Vladimir Nekljajev mag es theatralisch. Der weißrussische Dichter und Liedautor greift dabei im Wahlkampf gern auch auf seine eigenen Verse zurück:
"Wir werden siegen! Ich bin gekommen, damit Ihr siegt!"
"Auf uns hämmert der Lederne ein, in den Händen die Kette,
so, als sei’s für alle Zeiten ... Mich fragen die Landsleute: Warum gingst Du in die Politik? Ich so sag ich, bin gekommen, als ihr die Freiheit eingeatmet habt und aufgestanden seid in voller Größe..."
Nekljajev ist einer von neun Oppositionskandidaten, die am kommenden Sonntag den langjährigen, autokratisch herrschenden Amtsinhaber Aleksandr Lukaschenko herausfordern. Und: Er ist der Einzige, der so etwas wie Wahlkampf-Atmosphäre erzeugen kann, der imstande ist, seine Anhänger wenigstens ein bisschen zu mobilisieren, auch wenn seine Programminhalte eher diffus bleiben. Nekljajev konnte vor den Wahlen immerhin knapp 200.000 Unterschriften vorlegen, die seine Kandidatur unterstützt haben - zum Vergleich: Für ein erneutes Antreten von Lukaschenko nach nun schon 16 Jahren ununterbrochener Amtszeit hatten dagegen weit über eine Million weißrussischer Bürgerinnen und Bürger unterschrieben.
Die Differenz mag zunächst beeindruckend erscheinen - derlei amtlich verbreitete Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen in Belarus, wie sich das Land offiziell nennt. Tatsache ist: Vladimir Nekljajev gehört noch zu den bekannteren Lukaschenko-Opponenten. Und darauf hat der Staatspräsident frühzeitig reagiert. In dem fast ausschließlich für Lukaschenko reservierten Staatsfernsehen greift er schon Ende November Nekljajev und Andrej Sannikov, einen anderen halbwegs bekannten Oppositions-Kandidaten, scharf an. Er beschuldigt beide, von Russland gesteuert zu werden.
Nekljajev feuert am nächsten Tag während einer Kundgebung vor seinen Anhängern prompt zurück:
"Man hat mich beschuldigt, ich hätte russisches Geld bekommen. Lukaschenko hat behauptet, dass er dafür Beweise habe. Solche Beweise gibt es nicht, weil es sie nicht geben kann. - Ich aber habe Beweise, dass Lukaschenko sich die ganze Zeit nur damit beschäftigt hat, Russland um Geld zu bitten und dort abzukassieren. Der hat doch Russland die ganze Zeit an der Nase herumgeführt: ‘Gebt mir Geld, gebt mir Geld!’ - Und als Russland schließlich verstanden hatte, dass es überhaupt keinen Sinn macht, Geld ohne Gegenleistung herauszurücken, wurde Russland plötzlich vom Freund zum Feind."
Anfang Oktober, vor zwei Monaten, war der Streit eskaliert: Die russische Führung schien genug zu haben von Lukaschenko, ihrem oft schon schwierigen, manchmal lästigen, letztlich aber langjährigen Minsker Bündnispartner. - Der Moskauer Fernsehsender NTW, der auch in Weißrussland zu empfangen ist, strahlte bislang Unerhörtes aus - kaum denkbar ohne entsprechende Sanktion des Kreml:
"Die weißrussische Todesschwadron! - ‘Sie handelt zum Wohl des Präsidenten und ihres Landes!’ Ein ehemaliger Kämpfer erzählt Einzelheiten über die Zusammenarbeit mit dem weißrussischen Geheimdienst KGB. - Wie bereitet sich Lukaschenko auf die Wahlen vor? Und was für Pläne hat er, wenn dieser Herbst der letzte Herbst für ihn werden sollte ...? - Heute! In unserem Programm!"
Das Leitmotiv vorgegeben hatte Russlands Präsident Dmitrij Medwedew. Als Dank für günstige russische Erdgas- und Erdöl-Lieferungen habe es aus Minsk nur Provokationen und Beleidigungen gegeben, beschwerte sich der Kreml-Chef öffentlich im russischen Fernsehen:
Präsident Lukaschenko habe mit seinen Äußerungen nicht nur die Regeln der internationalen Diplomatie, sondern auch die Grundlagen menschlichen Anstands überschritten, las das russische Staatsoberhaupt seinem 56-jährigen Minsker Amtskollegen harsch die Leviten und gab dann auch noch zur Verblüffung der Öffentlichkeit - nicht nur in Russland! - den engagierten Anwalt für spurlos verschwundene oder getötete weißrussische Oppositionelle, Menschenrechtler und Journalisten.
