Bettina Klein: Die Debatten in Deutschland und in den USA werden erkennbar unterschiedlich geführt. Zwar missbilligen auch 61 Prozent der Amerikaner die Abhörmaßnahmen ihrer Regierung laut einer jüngsten CNN-Umfrage. Aber der Faktor nationale Sicherheit, das Bedürfnis, vor Terroranschlägen geschützt zu werden, spielt dort in der öffentlichen Debatte durchaus eine Rolle, hier so gut wie gar nicht. Oder doch? – Am Wochenende war bereits von Bundesinnenminister Friedrich zu vernehmen, der das Vorgehen der amerikanischen Behörden verteidigte und sie gegen etwaige Stasi-Vorwürfe in Schutz nahm. Ein Thema ganz gewiss bei den Gesprächen der Kanzlerin heute mit dem amerikanischen Präsidenten.
Beginnen wir doch zunächst mit diesen "Spiegel"-Meldungen, nach denen 100 Millionen Euro investiert werden sollen in den nächsten fünf Jahren, um den BND auch in Sachen Internet und Datenabschöpfung möglicherweise konkurrenzfähig zu machen. Die Bundeskanzlerin äußerte sich am Rande des G-8-Gipfels gestern Abend gegenüber dem Sender RTL dazu.
O-Ton Angela Merkel: "Wir sind im Übrigen auch darauf angewiesen, dass wir selber auch aktionsfähig werden und nicht bedingungslos Terroristen ausgeliefert sind, und Kommunikation findet eben heute auch im Internet statt. Das ist aber davon zu unterscheiden, dass wir Transparenz brauchen, Transparenz, was geschieht mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger, und dafür werde ich werben und an dieser Stelle setze ich mich sehr für die Transparenz ein."
Klein: Soweit Bundeskanzlerin Angela Merkel. - Am Telefon begrüße ich jetzt die Bundesjustizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP. Schönen guten Morgen!
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen!
Klein: Was können Sie zu diesen neuesten Berichten sagen, der BND würde nun auch "aufrüsten" und vielleicht sogar Ähnliches planen wollen wie der NSA? Es wurde ja gestern bereits dementiert und gesagt, da gehe es ja nur um die Abwehr von Hacker-Angriffen. Also ist die ganze Aufregung da völlig unbegründet?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich kenne jetzt keine Bestrebungen des Bundesnachrichtendienstes, seine Möglichkeiten zu verändern, die über das, was auch die Gesetze derzeit ermöglichen, hinausgehen. Und das, was uns ja beschäftigt, besonders auch gerade in Deutschland, ist: Wird Technik eingesetzt, oder könnte Technik eingesetzt werden, die über das, was gesetzliche, rechtsstaatliche Grundlagen - wir haben ja hier auch mit Kommissionen eine strikte Kontrolle - hinausgeht und Technik sich verselbstständigt. Dass Kapazitäten konzentriert werden, Schwerpunkte gesetzt werden, ist normal. Das hat der Verfassungsschutz jahrelang leider nicht im Bereich Rechtsextremismus gemacht und ist dabei, das jetzt deutlich zu verbessern. Aber alles, was sich im Rahmen der geltenden Rechte, der Transparenz und der Kontrolle hält, das kann gemacht werden. Aber ich kenne kein 100-Millionen-Programm.
Klein: Und die Tatsache, dass diese Technik auch missbräuchlich, sage ich jetzt mal, eingesetzt werden könnte, wäre für Sie auch noch kein Argument, um darauf zu verzichten oder darauf zu drängen, das sein zu lassen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Generell zu sagen, es gibt überhaupt keine Möglichkeiten - und zwar dann, wenn es ganz konkrete Anforderungen gibt, wenn es dazu Gesetze gibt, wenn es dazu Kontrolle gibt -, man erlaubt den Behörden überhaupt keinen Einblick in elektronische Kommunikation, nein, das geht nicht. Genauso wie wir auch Telefonüberwachung in Deutschland, aber unter ganz engen Voraussetzungen, auch häufig mit Genehmigung des Richters erlauben, so wird das auch in bestimmtem Umfang bei konkreten Anhaltspunkten ein Blick in elektronische Kommunikation sein. Aber wir haben ja in Deutschland darum auch in den vergangenen Jahren immer wieder gerungen, und deshalb zum Beispiel gibt es bei uns als Strafverfolgungsmöglichkeit keine Online-Durchsuchung der Computer, weil das eben was ganz anderes ist und noch viel intensiver ist im Nachvollziehen, was macht ein Mensch, wie verhält er sich, als wenn ich normal kommuniziere und Gespräche überwache.
