In einer Nebenstraße im Stadtzentrum von Monrovia sitzt Peter Sayqueh auf einer wackeligen Holzbank und wartet darauf, dass seine Fahrstunde beginnt. Das blaue Fahrschulauto neben ihm ist leer, der Lehrer noch nicht da. Sayqueh kann es nicht fassen, dass es seit gestern Abend wieder einen neuen Ebola-Fall gibt: "Das trifft mich. Unsere Schulen wurden doch gerade erst wieder geöffnet. Meine Tochter hat endlich wieder Unterricht. Und nun das. Wenn nun alles wieder von vorne beginnt und sich meine Tochter vielleicht sogar infiziert. Ich mache mir ernsthaft Sorgen."
Nachdem die Infektionsrate in Liberia seit Anfang des Jahres rapide abgenommen hatte, hatte die Regierung vor kurzem wieder die Schulen und Universitäten des Landes geöffnet. Das Leben kehrte in die Straßen zurück. Monrovia ist fast so hektisch wie vor der Krise. Ramcy Jarwolo, ein Jugendleiter in einer pfingstlichen Kirche, warnt, dass die Liberianer jetzt so kurz vor dem Ziel nicht nachlässig werden dürfen: "Ich hatte schon die Tage gezählt. Die 42 Tage der Weltgesundheitsorganisation. Wir waren doch schon bei der Hälfte. Und nun das."
Gestern Abend bestätigte die liberianische Regierung einen neuen Ebola-Fall. Eine Frau wurde positiv getestet und in ein Behandlungszentrum gebracht. So müssen die Liberianer weiter ausharren, bis ihr Land endlich als Virus-frei erklärt wird. 42 Tage müssen dafür vergehen, ohne dass es einen neuen Ebola-Fall gegeben hat. Erst dann kann die Weltgesundheitsorganisation ein Land offiziell als Ebola-frei erklären. Der letzte Ebola-Patient wurde vor zwei Wochen am 5. März entlassen.
Virus kann drei Monate im Sperma überleben
Bislang ist noch unklar, wie sich die Frau infiziert hat. Fest steht, dass sie keinen Kontakt mit dem letzten Ebola-Patienten hatte. Schlummert Ebola irgendwo unentdeckt in Liberia?
Spezialisten prüfen in diesen Stunden, ob sich die Frau womöglich beim Geschlechtsverkehr mit einem Ebola-Überlebenden angesteckt haben könnte. Nach medizinischen Kenntnissen kann das Virus, das durch Körperflüssigkeiten übertragen wird, bis zu drei Monaten im Sperma eines Ebola-Überlebenden verbleiben.
Eine andere Möglichkeit ist, dass sie durch eine infizierte Person aus Sierra Leone und Guinea angesteckt wurde. Die liberianische Regierung hatte vor kurzem die Grenzen zu den beiden Nachbarländern wieder geöffnet, um die Wirtschaft anzukurbeln. Viele Liberianer hielten diesen Schritt für zu früh.
Harris Demell, ein junger Tagelöhner, wartet vor einem Geschäft für Generatoren darauf, dass ihn jemand anheuert: "Wenn es nach mir ginge, hätte die Regierung damit noch drei bis vier Monate warten sollen. Die Schulen wieder zu öffnen, war gut. Doch die Grenzen, das ist etwas anderes. Leute reisen ein und aus. Das war zu früh. Es braucht Zeit, bis so ein Virus wie Ebola verschwindet.
Kritik am Krisenmanagement der Regierung
Mitte der Woche versicherte Liberias stellvertretender Gesundheitsminister, Tolbert Nyenswah, der auch den nationalen Ebola-Einsatz koordiniert, dass man die Grenzen so gut wie möglich überwache: "Wir beobachten genau, wer unsere Grenzen übertritt. Das ist Teil unserer neu-ausgerichteten Strategie. Wir führen Kontrollen an Grenzpunkten durch, die viele Leute passieren."
Zusätzlich sensibilisiere man die umliegenden Gemeinden, Verdächtige, die Symptome der Ebola-Krankheit aufzeigen, sofort den Behörden zu melden.
Viele Liberianer bezweifeln jedoch die Effektivität dieser Maßnahmen und werfen der Regierung insgesamt fehlerhaftes Krisenmanagement vor, wodurch sich Ebola überhaupt erst so weit ausbreiten konnte.
Viele Liberianer bezweifeln jedoch die Effektivität dieser Maßnahmen und werfen der Regierung insgesamt fehlerhaftes Krisenmanagement vor, wodurch sich Ebola überhaupt erst so weit ausbreiten konnte.
Rund 10.000 Menschen sind bislang an Ebola in Westafrika gestorben, allein 4.000 in Liberia. Trotz des neuen Ebola-Falls hat Liberia nach wie vor die besten Chancen, bald Ebola-frei genannt zu werden. Doch erst, wenn alle Länder der Region als Ebola-frei gelten, kann auch Liberia aufatmen. Im benachbarten Guinea wurden erst kürzlich 90 neue Fälle festgestellt, in Sierra Leone 55 Fälle.