Lukaschenko möge sich mit seinen inneren Problemen beschäftigen. Die zahlreichen mysteriös Vermissten in seinem Staat seien Russland wie auch anderen Ländern nicht gleichgültig. - Lukaschenko hielt still, vermied es, diesen Fehdehandschuh Moskaus aufzuheben und den Streit in dieser Tonart fortzusetzen. - Viele weißrussische Oppositionskandidaten reisten unterdessen weiter zu politischen Besuchen nach Moskau. Sie sahen Lukaschenkos Felle ganz offensichtlich davonschwimmen, so wie zum Beispiel Natalia Radina, die radikaloppositionelle Chefredakteurin der dem Präsidentschaftskandidaten Andrej Sannikov nahestehenden Internetzeitung "Charter97":
"Heute kommt Russland mit Lukaschenkos Regime besser klar als die Europäer. Leider verhalten sich manche europäischen Politiker unserem Volk gegenüber verräterisch und prinzipienlos: So wie etwa kürzlich die litauische Präsidentin Dalia Gribauskajte. Es spielt Lukaschenko in die Hände, wenn sie sagt, dass er ihrer Meinung nach ein Garant für die Stabilität in Weißrussland und dessen Unabhängigkeit sei. - Russland bedroht unsere Unabhängigkeit schon lange nicht mehr. Die Welt würde es nie zulassen, sollte Weißrussland jemals Gefahr laufen, sie zu verlieren. Wir hier haben immer gewusst, dass Russland unser Nachbarland ist, dass wir gutnachbarliche, normale, partnerschaftliche Beziehungen zueinander haben müssen."
Obwohl selbst Menschenrechtlerin und von Lukaschenkos Sicherheitsapparat mehrfach verfolgt und misshandelt, weigert sich Natalija Radina in den spektakulären Äußerungen Medwedews über bedrohte Oppositionelle in Weißrussland tagespolitischen Opportunismus zu vermuten - trotz der bekanntlich ebenfalls desolaten Situation ihrer russischen Gesinnungsgefährten:
"Heute geht es nicht um die Unterstützung der Opposition in Russland. Es geht darum, dass Russland aufgehört hat, unserem Diktator unter die Arme zu greifen. Und dafür sage ich ein ganz großes ‘Dankeschön!’ - Russland sagt heute die Wahrheit darüber, was in unserem Land vor sich geht, wie die Menschenrechte bei uns verletzt werden, wie die Meinungsfreiheit bei uns unterdrückt wird. Sie sind es, die unsere Oppositionskandidaten über ihren Äther bei uns zu Wort kommen lassen ..."
Eine Ansicht, die von den meisten Oppositionskandidaten durchaus geteilt wird - nach der Devise: "Mit Russland und, wenn es geht, auch mit Europa - zusammen gegen Lukaschenko!" - Wie ein kalter Guss müssen deshalb Ende vergangener Woche überraschende Fernsehbilder aus Moskau auf sie gewirkt haben: Medwedew und Lukaschenko verkünden einträchtig und freundlich lächelnd, dass man sich über Ölpreise, Zollfragen und den Energietransit aus Russland über Weißrussland nach Europa am Ende doch noch geeinigt habe. - Hat Moskau schon vor der Wahl am Sonntag einsehen müssen, dass an einem Präsidenten Lukaschenko auch in den kommenden Jahren kein anderer Energie-Transit-Weg vorbei führen wird? - Weißrusslands Regent, dem selbst seine Widersacher - wie sie widerwillig sagen - "bauernschlaues Verhandlungsgeschick" zugestehen, strahlt jedenfalls mit den Kronleuchtern im Saal förmlich um die Wette:
"Wir werden uns auch noch beim Erdgas einigen. Unsere gemeinsame Erfahrung, die wir nutzen können, ist eine unbezahlbare Gabe: Die Zusammenarbeit innerhalb der G-U-S, der ‘Gemeinschaft Unabhängiger Staaten’, die ja bald schon 20 Jahre alt werden wird! - Und das Wichtigste dabei: Wir haben während dieser Zeit eine gemeinsame Mentalität entwickelt! Auch das können wir positiv auf die gemeinsame Wagschale legen. Das Allerwichtigste aber für Weißrussland, für Kasachstan, ja auch für Russland: Dieser gemeinsame Markt vereint heute nicht zehn Millionen Menschen, nicht 15 oder 20 Millionen, auch nicht 40 Millionen, sondern 170 Millionen Menschen! - Das ist doch auch viel wert!"
Alles wieder gut zwischen Moskau und Minsk? - Jenen Weißrussen jedenfalls, die Lukaschenko noch bis Ende vergangener Woche vorwerfen konnten, er habe das Verhältnis zu Russland ruiniert, hat er mit diesem Coup vorläufig den Wind aus den Segeln genommen. Der ohnehin zersplitterten Opposition hat Lukaschenko eine wichtige Karte im Wahlkampf aus der Hand geschlagen. Er kann sich wieder voll darauf konzentrieren, sie mit Hohn und Spott zu überziehen:
"Ich glaube, sie sind einfach nicht darauf vorbereitet, einen Wahlkampf zu führen. Ich habe natürlich nicht jedem von ihnen zugehört, einigen aber schon. Soviel Bösartigkeit, wie die heute verbreiten, führt nur dazu, dass sich die Leute erschrecken. Sie werden’s so nur schaffen, dass sie überhaupt niemand wählen wird. - Ein Wahlkampf muss auf Güte beruhen! Dem Volk muss das Gute angeboten werden! - Und deshalb: Bosheiten über den Bildschirm zu verströmen - das ist nicht weißrussische Art!"