Klein: Das, was aus den Vereinigten Staaten jetzt bekannt geworden ist, das ist ganz klar nicht gedeckt mit deutschen Gesetzen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Das, was wir bisher lesen können aus Berichterstattungen - wir haben ja keine unmittelbaren Erkenntnisse; ich habe mich an meinen Kollegen gewandt, aber da kann ich jetzt noch nichts weiter zu sagen, weil ich noch keine Antwort bekommen habe -, eine anlasslose, weit gefächerte Speicherung und Durchforstung jeglicher Kommunikation, ist in der Form bei uns nicht möglich.
Klein: Was erwarten Sie von Gesprächen, die morgen stattfinden werden zwischen Obama und der Kanzlerin, diesbezüglich? Welche Art von Entgegenkommen erwarten Sie? Welche Art von Druckmöglichkeiten hätte denn eine deutsche Regierung, darauf Einfluss zu nehmen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Zunächst einmal geht es darum, dass gegenüber dem amerikanischen Präsidenten die Forderung nach konkreter Aufklärung, aber auch nach Transparenz unmissverständlich geltend gemacht wird. Sogar amerikanische Firmen - ich hatte ja am letzten Freitag mit dem Wirtschaftsminister Philipp Rösler Gespräche mit Vertretern von Google und Microsoft - haben uns gebeten, dass wir diese Forderung nach Transparenz gegenüber der amerikanischen Regierung ansprechen. Das ist der erste Schritt. Wir versuchen ja, auf allen Ebenen, verschiedene Mitglieder der Bundesregierung, konkrete Informationen von unseren Gesprächspartnern in den Vereinigten Staaten zu bekommen. Eine große Rolle spielt in diesem Zusammenhang einmal das, was in der Europäischen Union über die Schaffung einheitlicher Datenschutz-Standards mit einer stärkeren Stellung des Nutzers verhandelt wird. Ich glaube, es ist auch ganz wichtig, dem amerikanischen Präsidenten deutlich zu machen, wie derzeit und was für Überlegungen in Deutschland und in Europa hier stattfinden. Das ist auch etwas, was nicht mit der amerikanischen Rechtslage und mit dem Zugang amerikanischer Politik zur Informationsgewinnung und Kontrolle so in Einklang steht.
Klein: Von amerikanischer Seite heißt es ja, was dort geschieht, das ist zumindest gedeckt von amerikanischen Gesetzen. Gleichzeitig heißt es auch, man arbeite in der Hinsicht wunderbar mit deutschen Behörden zusammen, und es gibt ja einige Meldungen darüber, dass deutsche Sicherheitsbehörden durchaus, ich sage mal, profitiert haben von den Erkenntnissen, die auf diesem Wege gesammelt worden sind, zum Beispiel was die Aufdeckung der Pläne der Sauerland-Gruppe anging. Also ist es nicht auch ein bisschen nicht ganz ehrlich, wenn jetzt die Empörungskarte zu sehr gespielt wird, wenn Deutschland da eigentlich nicht ganz unbeteiligt ist?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich glaube, das ist angesichts des internationalen Austauschs von Informationen in ganz konkreten Fällen immer wichtig, dass wir auch gerade mit unseren Freunden in den Vereinigten Staaten, wenn es Anlass gibt zur Aufklärung, vielleicht auch zur Kritik, auch vielleicht zu Forderungen, stärkere Datenschutz-Standards selbst zu schaffen, auch mehr Rechtsschutz zu ermöglichen zu den Gerichten, das sehr offen zu diskutieren mit unseren Gesprächspartnern. Ich glaube, das ist das, was einfach zum Umgang dazugehört. Wir haben eben die Situation, dass deutsche Bürger keinerlei Rechtszugang, keinerlei wirklichen Rechtszugang zu amerikanischen Gerichten haben, da wo amerikanisches Recht gilt. Das ist ja bei uns und ist in Europa sehr wohl anders. Das ist zum Beispiel ein Punkt, den wir immer in allen Gesprächen mit Amerika, auch bei dem EU-Datenschutzübereinkommen, was mit den Amerikanern von der federführenden Kommissarin Frau Reding seit Jahren verhandelt wird, ansprechen. Wir brauchen auch mehr Rechtsschutz von betroffenen Bürgern im Ausland vor amerikanischen Gerichten.
