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Liberaler Islam in London
Frauen als Vorbeterinnen

Die Juristin Seyran Ates wird in Berlin eine liberale Gemeinde gründen. Frauen und Männer sollen dort gemeinsam beten können. Dafür gibt es Vorbilder. Etwa in London, wo sich die "Inclusive Mosque" einem offenen Islamverständnis verschreibt. Hier sind auch Homosexuelle willkommen.

Von Abdul-Ahmad Rashid |
    Zahlreiche Schuhe stehen am vor dem Eingang einer Moschee in Berlin.
    Nur die Schuhe müssen draußen bleiben - das ist die Vision der "Inclusive Mosque Initiative" (dpa / Paul Zinken)
    Das Nachbarschaftshaus der Quäker-Religionsgemeinschaft in der Innenstadt von London. In der Bibliothek hält sich eine Gruppe von Menschen auf, Männer und Frauen. Verteilt sitzen sie auf dem Boden des Raumes. Die Tische haben sie beiseitegeschoben, auf dem Boden sind Teppiche und Tücher ausgelegt. Vor ihnen steht eine junge Frau mit Kopftuch und hält einen Vortrag.
    Freitagsgebet für alle
    Doch was hier stattfindet ist kein Bibliotheksbesuch, sondern eine Versammlung von Muslimen zum traditionellen Freitagsgebet und der Vortrag der jungen Frau ist die Freitagspredigt. Die, die sich hier versammelt haben, sind Mitglieder des "Inclusive Mosque"-Projektes in England.
    Nachdem die junge Frau ihre Predigt beendet hat, dreht sie sich mit dem Rücken zur Gruppe, um das Gebet einzuleiten, das auf die Predigt folgt. Hinter ihr stellen sich die anderen Teilnehmer in zwei Reihen auf: Männer und Frauen, mit oder ohne Kopftuch, hetero- und homosexuell, Sunniten, Schiiten, Araber, Pakistaner, Inder. Und anders als bei traditionellen Moscheegemeinden ist hier nicht nur die Frau Vorbeterin, sondern Frauen und Männer beten auch neben- und nicht hintereinander. Mit dem Ruf "Allahu Akbar" wird das Gebet eingeleitet.
    "Wir möchten, dass es den Menschen hier gut geht"
    Das "Inclusive Mosque"-Projekt wurde im November 2012 von zwei muslimischen Aktivistinnen in Großbritannien gegründet. Das Ziel: Ein zusätzliches Angebot zu den traditionellen Moscheegemeinden zu schaffen:
    "Wir akzeptieren Menschen aus allen muslimischen Konfessionen. Die Vielfalt ist groß. Wir akzeptieren Menschen jeglichen Geschlechts und jeglicher sexueller Orientierung. Wir bieten Zugang für Menschen mit Behinderung. Und wir bieten Gebärdensprache an. Wir möchten, dass es den Menschen hier gut geht."
    Schlechte Erfahrungen in den Moscheen in East London
    Zudem geht es den Initiatoren des Projekts, das sich ausschließlich aus Spenden finanziert, darum, muslimischen Frauen eine würdige Möglichkeit für das Gebet in der Gemeinschaft zu geben. Denn in vielen Moscheen in London ist die Situation für die Frauen alles andere als ideal. Diese junge Frau mit Kopftuch und Wurzeln in Pakistan kommt gerne zu den Treffen der "Inclusive Mosque Initiative".
    "Ich liebe, für was diese Initiative steht, denn ich hatte einige schlechte Erfahrungen in den Moscheen in East London, wo ich zum Freitagsgebet hingegangen bin. Dort gibt es keinen Raum für Frauen! Ich fühle mich fürchterlich dabei, wie eine Krankheit. Deshalb war ich glücklich, einen Ort zu finden, wo ich gleichwertig behandelt werde und dazu noch in einer schönen Umgebung."
    Eine Frau hält einen Koran in englischer Übersetzung
    "Ich mag es, zu beten und ich mag den Koran." (imago stock&people / ZUMA Press )
    Das Projekt hat noch keine eigene Moschee, daher beten die Teilnehmer in angemieteten Räumen. Mal in Hotelkonferenzräumen, mal in Räumen von Kirchengemeinden, mal in Bibliotheken, wie hier im Quäkerheim. Und das alle 14 Tage. Festangestellte Imame gibt es nicht. Jede und jeder kann bei den Versammlungen predigen und vorbeten. Das bringt der Initiative den Vorwurf der Beliebigkeit seitens traditioneller Muslime ein. Doch die Teilnehmer wollen das nicht gelten lassen:
    "Ich mag es, zu beten und ich mag den Koran. Ich verstehe Arabisch und ich lese im Koran. Ich nehme die Häppchen, die ich mag und ich nehme die Häppchen, die ich nicht mag. Sollte irgendjemand ein Problem damit haben, ist es deren Problem, nicht meins."
    Nach dem Gebet vollziehen die Teilnehmer noch das Ritual des "Dhikr", in dem Gott durch das Wort "Hu", auf Deutsch "Er", angerufen wird.
    Die Zahl der Teilnehmer steigt ständig
    Doch nicht überall ist die Initiative beliebt. Besonders im Internet gibt es immer wieder Attacken von fundamentalistischen muslimischen Gruppen. Daher wollen die Teilnehmer auch nicht, dass ihre Namen veröffentlicht werden. Noch ist die Situation zu heikel. Dennoch ist die Resonanz gut. Die Zahl der Teilnehmer steigt ständig. Ein Zeichen, dass ein solches religiöses Angebot gebraucht wird. Gerade von den religiösen Minderheiten unter den Muslimen wird es gerne angenommen:
    "Ich bin als Schiit geboren, meine Familie sind Schiiten. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich diesen Teil meiner Identität verbergen muss. In London habe ich festgestellt, dass die Stadt groß genug ist und es Menschen gibt, die ein inklusives Verhalten haben gegenüber Menschen mit anderem Glauben oder anderem Geschlecht. Hier ist es nicht so wie in anderen Moscheen. Das reichte schon aus für mich, hierhin zu kommen. Als ich dann hier war, war ich beeindruckt, denn es gibt hier offensichtlich keine Geschlechtertrennung. Und Schwule, Lesben und Transsexuelle. Auch wenn ich mich mit keiner dieser Gruppen identifiziere, so ist es doch wichtig, dass man jeden willkommen heißt. Es ist eine kleine Pflanze. Und wenn man sie wässert, so werden überall kleine Pflanzen entstehen."
    Angeregt durch die "Inclusive Mosque Initiative" gibt es mittlerweile ähnliche Projekte in der Schweiz und in Pakistan, in Malaysia und in Kashmir.