Ales’ Antsipenka lächelt ironisch bei diesen Worten seines Staatsoberhaupts. Der Medienwissenschaftler vom unabhängigen Minsker "Weißrussischen Kollegium" untersucht seit Wahlkampfbeginn, wie das staatlich gelenkte und kontrollierte Fernsehen in Weißrussland über den Wahlkampf des Amtsinhabers wie auch seiner Herausforderer berichtet:
"Die elektronischen Medien konzentrieren sich auf denjenigen Teil der Bevölkerung, der noch unschlüssig ist, wen er wählen soll. Dann hört man solche Texte wie: ‘Für Aleksandr Lukaschenko werden 70 bis 80 Prozent stimmen, alle oppositionellen oder alternativen Kandidaten bekommen zusammengenommen nicht mehr als ein Prozent der abgegebenen Stimmen.’ - So etwas bezeichne ich als ‘aktives Programmieren’!"
Und, fügt Antsipenka hinzu:
"Die Mehrheit unserer Bevölkerung hat - real! - keine ökonomische oder politische Wahlmöglichkeit. Dank der ‘Arbeit’ unserer staatlichen Massenmedien haben die meisten Menschen ein ausreichend positives Bild hinsichtlich ihrer Zukunft. Deswegen interessiert sich die Mehrheit auch nicht dafür, was die russischen, was die nicht-staatlichen TV-Kanäle berichten. Aber sie interessieren sich auch nicht für die staatlichen Sender! Das heißt: Ein beträchtlicher Teil der Weißrussen lebt in einer bequemen Situation, die an eine Art ‘politische Unschuld’ erinnert."
Lukaschenko??! Der gefällt der 72-jährigen Olga überhaupt nicht. Lukaschenko, diesen ehemaligen Direktor eines sowjetischen Staatsguts, faucht sie, könne sie nicht ausstehen. Gewählt habe sie ihn noch nie. - Sie sitzt im riesigen Zuschauerraum des Kulturpalasts von Sluzk, einer Kleinstadt tief in der weißrussischen Provinz. Gleich soll hier der Oppositionskandidat Andrej Sannikov auftreten. Den möchte sie sich anhören. Sie interessiert sich ebenso für die bevorstehenden Wahlen wie die anderen Zuhörer, die sich in dem halbdunklen Saal verlieren. Zweihundert, vielleicht 250 überwiegend ältere Menschen mögen es sein. Olga, sie war vor ihrer Pensionierung Abteilungsleiterin in einer Fabrik, ist überzeugt:
"Wir brauchen den Wechsel! Etwas Anderes...! Ich habe Kinder, Enkel. Ich möchte, dass die mal besser leben als ich. Ich habe unter der Sowjetmacht gelebt, nach dem Krieg, alles war kaputt - und was ist jetzt??! Nicht viel ist besser geworden. Da hat uns Lukaschenko vor den Wahlen die Renten um zehn Prozent erhöht. Jetzt krieg’ ich also umgerechnet knapp 180 Euro im Monat. Was davon allein schon für die Arzneimittel draufgeht ... Und den Kindern muss ich auch noch dazugeben, weil deren Einkommen nicht ausreicht. Die Jugend findet in Sluzk überhaupt keine Arbeit! Wer doch etwas gefunden hat, bekommt gerade mal so um die hundert Euro ... Wovon soll man da leben?! Die Enkelin lernt noch. Die muss ich auch unterstützen. Verstehen Sie? - Mir bleibt nichts!"
Leonid, Olgas Nachbar, nickt zustimmend. Der 70-jährige ehemalige Verkaufsleiter und Reserveoffizier ist nicht etwa in den Kulturpalast gekommen, weil er ein Anhänger des Kandidaten Sannikov ist. Er wird sich alle Kandidaten anhören, die den Weg nach Sluzk finden, sagt er. Er komme vor allem deswegen, weil er gegen Lukaschenko ist. Das seien inzwischen eine ganze Menge Menschen, versichert er. Aber sich aufzuraffen und zu einer Wahlveranstaltung der Opposition zu gehen, dazu hätten nicht viele seiner Bekannten Lust. Allein heute, hier in diesem Saal, sehe er ein gutes Dutzend Geheimdienstler vom KGB herumsitzen. Die Stadt sei klein, jeder kenne doch jeden - und dann:
"Unsere Apathie...! Die kommt wahrscheinlich daher, weil unser Volk in seiner Geschichte so viel mitmachen musste. Außerdem: Letzten Endes sind viele dann mit ihrer Situation doch nicht völlig unzufrieden. - Früher schon hat man uns mal gesagt: ‘Wir haben die besten Schuhe der Welt ...’ - Klar, denn westliche Schuhe hatten wir ja noch nie gesehen. - So ähnlich ist das heute noch ..."
