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Leuchttürme in der Bretagne
Kathedralen des Meeres

Zahlreiche Leuchttürme stehen an der bretonischen Küste, allein 23 an der Landzunge des Finistère. Mit unzähligen Todesopfern und gekenterten Schiffen gilt die Wasserstraße als eine der gefährlichsten der Welt. "Les cathédrales de la mer" nennen die Bretonen hier die Leuchttürme - "Kathedralen des Meeres".

Von Peter Kaiser |
Der Leuchtturm "La Jument" vor der Insel Quessant, Frankreich. Aufnahme von 2003. |
Der Leuchtturm "La Jument" vor der Insel Quessant an der bretonischen Küste (picture-alliance / dpa)
Einst entzündeten Mönche Leuchtfeuer hier in der Region Finistère, dem Ende der Welt, in der Bretagne:
"Der Turm der Mönche war 40 Meter hoch, und dort entzündeten sie seit dem 13. Jahrhundert nachts immer ein Leuchtfeuer, um den Schiffen den sicheren Weg zu weisen. Und das hat so lange funktioniert, bis der Leuchtturm von Saint Mathieu, auf dem wir stehen, eingeweiht wurde", so Kevin Gualch, der hier heute Touristen empfängt.
"Erst im 18. Jahrhundert kam man auf die Idee Öllampen zu nehmen. Man baute also eine Konstruktion, die das Licht schützt vor Wind und Wetter. Dann kamen die Parabolen, um das Licht zu reflektieren, damit es noch weiter aufs Meer hinausstrahlt. Und so kommt man Peu a Peu, Schritt für Schritt, zu den Fresnellinsen, wie sie heute existieren", sagt Yolan de Botquelen, Kuratorin im Leuchtturmmuseum auf der Insel Quessant.
"Wer Quessant sieht, sieht sein Blut"
Hightech-Strahler weisen heute meist den Schiffen den Weg in der später so benannten "Route des Phares", der Straße der Leuchttürme. Doch noch immer – wie zu alten Zeiten der Segelschifffahrt – sagen die Bretonen zu dieser Seestraße, dass…
"… niemand den reißenden Fromveur, den Fluss, kreuzt, ohne die Angst kennenzulernen."
"Die drei Inseln liegen so gefährlich im Meer, dass sie ihre Sprichwörter haben. Wer Quessant sieht, sieht sein Blut, wer Saint sieht, sieht sein Ende, und wer Creach sieht, sieht sein Kreuz", so die Fremdenführerin Ondin Morin.
Die düstere Seefahrerweisheit, die Ondin Morin von der Insel Quessant erzählt, einer der Inseln vor der bretonischen Küste, gilt auch heute noch. Hier vor der Landzunge des Finistére befindet sich eine der gefährlichsten Seestraßen der Welt mit Kliffen aus Gneis, Untiefen, und eine der weltweit stärksten Tieden und Strömungen am äußersten Zipfel des europäischen Festlands.
Havarie der "Amoco Cadiz"
Wie gefährlich diese Seestraße ist, vor allem durch die plötzlichen Nebelbänke, beweist das verheerende Unglück des Öltankers "Amoco Cadiz" bei dem am 16. März 1978 über 223.000 Tonnen Rohöl ins Meer gelangten. Die Folge war die bislang schwerste Ölpest in Europa.

Inzwischen ist eine regelrechte Hightech-Armada von 23 Leuchttürmen, 63 Seefeuern, 14 Radarstationen und 258 Bojen hier in Betrieb. Einer dieser 23 Leuchttürme ist der "Phare Saint Mathieu". Er steht neben dem im 6. Jahrhundert erbauten Kloster Saint Matthieu, in dem, der Legende nach, der Schädel des Heiligen Matthäus aufbewahrt wurde. Einst war hier das Kulturzentrum des äußersten Westens.
Auf die Frage, ob in Zeiten hochmoderner Navigationssysteme wie GPS noch Leuchttürme überhaupt nötig sind, nickt Kevin Gualch und sagt:
"Der Leuchtturm hat nach wie vor eine große Bedeutung für die Seefahrt, weil GPS- und andere Navigationssysteme nicht vertrauenswürdig genug sind, und immer wieder ausfallen können. Und weil jedes Land nach wie vor verpflichtet ist, visuelle maritime Signale zu haben für die Schifffahrt."