Klein: Aber, Frau Ministerin, offen ansprechen, sagen Sie. Ich sehe noch nicht, was als Ergebnis da stehen kann vor dem Hintergrund dessen, was ich gerade geschildert habe.
Leutheusser-Schnarrenberger: Es kann ja nicht in einem Gespräch des amerikanischen Staatspräsidenten dann zu konkreten Vereinbarungen über ein Übereinkommen kommen. Aber da wir ja laufende Gespräche und Verhandlungen haben, gerade ein Projekt EU-Vereinigte Staaten-Datenschutzübereinkommen, ist ja dieser Besuch eine gute Gelegenheit, dass da wieder Dynamik, dass da nun Vorwärts in die Verhandlungen kommt, indem wir sagen, welche Punkte aus unserer Sicht wichtig sind, wo wir uns neben Transparenz und Aufklärung auch Einschränkungen, auch Verbesserungen für den Bürger erhoffen. Von daher wäre das, wenn da eine Offenheit da ist, wenn man das hier aus den amerikanischen Gesprächen, aus den Gesprächen mit den Amerikanern mitnehmen könnte, ein echter Fortschritt.
Klein: Auf der anderen Seite, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, um bei diesem anderen Aspekt noch kurz abschließend zu bleiben. Wir haben es von der Kanzlerin gerade gehört. Auch wir müssen aktionsfähig werden, um uns vor Terrorismus zu schützen, hat sie gesagt, und die Frage steht ja immer noch unbeantwortet im Raum, ob nicht Deutschland auch Ähnliches plant, um im Anti-Terror-Kampf auch auf dieser Ebene besser gerüstet zu sein aus deren Sicht.
Leutheusser-Schnarrenberger: Natürlich ist das etwas, was uns auch seit 9/11 unentwegt beschäftigt. Aber wir haben eine andere Rechtskultur, auch ein anderes Verständnis, als zum Beispiel die Amerikaner, oder aber auch die Briten. Wir haben eben nicht den Zugang, generell anlasslos alles zu speichern. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Debatte in Deutschland zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung und dazu, dass wir hier nicht Staatstrojaner einsetzen, die mehr können als die Gesetze zulassen. Ich glaube, was vielleicht von außen manchmal als etwas kleinkariert und zu vorsichtig mitleidig belächelt wird, ist genau das, was unseren Rechtsstaat unterscheidet von rechtsstaatlichen Ausgestaltungen in anderen Ländern. Von daher ist es gut, dass wir damit so umgehen und hier auch nicht pauschal alles übernehmen.
Klein: Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für das Gespräch!
Leutheusser-Schnarrenberger: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Beginnen wir doch zunächst mit diesen "Spiegel"-Meldungen, nach denen 100 Millionen Euro investiert werden sollen in den nächsten fünf Jahren, um den BND auch in Sachen Internet und Datenabschöpfung möglicherweise konkurrenzfähig zu machen. Die Bundeskanzlerin äußerte sich am Rande des G-8-Gipfels gestern Abend gegenüber dem Sender RTL dazu.
O-Ton Angela Merkel: "Wir sind im Übrigen auch darauf angewiesen, dass wir selber auch aktionsfähig werden und nicht bedingungslos Terroristen ausgeliefert sind, und Kommunikation findet eben heute auch im Internet statt. Das ist aber davon zu unterscheiden, dass wir Transparenz brauchen, Transparenz, was geschieht mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger, und dafür werde ich werben und an dieser Stelle setze ich mich sehr für die Transparenz ein."
Klein: Soweit Bundeskanzlerin Angela Merkel. - Am Telefon begrüße ich jetzt die Bundesjustizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP. Schönen guten Morgen!
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Guten Morgen!
Klein: Was können Sie zu diesen neuesten Berichten sagen, der BND würde nun auch "aufrüsten" und vielleicht sogar Ähnliches planen wollen wie der NSA? Es wurde ja gestern bereits dementiert und gesagt, da gehe es ja nur um die Abwehr von Hacker-Angriffen. Also ist die ganze Aufregung da völlig unbegründet?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich kenne jetzt keine Bestrebungen des Bundesnachrichtendienstes, seine Möglichkeiten zu verändern, die über das, was auch die Gesetze derzeit ermöglichen, hinausgehen. Und das, was uns ja beschäftigt, besonders auch gerade in Deutschland, ist: Wird Technik eingesetzt, oder könnte Technik eingesetzt werden, die über das, was gesetzliche, rechtsstaatliche Grundlagen - wir haben ja hier auch mit Kommissionen eine strikte Kontrolle - hinausgeht und Technik sich verselbstständigt. Dass Kapazitäten konzentriert werden, Schwerpunkte gesetzt werden, ist normal. Das hat der Verfassungsschutz jahrelang leider nicht im Bereich Rechtsextremismus gemacht und ist dabei, das jetzt deutlich zu verbessern. Aber alles, was sich im Rahmen der geltenden Rechte, der Transparenz und der Kontrolle hält, das kann gemacht werden. Aber ich kenne kein 100-Millionen-Programm.