Inzwischen ist der Kandidat Sannikov eingetroffen, beantwortet Fragen aus dem Saal. Und schon melden sich auch Provokateure zu Wort:
"Gestatten Sie eine Frage? - Sie mit ‘Genosse Sannikov’ anzureden, da will sich mir die Zunge nicht umdrehen ... Also, Herr Sannikov: Ihre Mitkämpfer, die Sie hier mitgebracht haben, die erstaunen mich schon ... Das sind doch alles Ehemalige, Gekränkte ... Früher, da waren diese Leute mal am Futtertrog ... Heute braucht die keiner ... Was wollen Sie mit denen eigentlich erreichen?"
"Meine Hoffnung sind die Menschen ..." - Sannikovs Antwort wirkt phlegmatisch, zögernd, matt. Der gelernte sowjetische Berufsdiplomat, Mitte der Neunziger Jahre sogar stellvertretender weißrussischer Außenminister unter Präsident Lukaschenko, nimmt das Häuflein seiner Mitstreiter auf dem Podium betulich in Schutz, darunter auch den ersten weißrussischen Verteidigungsminister nach der Unabhängigkeit des Landes vor knapp 20 Jahren: "Beleidigen Sie diese Menschen doch nicht!" - Schließlich hebt der 56-jährige Sannikov, Führer der Bewegung "Europäisches Weißrussland", doch ein wenig die Stimme: "Unterbrechen Sie mich nicht! Ich antworte Ihnen! Setzen Sie sich bitte ..." - In die aufkommende Unruhe hinein besänftigt er: "Das macht doch nichts. Das ist doch nicht schlimm. Die Menschen haben das Recht zu fragen ..." - Doch dann wird sein Ton fast scharf, als er seinem Widersacher im Publikum am Ende zuruft: "An einem Futtertrog halten sich Schweine auf! Wir aber sind Menschen! Danke!"
Rentner Leonid lehnt sich skeptisch zurück. Er ist sichtlich unzufrieden:
"Sannikov ist ohne ein Programm hierher gekommen. Sagt: ‘Stimmt für mich!’ - Aber wer steht denn hinter ihm? - Wenigstens in Stichworten hätte er sein Programm vorstellen müssen! - ‘Die Beziehungen zu Russland verbessern ...’ - Na, gut ...! Und wie soll’s zum Beispiel mit dem Westen weitergehen?!"
"Ich habe mich ein bisschen gelangweilt! Das war doch alles grau in grau! Meine Meinung: Sannikov hat einfach kein Charisma! So ist das! Der ist einfach zu ‘zuckersüß’’! Unser Volk aber ist gewohnt, dass man mit der Faust auf den Tisch hauen muss ... Und wenn sie solch eine innere Kraft nicht erkennen können, dann werden sie so einem ihre Stimme nicht geben ...!"
... ist Tanja überzeugt, eine Studentin Ende 20 - und eine der Jüngsten, die in den hochbunkerartigen Betonklotz aus den 70er-Jahren gekommen ist.
Lukaschenko kann sich entspannt zurücklehnen, riskiert wenig dabei, eine bloß vordergründig demokratisch daherkommende Präsidentschaftswahl zu inszenieren. Die zerfasert wirkende Opposition macht es ihm leicht, dem Westen vorzugaukeln, Weißrusslands inneres Regime sei dabei sich liberaleren, demokratischeren Positionen anzunähern. Er braucht das Ausland, ist auf dessen finanzielle Hilfe angewiesen. Bislang hat es ihn politisch nichts gekostet, das langjährige Katz-und-Maus-Spiel mit seinen Gegnern eben auch einmal für eine gewisse Zeit abzumildern, ist sich Oleg Hulak sicher, der Vorsitzende des "Weißrussischen Helsinki-Komitees", einer Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Minsk:
"Bestraft, verfolgt wird im Augenblick tatsächlich niemand. Aber, ganz klar: Die Ohren des Geheimdienstes KGB hören wie immer weiter überall mit. Ab und zu wird dann jemand an der Grenze ganz genau kontrolliert. - Im Moment erleben wir eine gewisse Liberalisierung, aber keinesfalls eine Demokratisierung - zumindest was das politische System, was den Staatsapparat betrifft! Der war autoritär - und er ist autoritär geblieben! - Die politischen Parteien in Weißrussland als Vertreter der Opposition werden nach der Wahl ziemlich traurig aussehen. Alles wird traurig aussehen. Künftig wird wohl die Zivilgesellschaft eine größere Rolle spielen müssen. Für die Parteien als Subjekte des politischen Prozesses wird es hier immer weniger Platz geben ..."
Der Sluzker Rentner Leonid hingegen vertraut seinem Instinkt und der Lebenserfahrung seiner siebzig Jahre:
"Liberalisierung? Demokratisierung?", zögert er zunächst, findet dann jedoch seine ganz private optimistische Kurzformel zu Verlauf und Ausgang dieser Präsidentschaftswahlen in Weißrussland am kommenden Sonntag: "Das ist für mich der Anfang von Lukaschenkos Schwäche ...!"