Im Umkehrschluss heißt das, dass das Schiffspersonal nach wie vor an alten Seefahrerkarten ausgebildet wird, um visuelle Seezeichen wie Leuchtfeuer richtig zu deuten.
40TH ANNIVERSARY OF THE AMOCO CADIZ'S OIL SLICK - The Amoco Cadiz was a VLCC (Very Large Crude Carrier), owned by Amoco, that split in two after running aground on Portsall Rocks, three miles off the coast of Brittany (France), on March 16, 1978, resulting at that time in the largest oil spill ever, currently the 5th-largest in history. Foto: PHOTOPQR/LE TELEGRAMME/ARCHIVES  +++(c) dpa - Report+++ |
Havarie der "Amoco Cadiz" vor der bretonischen Küste 1978 (picture-alliance/ dpa)

"Selbst Schiffskapitäne, die noch nie im Meer Iroise unterwegs waren, lernen trotzdem mit den Karten von hier. Weil es so speziell hier ist, weil es so viele Signale gibt, so viele Felsen, so viele Leuchttürme. Selbst Schifffahrer, die hier noch nie in der Realität waren, kennen die Schiffskarten des Meeres Iroise", so Gualch.
Pointe de St-Mathieu, Gotische Kirchruine und Leuchtturm St-Mathieu, Frankreich, Bretagne, Brest Pointe de St-Mathieu, gothic church ruin and lighthouse St-Mathieu, France, Brittany, Brest BLWS512270 Copyright: xblickwinkel/W.xWillnerx
Pointe de St Mathieu Gotische Kirchruine und Leuchtturm St Mathieu (imago / blickwinkel)
Die "Kathedralen des Meeres" sind heute automatisiert
Wurden seit Jahrhunderten die Leuchttürme hier von Leuchtturmwärtern manuell betrieben, so sind die "Cathédrales de la mer" - die "Kathedralen des Meeres" - seit wenigen Jahren automatisiert. Doch selbst dann noch hat man ein Auge auf sie, sagt Gualch:
"Der Leuchtturm hier ist seit 1996 automatisiert, aber der Leuchtturmwärter war noch bis 2006 da, und hat kontrolliert, ob der Leuchtturm auch ja an- und ausgeht, und inzwischen ist es so, dass der Leuchtturm ferngesteuert wird. Jetzt ist es so, dass jeder Leuchtturm in einem Gebiet mit einem Hauptleuchtturm verbunden ist. Der ist immer besetzt und wird kontrolliert. Und der Hauptleuchtturm hier ist der Creache."
Doch auch das ist nicht genug, sagt die Museumskuratorin Yolan de Brotquelen:
"Oberflächlich gesehen könnte man auf die Idee kommen, dass Leuchttürme überflüssig sind, weil es eben Navigationssysteme gibt wie GPS, Echolot, usw. Aber diese Systeme können ausfallen, und das passiert auch ab und zu. Außerdem gibt es kleinere Segel- oder Fischerboote, die nicht mit dieser Technik ausgestattet sind, und erst recht nicht auf dem Niveau, was hier in dem Gebiet braucht. Dafür sind Leuchttürme immer noch wichtig. Dann ist man nicht, wenn man auf dem Boot ist, die ganze Zeit vor seinem GPS-Bildschirm. Man guckt auch in die Weite. Auch darum sind Leuchttürme eine wesentliche visuelle Unterstützung."
"Leuchtturmwärter sind verrückt geworden"
23 Leuchttürme hier in diesem Gebiet, das auch die Iroise-See genannt wird. Landratten, sagen die Bretonen und lächeln, träumen von Leuchttürmen, von der Romantik der sturmumtosten und gischtfeuchten Arbeit. Doch die Wahrheit ist - wie so oft - eine andere:
"Ja, es gab Leuchtturmwärter, die sind verrückt geworden, und man hat dann versucht, dass die Leuchtturmwärter nicht mehr allein auf dem Kevenec sind, sondern zusammen mit ihrer Familie, aber auch das ist nicht gut ausgegangen", sagt Kevin Gualch.
Ein Leuchtturmwärter begann seine Arbeit meist in einer Hölle, also einem der Leuchttürme, die mitten im Meer sind. Das konnte im Extremfall Einsamkeit über Wochen, sogar Monate hinweg bedeuten. Erst später durfte dann der Wärter ins Paradies, also einem Leuchtturm am Festland. Und immer gab es…
"... Legenden und Mythen rund um die Leuchttürme. Eine der bekanntesten Mythen ist die vom verfluchten Leuchtturm um Kevenec. Der sieht eigentlich ganz friedlich aus, ein kleines weißes Häuschen. Aber das ist der verfluchte Leuchtturm, weil die Leuchtturmwärter, die da stationiert waren, da ist eine der Höllen im Meer, weil die Leuchtturmwärter gesagt haben, sie hörten immer eine bretonische Stimme: "Quer pit" und das heißt: "Hau ab, verschwinde", erklärt Gualch.
"Wer Quessant sieht, sieht sein Blut, wer Saint sieht, sieht sein Ende, und wer Creach sieht, sieht sein Kreuz."