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Liberale Impulse für die französische Medienlandschaft

Jean-Jacques Servan-Schreiber hatte im Laufe seines Lebens mehrere Funktionen. 1953 gründete er das Nachrichtenmagazin "L'Express", damals ein Wochenblatt für linke Intellektuelle; bis 1970 war er der Chefredakteur. Von 1971 bis 1979 leitete Servan-Schreiber die radikale Partei, war sehr kurz sogar einmal Minister unter Jacques Chirac. In den politischen Debatten um die Entkolonisierung wurde sein Namenskürzel "JiJiSS" zum Markenzeichen.

Von Burkhard Müller-Ullrich |
    Der Vergleich mit dem nur drei Monate älteren Rudolf Augstein drängt sich auf: Wie er begann Jean-Jacques Servan-Schreiber seine publizistische Karriere als 23-Jähriger, wie Augstein gründete er eine Zeitschrift, die zum einflussreichsten linksintellektuellen Medium des Landes wurde; beide kamen wegen ihrer Veröffentlichungen vor Gericht und wussten das dadurch erregte Aufsehen in einen ultimativen Erfolg ihrer Magazine zu verwandeln. Schließlich engagierten sich auch beide auf liberaler Seite in der Politik, scheiterten dort aber nach relativ kurzer Zeit.

    Von diesen Parallelen abgesehen, war "JJSS" - wie Jean-Jacques Servan-Schreiber in Frankreich stets genannt wurde - jedoch ein Phänomen, wie es französischer nicht sein konnte. Er stammte nicht nur aus wohlhabendem Hause, sondern er wurde direkt in die schreibende Oberklasse hineingeboren: Sein Vater war Mitgründer der Wirtschaftszeitung "Les Echos" und nahm ihn schon als Kind zu Verabredungen mit führenden Politikern mit.

    Sein Studium an der École Polytechnique unterbrach er während des Krieges für eine Jagdfliegerausbildung in den USA, doch bevor er in De Gaulles Befreiungsarmee zum Einsatz kam, hatten die Alliierten gesiegt, und JiJiSS konnte seine Amerika-Erfahrung journalistisch verwerten: Er wurde Redakteur bei "Le Monde" und mit 25 Jahren bereits außenpolitischer Kommentator.

    Vier Jahre später schuf er - zusammen mit der Edelfeder Françoise Giroud und dank finanzieller Unterstützung von zuhause - die Zeitschrift "L'Express", die zunächst vor allem der Unterstützung des sozialistischen Politikers Pierre Mendès-France dienen sollte, mit dem er sich später überwarf. Das Zeitschriftenprojekt hatte enormen Erfolg: Hier schrieben Camus und Sartre, Malraux und Mauriac, und nachdem Mendès-France tatsächlich Staatspräsident wurde, diente ihm JiJiSS als inoffizieller Berater. Diese Rolle im Vorhof der Macht spielte er später auch für Giscard d'Estaing und für Mitterrand, dem er legendäre Abendbesuche im Elysée abstattete.

    Als Amerika-Kenner hatte er seinen französischen Landsleuten etwas Entscheidendes voraus: Denn während Großbritannien sowieso eine Special Relationship zur Neuen Welt pflegte und die Bundesrepublik in der Nachkriegszeit auf andere Weise amerikanisiert wurde, war Frankreich noch jener alteuropäische Traumkoloss, der von wirtschaftlicher Dynamik und wissenschaftlichem Aufbruch keine Ahnung hatte. Dagegen wollte JJSS mit seinem Buch "Die amerikanische Herausforderung" angehen. 1967 predigte er ein modernes, monetär geeintes Europa und ein dezentralisiertes Frankreich - lauter Dinge, die jetzt, vierzig Jahre später, Wirklichkeit geworden sind und die damals von einer visionären Kraft zeugten, welche allerdings heute Seltenheitswert besitzt.

    Das Buch wurde ein Bestseller - nicht nur in Frankreich - und JiJiSS, dessen "Express" immer noch sehr gut lief, wurde richtig reich. Das finanzielle Drama begann, als er sein ganzes Geld in eine politische Laufbahn investierte. Er wurde Generalsekretär der Radikalpartei, die sich ebenso durch Antigaullismus wie durch Antikommunismus auszeichnete, und kämpfte für die politische und wirtschaftliche Modernisierung Frankreichs, als das Land dafür noch nicht bereit war. Auf einige frühe Wahlerfolge folgte der Absturz, und einer seiner größten Gegner, der Gaullist Chirac, profitierte davon.

    1977 musste JiJiSS den "Express" verkaufen; 1980 meldete er sich mit einem Buch über den Aufstieg Japans zurück, dessen Prognosen jedoch von der zwischendurch eingetreten Wirtschaftskrise erledigt wurden. Danach siedelte JiJiSS mit seinen vier Söhnen in die USA über, um ihnen die bestmögliche Ausbildung angedeihen zu lassen; er selbst half in der Universitätsverwaltung von Pittsburgh mit. Das Familienprojekt hatte er den Kennedys abgeschaut, nachdem er sich einst mit John F. befreundet hatte. Es ist in gewisser Weise aufgegangen: inzwischen sind die Servan-Schreiber Bestsellerautoren in der dritten Generation, und JiJiSS lebte in seinen letzten, von Alzheimerscher Krankheit verschatteten Jahren, in einem Haus in vornehmen Pariser Vorort Neuilly gemeinsam mit seinen Geschwistern und Kindern und deren Familien.