Kann man so richtig Geld sparen? Geschäftsführer Enno Scharwächter:

    "Offen gestanden weiß ich das noch nicht. Es gibt sicherlich eine Ensemblemöglichkeit mit geringen Gagen. Der Markt ist da frei. Auch das ist eine bittere Geschichte. Da wird nach unten gepunktet, nicht mehr nach oben. Und das seit Jahren. Und die andere Möglichkeit ist, zu sagen, ich möchte ein bestimmtes Repertoire bedienen, nämlich ein vielfältiges. Und das kann ich nur, indem ich mir alle oder wesentliche Personen hinzukaufe."

    Nicht nur das neue Schauspielhaus ist in Wuppertal eine Baustelle. Das Opernhaus wurde zwar gerade saniert und bleibt erst mal stehen. Aber der neue Intendant hat die innere Struktur des Musiktheaters eingerissen und ist in Urlaub gefahren. Mal sehen, was Toshiyuki Kamioka nach den Ferien wieder aufbauen wird.