Klein: Und die Tatsache, dass diese Technik auch missbräuchlich, sage ich jetzt mal, eingesetzt werden könnte, wäre für Sie auch noch kein Argument, um darauf zu verzichten oder darauf zu drängen, das sein zu lassen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Generell zu sagen, es gibt überhaupt keine Möglichkeiten - und zwar dann, wenn es ganz konkrete Anforderungen gibt, wenn es dazu Gesetze gibt, wenn es dazu Kontrolle gibt -, man erlaubt den Behörden überhaupt keinen Einblick in elektronische Kommunikation, nein, das geht nicht. Genauso wie wir auch Telefonüberwachung in Deutschland, aber unter ganz engen Voraussetzungen, auch häufig mit Genehmigung des Richters erlauben, so wird das auch in bestimmtem Umfang bei konkreten Anhaltspunkten ein Blick in elektronische Kommunikation sein. Aber wir haben ja in Deutschland darum auch in den vergangenen Jahren immer wieder gerungen, und deshalb zum Beispiel gibt es bei uns als Strafverfolgungsmöglichkeit keine Online-Durchsuchung der Computer, weil das eben was ganz anderes ist und noch viel intensiver ist im Nachvollziehen, was macht ein Mensch, wie verhält er sich, als wenn ich normal kommuniziere und Gespräche überwache.
Klein: Das, was aus den Vereinigten Staaten jetzt bekannt geworden ist, das ist ganz klar nicht gedeckt mit deutschen Gesetzen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Das, was wir bisher lesen können aus Berichterstattungen - wir haben ja keine unmittelbaren Erkenntnisse; ich habe mich an meinen Kollegen gewandt, aber da kann ich jetzt noch nichts weiter zu sagen, weil ich noch keine Antwort bekommen habe -, eine anlasslose, weit gefächerte Speicherung und Durchforstung jeglicher Kommunikation, ist in der Form bei uns nicht möglich.
Klein: Was erwarten Sie von Gesprächen, die morgen stattfinden werden zwischen Obama und der Kanzlerin, diesbezüglich? Welche Art von Entgegenkommen erwarten Sie? Welche Art von Druckmöglichkeiten hätte denn eine deutsche Regierung, darauf Einfluss zu nehmen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Zunächst einmal geht es darum, dass gegenüber dem amerikanischen Präsidenten die Forderung nach konkreter Aufklärung, aber auch nach Transparenz unmissverständlich geltend gemacht wird. Sogar amerikanische Firmen - ich hatte ja am letzten Freitag mit dem Wirtschaftsminister Philipp Rösler Gespräche mit Vertretern von Google und Microsoft - haben uns gebeten, dass wir diese Forderung nach Transparenz gegenüber der amerikanischen Regierung ansprechen. Das ist der erste Schritt. Wir versuchen ja, auf allen Ebenen, verschiedene Mitglieder der Bundesregierung, konkrete Informationen von unseren Gesprächspartnern in den Vereinigten Staaten zu bekommen. Eine große Rolle spielt in diesem Zusammenhang einmal das, was in der Europäischen Union über die Schaffung einheitlicher Datenschutz-Standards mit einer stärkeren Stellung des Nutzers verhandelt wird. Ich glaube, es ist auch ganz wichtig, dem amerikanischen Präsidenten deutlich zu machen, wie derzeit und was für Überlegungen in Deutschland und in Europa hier stattfinden. Das ist auch etwas, was nicht mit der amerikanischen Rechtslage und mit dem Zugang amerikanischer Politik zur Informationsgewinnung und Kontrolle so in Einklang steht.