Themenschwerpunkt bei DRadio Wissen:
Der ewige Lukaschenko - Herausforderer des Präsidenten gelten als chancenlos
"Wir werden siegen! Ich bin gekommen, damit Ihr siegt!"
"Auf uns hämmert der Lederne ein, in den Händen die Kette,
so, als sei’s für alle Zeiten ... Mich fragen die Landsleute: Warum gingst Du in die Politik? Ich so sag ich, bin gekommen, als ihr die Freiheit eingeatmet habt und aufgestanden seid in voller Größe..."
Nekljajev ist einer von neun Oppositionskandidaten, die am kommenden Sonntag den langjährigen, autokratisch herrschenden Amtsinhaber Aleksandr Lukaschenko herausfordern. Und: Er ist der Einzige, der so etwas wie Wahlkampf-Atmosphäre erzeugen kann, der imstande ist, seine Anhänger wenigstens ein bisschen zu mobilisieren, auch wenn seine Programminhalte eher diffus bleiben. Nekljajev konnte vor den Wahlen immerhin knapp 200.000 Unterschriften vorlegen, die seine Kandidatur unterstützt haben - zum Vergleich: Für ein erneutes Antreten von Lukaschenko nach nun schon 16 Jahren ununterbrochener Amtszeit hatten dagegen weit über eine Million weißrussischer Bürgerinnen und Bürger unterschrieben.
Die Differenz mag zunächst beeindruckend erscheinen - derlei amtlich verbreitete Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen in Belarus, wie sich das Land offiziell nennt. Tatsache ist: Vladimir Nekljajev gehört noch zu den bekannteren Lukaschenko-Opponenten. Und darauf hat der Staatspräsident frühzeitig reagiert. In dem fast ausschließlich für Lukaschenko reservierten Staatsfernsehen greift er schon Ende November Nekljajev und Andrej Sannikov, einen anderen halbwegs bekannten Oppositions-Kandidaten, scharf an. Er beschuldigt beide, von Russland gesteuert zu werden.
Nekljajev feuert am nächsten Tag während einer Kundgebung vor seinen Anhängern prompt zurück:
"Man hat mich beschuldigt, ich hätte russisches Geld bekommen. Lukaschenko hat behauptet, dass er dafür Beweise habe. Solche Beweise gibt es nicht, weil es sie nicht geben kann. - Ich aber habe Beweise, dass Lukaschenko sich die ganze Zeit nur damit beschäftigt hat, Russland um Geld zu bitten und dort abzukassieren. Der hat doch Russland die ganze Zeit an der Nase herumgeführt: ‘Gebt mir Geld, gebt mir Geld!’ - Und als Russland schließlich verstanden hatte, dass es überhaupt keinen Sinn macht, Geld ohne Gegenleistung herauszurücken, wurde Russland plötzlich vom Freund zum Feind."
Anfang Oktober, vor zwei Monaten, war der Streit eskaliert: Die russische Führung schien genug zu haben von Lukaschenko, ihrem oft schon schwierigen, manchmal lästigen, letztlich aber langjährigen Minsker Bündnispartner. - Der Moskauer Fernsehsender NTW, der auch in Weißrussland zu empfangen ist, strahlte bislang Unerhörtes aus - kaum denkbar ohne entsprechende Sanktion des Kreml:
"Die weißrussische Todesschwadron! - ‘Sie handelt zum Wohl des Präsidenten und ihres Landes!’ Ein ehemaliger Kämpfer erzählt Einzelheiten über die Zusammenarbeit mit dem weißrussischen Geheimdienst KGB. - Wie bereitet sich Lukaschenko auf die Wahlen vor? Und was für Pläne hat er, wenn dieser Herbst der letzte Herbst für ihn werden sollte ...? - Heute! In unserem Programm!"
Das Leitmotiv vorgegeben hatte Russlands Präsident Dmitrij Medwedew. Als Dank für günstige russische Erdgas- und Erdöl-Lieferungen habe es aus Minsk nur Provokationen und Beleidigungen gegeben, beschwerte sich der Kreml-Chef öffentlich im russischen Fernsehen:
Präsident Lukaschenko habe mit seinen Äußerungen nicht nur die Regeln der internationalen Diplomatie, sondern auch die Grundlagen menschlichen Anstands überschritten, las das russische Staatsoberhaupt seinem 56-jährigen Minsker Amtskollegen harsch die Leviten und gab dann auch noch zur Verblüffung der Öffentlichkeit - nicht nur in Russland! - den engagierten Anwalt für spurlos verschwundene oder getötete weißrussische Oppositionelle, Menschenrechtler und Journalisten.
