Archiv

Libyen-Konferenz in Berlin
"Wenn alle kommen, ist das ein hoffnungsvolles Startzeichen"

Zwei Regierungen, viele Akteure im Hintergrund, die Flüchtlingsfrage und der Kampf ums Öl: In Libyen herrsche eine komplexe politische und militärische Lage, sagte Libyen-Experte Andreas Dittmann im Dlf. Wenn nun alle an einem Tisch säßen, sei das schon eine wesentliche Voraussetzung für eine Befriedung des Landes.

Andreas Dittmann im Gespräch mit Benedikt Schulz |
Wachposten der Bundeswehr stehen vor den Flaggen der Teilnehmerstaaten der Libyenkonferenz vor dem Bundeskanzleramt
Um die Situation in Libyen zu verstehen, müsse man "entwirren, wer an anderen internationalen Aktiven dahintersteckt", sagte der Libyen-Experte Andreas Dittmann im Dlf (picture alliance /Kay Nietfeld / dpa)
Im Konflikt in Libyen gebe es viele internationale Akteure, sagte der Libyen-Experte Andreas Dittmann vom Geographischen Institut der Universität Gießen im Deutschlandfunk. Unterstützer von General Haftar seien verschiedene arabische Staaten, in erster Linie Ägypten, auf das Haftar als Rückzugsgebiet angewiesen sei. Viel Geld komme auch aus Saudi-Arabien, und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen mit Flugzeugen und Piloten. Durch eine zufällige Interessensgleichheit kämpften auch russische Milizen auf der Haftar-Seite und der neueste im Bunde seien Söldner aus Sudan, die schon vor sechs Jahren unendliche Greuel an der Zivilbevölkerung verübt hätten.
Auf der anderen Seite stehe Präsident Sarradsch, der noch ein kleines Gebiet an der Küste um Tripolis herum kontrolliere, als derjenige, der die international anerkannte Regierung führe, der von EU und UN anerkannt sei.
Die Rolle der EU
Die EU stecke in einer "dreifachen Misere", sagte der Libyen-Kenner: Sie spreche erstens nicht mit einer Stimme. Zudem habe sie frühzeitig auf Sarradsch gesetzt, als er militärisch noch stärker war - und habe nun einen schwachen Partner. Das eigentlich Dramatische aber sei, dass europäische Staaten auf libyschem Territorium einen wirtschaftlichen Kampf gegeneinander führten. So wolle Frankreich mehr Zugriff auf Erdöllieferungen haben und Italien seinen bisherigen Anteil verteidigen.
Sarradsch als Partner für einen Flüchtlingsdeal
Für den Westen sind nach Ansicht von Andreas Dittmann die Akteure um Sarradsch die wichtigen Partner: nicht in Bezug auf Zugriff aufs Öl, sondern weil sie die einzigen wären, mit denen man einen Flüchtlingsdeal einfädeln könne - und die Lösung der Flüchtlingsfrage sei für Europa wichtiger als der Zugriff aufs Erdöl. Von den kleinen Küstengebieten zwischen der Hauptstadt Tripolis und der tunesischen Grenze starteten die Flüchtlingsboote Richtung Europa. Und derjenige, der dort das Sagen habe, sei der Wunsch-Verhandlungspartner für Europa, also die Regierung um Sarradsch. "Deshalb die internationale Anerkennung, weil man hofft, dass ein Flüchtlingsdeal und dann die Befriedung des Landes und dann die Wahlen die Folge sein könnten", so Dittmann.
Alle Akteure zusammenbringen
Nach Einschätzung des Libyen-Experten ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Konferenz, dass alle Akteure eingeladen sind und auch wirklich alle kommen. "Man hat ja den direkten Vergleich mit den verschiedenen gescheiterten Syrien-Konferenzen, da wurden bestimmte Akteure nicht mit eingeladen, insbesondere die iranischen Akteure. Deswegen konnten die syrischen Konferenzen nie was werden." Diesen Fehler habe man jetzt nicht gemacht, sondern nun seien Staatsoberhäupter von elf involvierten nicht-libyschen Staaten eingeladen plus Vertreter von der EU und von der Organisation für Afrikanische Einheit. "Wenn die wirklich alle kommen, dann ist das ein hoffnungsvolles Startzeichen."