Klein: Von amerikanischer Seite heißt es ja, was dort geschieht, das ist zumindest gedeckt von amerikanischen Gesetzen. Gleichzeitig heißt es auch, man arbeite in der Hinsicht wunderbar mit deutschen Behörden zusammen, und es gibt ja einige Meldungen darüber, dass deutsche Sicherheitsbehörden durchaus, ich sage mal, profitiert haben von den Erkenntnissen, die auf diesem Wege gesammelt worden sind, zum Beispiel was die Aufdeckung der Pläne der Sauerland-Gruppe anging. Also ist es nicht auch ein bisschen nicht ganz ehrlich, wenn jetzt die Empörungskarte zu sehr gespielt wird, wenn Deutschland da eigentlich nicht ganz unbeteiligt ist?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich glaube, das ist angesichts des internationalen Austauschs von Informationen in ganz konkreten Fällen immer wichtig, dass wir auch gerade mit unseren Freunden in den Vereinigten Staaten, wenn es Anlass gibt zur Aufklärung, vielleicht auch zur Kritik, auch vielleicht zu Forderungen, stärkere Datenschutz-Standards selbst zu schaffen, auch mehr Rechtsschutz zu ermöglichen zu den Gerichten, das sehr offen zu diskutieren mit unseren Gesprächspartnern. Ich glaube, das ist das, was einfach zum Umgang dazugehört. Wir haben eben die Situation, dass deutsche Bürger keinerlei Rechtszugang, keinerlei wirklichen Rechtszugang zu amerikanischen Gerichten haben, da wo amerikanisches Recht gilt. Das ist ja bei uns und ist in Europa sehr wohl anders. Das ist zum Beispiel ein Punkt, den wir immer in allen Gesprächen mit Amerika, auch bei dem EU-Datenschutzübereinkommen, was mit den Amerikanern von der federführenden Kommissarin Frau Reding seit Jahren verhandelt wird, ansprechen. Wir brauchen auch mehr Rechtsschutz von betroffenen Bürgern im Ausland vor amerikanischen Gerichten.
Klein: Aber, Frau Ministerin, offen ansprechen, sagen Sie. Ich sehe noch nicht, was als Ergebnis da stehen kann vor dem Hintergrund dessen, was ich gerade geschildert habe.
Leutheusser-Schnarrenberger: Es kann ja nicht in einem Gespräch des amerikanischen Staatspräsidenten dann zu konkreten Vereinbarungen über ein Übereinkommen kommen. Aber da wir ja laufende Gespräche und Verhandlungen haben, gerade ein Projekt EU-Vereinigte Staaten-Datenschutzübereinkommen, ist ja dieser Besuch eine gute Gelegenheit, dass da wieder Dynamik, dass da nun Vorwärts in die Verhandlungen kommt, indem wir sagen, welche Punkte aus unserer Sicht wichtig sind, wo wir uns neben Transparenz und Aufklärung auch Einschränkungen, auch Verbesserungen für den Bürger erhoffen. Von daher wäre das, wenn da eine Offenheit da ist, wenn man das hier aus den amerikanischen Gesprächen, aus den Gesprächen mit den Amerikanern mitnehmen könnte, ein echter Fortschritt.
Klein: Auf der anderen Seite, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, um bei diesem anderen Aspekt noch kurz abschließend zu bleiben. Wir haben es von der Kanzlerin gerade gehört. Auch wir müssen aktionsfähig werden, um uns vor Terrorismus zu schützen, hat sie gesagt, und die Frage steht ja immer noch unbeantwortet im Raum, ob nicht Deutschland auch Ähnliches plant, um im Anti-Terror-Kampf auch auf dieser Ebene besser gerüstet zu sein aus deren Sicht.
Leutheusser-Schnarrenberger: Natürlich ist das etwas, was uns auch seit 9/11 unentwegt beschäftigt. Aber wir haben eine andere Rechtskultur, auch ein anderes Verständnis, als zum Beispiel die Amerikaner, oder aber auch die Briten. Wir haben eben nicht den Zugang, generell anlasslos alles zu speichern. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Debatte in Deutschland zur anlasslosen Vorratsdatenspeicherung und dazu, dass wir hier nicht Staatstrojaner einsetzen, die mehr können als die Gesetze zulassen. Ich glaube, was vielleicht von außen manchmal als etwas kleinkariert und zu vorsichtig mitleidig belächelt wird, ist genau das, was unseren Rechtsstaat unterscheidet von rechtsstaatlichen Ausgestaltungen in anderen Ländern. Von daher ist es gut, dass wir damit so umgehen und hier auch nicht pauschal alles übernehmen.
Klein: Die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für das Gespräch!
Leutheusser-Schnarrenberger: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.