Lukaschenko möge sich mit seinen inneren Problemen beschäftigen. Die zahlreichen mysteriös Vermissten in seinem Staat seien Russland wie auch anderen Ländern nicht gleichgültig. - Lukaschenko hielt still, vermied es, diesen Fehdehandschuh Moskaus aufzuheben und den Streit in dieser Tonart fortzusetzen. - Viele weißrussische Oppositionskandidaten reisten unterdessen weiter zu politischen Besuchen nach Moskau. Sie sahen Lukaschenkos Felle ganz offensichtlich davonschwimmen, so wie zum Beispiel Natalia Radina, die radikaloppositionelle Chefredakteurin der dem Präsidentschaftskandidaten Andrej Sannikov nahestehenden Internetzeitung "Charter97":
"Heute kommt Russland mit Lukaschenkos Regime besser klar als die Europäer. Leider verhalten sich manche europäischen Politiker unserem Volk gegenüber verräterisch und prinzipienlos: So wie etwa kürzlich die litauische Präsidentin Dalia Gribauskajte. Es spielt Lukaschenko in die Hände, wenn sie sagt, dass er ihrer Meinung nach ein Garant für die Stabilität in Weißrussland und dessen Unabhängigkeit sei. - Russland bedroht unsere Unabhängigkeit schon lange nicht mehr. Die Welt würde es nie zulassen, sollte Weißrussland jemals Gefahr laufen, sie zu verlieren. Wir hier haben immer gewusst, dass Russland unser Nachbarland ist, dass wir gutnachbarliche, normale, partnerschaftliche Beziehungen zueinander haben müssen."
Obwohl selbst Menschenrechtlerin und von Lukaschenkos Sicherheitsapparat mehrfach verfolgt und misshandelt, weigert sich Natalija Radina in den spektakulären Äußerungen Medwedews über bedrohte Oppositionelle in Weißrussland tagespolitischen Opportunismus zu vermuten - trotz der bekanntlich ebenfalls desolaten Situation ihrer russischen Gesinnungsgefährten:
"Heute geht es nicht um die Unterstützung der Opposition in Russland. Es geht darum, dass Russland aufgehört hat, unserem Diktator unter die Arme zu greifen. Und dafür sage ich ein ganz großes ‘Dankeschön!’ - Russland sagt heute die Wahrheit darüber, was in unserem Land vor sich geht, wie die Menschenrechte bei uns verletzt werden, wie die Meinungsfreiheit bei uns unterdrückt wird. Sie sind es, die unsere Oppositionskandidaten über ihren Äther bei uns zu Wort kommen lassen ..."
Eine Ansicht, die von den meisten Oppositionskandidaten durchaus geteilt wird - nach der Devise: "Mit Russland und, wenn es geht, auch mit Europa - zusammen gegen Lukaschenko!" - Wie ein kalter Guss müssen deshalb Ende vergangener Woche überraschende Fernsehbilder aus Moskau auf sie gewirkt haben: Medwedew und Lukaschenko verkünden einträchtig und freundlich lächelnd, dass man sich über Ölpreise, Zollfragen und den Energietransit aus Russland über Weißrussland nach Europa am Ende doch noch geeinigt habe. - Hat Moskau schon vor der Wahl am Sonntag einsehen müssen, dass an einem Präsidenten Lukaschenko auch in den kommenden Jahren kein anderer Energie-Transit-Weg vorbei führen wird? - Weißrusslands Regent, dem selbst seine Widersacher - wie sie widerwillig sagen - "bauernschlaues Verhandlungsgeschick" zugestehen, strahlt jedenfalls mit den Kronleuchtern im Saal förmlich um die Wette:
"Wir werden uns auch noch beim Erdgas einigen. Unsere gemeinsame Erfahrung, die wir nutzen können, ist eine unbezahlbare Gabe: Die Zusammenarbeit innerhalb der G-U-S, der ‘Gemeinschaft Unabhängiger Staaten’, die ja bald schon 20 Jahre alt werden wird! - Und das Wichtigste dabei: Wir haben während dieser Zeit eine gemeinsame Mentalität entwickelt! Auch das können wir positiv auf die gemeinsame Wagschale legen. Das Allerwichtigste aber für Weißrussland, für Kasachstan, ja auch für Russland: Dieser gemeinsame Markt vereint heute nicht zehn Millionen Menschen, nicht 15 oder 20 Millionen, auch nicht 40 Millionen, sondern 170 Millionen Menschen! - Das ist doch auch viel wert!"
Alles wieder gut zwischen Moskau und Minsk? - Jenen Weißrussen jedenfalls, die Lukaschenko noch bis Ende vergangener Woche vorwerfen konnten, er habe das Verhältnis zu Russland ruiniert, hat er mit diesem Coup vorläufig den Wind aus den Segeln genommen. Der ohnehin zersplitterten Opposition hat Lukaschenko eine wichtige Karte im Wahlkampf aus der Hand geschlagen. Er kann sich wieder voll darauf konzentrieren, sie mit Hohn und Spott zu überziehen:
"Ich glaube, sie sind einfach nicht darauf vorbereitet, einen Wahlkampf zu führen. Ich habe natürlich nicht jedem von ihnen zugehört, einigen aber schon. Soviel Bösartigkeit, wie die heute verbreiten, führt nur dazu, dass sich die Leute erschrecken. Sie werden’s so nur schaffen, dass sie überhaupt niemand wählen wird. - Ein Wahlkampf muss auf Güte beruhen! Dem Volk muss das Gute angeboten werden! - Und deshalb: Bosheiten über den Bildschirm zu verströmen - das ist nicht weißrussische Art!"
Ales’ Antsipenka lächelt ironisch bei diesen Worten seines Staatsoberhaupts. Der Medienwissenschaftler vom unabhängigen Minsker "Weißrussischen Kollegium" untersucht seit Wahlkampfbeginn, wie das staatlich gelenkte und kontrollierte Fernsehen in Weißrussland über den Wahlkampf des Amtsinhabers wie auch seiner Herausforderer berichtet:
"Die elektronischen Medien konzentrieren sich auf denjenigen Teil der Bevölkerung, der noch unschlüssig ist, wen er wählen soll. Dann hört man solche Texte wie: ‘Für Aleksandr Lukaschenko werden 70 bis 80 Prozent stimmen, alle oppositionellen oder alternativen Kandidaten bekommen zusammengenommen nicht mehr als ein Prozent der abgegebenen Stimmen.’ - So etwas bezeichne ich als ‘aktives Programmieren’!"
Und, fügt Antsipenka hinzu:
"Die Mehrheit unserer Bevölkerung hat - real! - keine ökonomische oder politische Wahlmöglichkeit. Dank der ‘Arbeit’ unserer staatlichen Massenmedien haben die meisten Menschen ein ausreichend positives Bild hinsichtlich ihrer Zukunft. Deswegen interessiert sich die Mehrheit auch nicht dafür, was die russischen, was die nicht-staatlichen TV-Kanäle berichten. Aber sie interessieren sich auch nicht für die staatlichen Sender! Das heißt: Ein beträchtlicher Teil der Weißrussen lebt in einer bequemen Situation, die an eine Art ‘politische Unschuld’ erinnert."
Lukaschenko??! Der gefällt der 72-jährigen Olga überhaupt nicht. Lukaschenko, diesen ehemaligen Direktor eines sowjetischen Staatsguts, faucht sie, könne sie nicht ausstehen. Gewählt habe sie ihn noch nie. - Sie sitzt im riesigen Zuschauerraum des Kulturpalasts von Sluzk, einer Kleinstadt tief in der weißrussischen Provinz. Gleich soll hier der Oppositionskandidat Andrej Sannikov auftreten. Den möchte sie sich anhören. Sie interessiert sich ebenso für die bevorstehenden Wahlen wie die anderen Zuhörer, die sich in dem halbdunklen Saal verlieren. Zweihundert, vielleicht 250 überwiegend ältere Menschen mögen es sein. Olga, sie war vor ihrer Pensionierung Abteilungsleiterin in einer Fabrik, ist überzeugt:
"Wir brauchen den Wechsel! Etwas Anderes...! Ich habe Kinder, Enkel. Ich möchte, dass die mal besser leben als ich. Ich habe unter der Sowjetmacht gelebt, nach dem Krieg, alles war kaputt - und was ist jetzt??! Nicht viel ist besser geworden. Da hat uns Lukaschenko vor den Wahlen die Renten um zehn Prozent erhöht. Jetzt krieg’ ich also umgerechnet knapp 180 Euro im Monat. Was davon allein schon für die Arzneimittel draufgeht ... Und den Kindern muss ich auch noch dazugeben, weil deren Einkommen nicht ausreicht. Die Jugend findet in Sluzk überhaupt keine Arbeit! Wer doch etwas gefunden hat, bekommt gerade mal so um die hundert Euro ... Wovon soll man da leben?! Die Enkelin lernt noch. Die muss ich auch unterstützen. Verstehen Sie? - Mir bleibt nichts!"
Leonid, Olgas Nachbar, nickt zustimmend. Der 70-jährige ehemalige Verkaufsleiter und Reserveoffizier ist nicht etwa in den Kulturpalast gekommen, weil er ein Anhänger des Kandidaten Sannikov ist. Er wird sich alle Kandidaten anhören, die den Weg nach Sluzk finden, sagt er. Er komme vor allem deswegen, weil er gegen Lukaschenko ist. Das seien inzwischen eine ganze Menge Menschen, versichert er. Aber sich aufzuraffen und zu einer Wahlveranstaltung der Opposition zu gehen, dazu hätten nicht viele seiner Bekannten Lust. Allein heute, hier in diesem Saal, sehe er ein gutes Dutzend Geheimdienstler vom KGB herumsitzen. Die Stadt sei klein, jeder kenne doch jeden - und dann:
"Unsere Apathie...! Die kommt wahrscheinlich daher, weil unser Volk in seiner Geschichte so viel mitmachen musste. Außerdem: Letzten Endes sind viele dann mit ihrer Situation doch nicht völlig unzufrieden. - Früher schon hat man uns mal gesagt: ‘Wir haben die besten Schuhe der Welt ...’ - Klar, denn westliche Schuhe hatten wir ja noch nie gesehen. - So ähnlich ist das heute noch ..."
Inzwischen ist der Kandidat Sannikov eingetroffen, beantwortet Fragen aus dem Saal. Und schon melden sich auch Provokateure zu Wort:
"Gestatten Sie eine Frage? - Sie mit ‘Genosse Sannikov’ anzureden, da will sich mir die Zunge nicht umdrehen ... Also, Herr Sannikov: Ihre Mitkämpfer, die Sie hier mitgebracht haben, die erstaunen mich schon ... Das sind doch alles Ehemalige, Gekränkte ... Früher, da waren diese Leute mal am Futtertrog ... Heute braucht die keiner ... Was wollen Sie mit denen eigentlich erreichen?"
"Meine Hoffnung sind die Menschen ..." - Sannikovs Antwort wirkt phlegmatisch, zögernd, matt. Der gelernte sowjetische Berufsdiplomat, Mitte der Neunziger Jahre sogar stellvertretender weißrussischer Außenminister unter Präsident Lukaschenko, nimmt das Häuflein seiner Mitstreiter auf dem Podium betulich in Schutz, darunter auch den ersten weißrussischen Verteidigungsminister nach der Unabhängigkeit des Landes vor knapp 20 Jahren: "Beleidigen Sie diese Menschen doch nicht!" - Schließlich hebt der 56-jährige Sannikov, Führer der Bewegung "Europäisches Weißrussland", doch ein wenig die Stimme: "Unterbrechen Sie mich nicht! Ich antworte Ihnen! Setzen Sie sich bitte ..." - In die aufkommende Unruhe hinein besänftigt er: "Das macht doch nichts. Das ist doch nicht schlimm. Die Menschen haben das Recht zu fragen ..." - Doch dann wird sein Ton fast scharf, als er seinem Widersacher im Publikum am Ende zuruft: "An einem Futtertrog halten sich Schweine auf! Wir aber sind Menschen! Danke!"
Rentner Leonid lehnt sich skeptisch zurück. Er ist sichtlich unzufrieden:
"Sannikov ist ohne ein Programm hierher gekommen. Sagt: ‘Stimmt für mich!’ - Aber wer steht denn hinter ihm? - Wenigstens in Stichworten hätte er sein Programm vorstellen müssen! - ‘Die Beziehungen zu Russland verbessern ...’ - Na, gut ...! Und wie soll’s zum Beispiel mit dem Westen weitergehen?!"
"Ich habe mich ein bisschen gelangweilt! Das war doch alles grau in grau! Meine Meinung: Sannikov hat einfach kein Charisma! So ist das! Der ist einfach zu ‘zuckersüß’’! Unser Volk aber ist gewohnt, dass man mit der Faust auf den Tisch hauen muss ... Und wenn sie solch eine innere Kraft nicht erkennen können, dann werden sie so einem ihre Stimme nicht geben ...!"
... ist Tanja überzeugt, eine Studentin Ende 20 - und eine der Jüngsten, die in den hochbunkerartigen Betonklotz aus den 70er-Jahren gekommen ist.
Lukaschenko kann sich entspannt zurücklehnen, riskiert wenig dabei, eine bloß vordergründig demokratisch daherkommende Präsidentschaftswahl zu inszenieren. Die zerfasert wirkende Opposition macht es ihm leicht, dem Westen vorzugaukeln, Weißrusslands inneres Regime sei dabei sich liberaleren, demokratischeren Positionen anzunähern. Er braucht das Ausland, ist auf dessen finanzielle Hilfe angewiesen. Bislang hat es ihn politisch nichts gekostet, das langjährige Katz-und-Maus-Spiel mit seinen Gegnern eben auch einmal für eine gewisse Zeit abzumildern, ist sich Oleg Hulak sicher, der Vorsitzende des "Weißrussischen Helsinki-Komitees", einer Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Minsk:
"Bestraft, verfolgt wird im Augenblick tatsächlich niemand. Aber, ganz klar: Die Ohren des Geheimdienstes KGB hören wie immer weiter überall mit. Ab und zu wird dann jemand an der Grenze ganz genau kontrolliert. - Im Moment erleben wir eine gewisse Liberalisierung, aber keinesfalls eine Demokratisierung - zumindest was das politische System, was den Staatsapparat betrifft! Der war autoritär - und er ist autoritär geblieben! - Die politischen Parteien in Weißrussland als Vertreter der Opposition werden nach der Wahl ziemlich traurig aussehen. Alles wird traurig aussehen. Künftig wird wohl die Zivilgesellschaft eine größere Rolle spielen müssen. Für die Parteien als Subjekte des politischen Prozesses wird es hier immer weniger Platz geben ..."
Der Sluzker Rentner Leonid hingegen vertraut seinem Instinkt und der Lebenserfahrung seiner siebzig Jahre:
"Liberalisierung? Demokratisierung?", zögert er zunächst, findet dann jedoch seine ganz private optimistische Kurzformel zu Verlauf und Ausgang dieser Präsidentschaftswahlen in Weißrussland am kommenden Sonntag: "Das ist für mich der Anfang von Lukaschenkos Schwäche ...!"
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Der ewige Lukaschenko - Herausforderer des Präsidenten gelten als chancenlos