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Libyen
Staatszerfall an vielen Fronten

Sieben brennende riesige Öltanks lieferten vergangene Woche apokalyptische Bilder aus Libyen. Vier Jahre nach Beginn der Revolution gegen Diktator Gaddafi zerfällt der Staat mehr und mehr. Mit der Turkish Airlines hat die letzte ausländische Fluggesellschaft am Dienstag ihre Verbindungen in das Land eingestellt

Von Karin Senz |
    Blick von oben auf die libysche Küstenstadt Derna, dahinter das Mittelmeer.
    In der libyschen Küstenstadt Derna waren bereits islamistische Gruppen aktiv, bevor sich im Oktober 2014 der Islamische Staat dort festsetzte. (AFP/ Alessio Romenzi)
    Aus dem Freudenfeuer nach dem Sturz Gaddafis 2011 sind tödliche Schüsse geworden. Aus dem Traum vom freien, demokratischen Libyen ein Albtraum aus Gewalt, Chaos und Anarchie. Zwei Übergangsregierungen beanspruchen die Macht. Die eine sitzt in der Hauptstadt Tripolis, wird islamisch genannt, die andere ist nach Tobruk ausgewichen ganz im Osten an die ägyptische Grenze. Sie wurde im Juni gewählt und ist vom Westen anerkannt. Dieser Libyer hat wenig Hoffnung, dass eine von beiden es besser macht als die, die nach der Revolution kam:
    "In den vergangenen Jahren haben Nationalkongress und Übergangsregierung nicht sonderlich viel auf die Reihe bekommen. Schon bei der ersten Wahl vor zwei Jahren drängten politische und religiöse Parteien sowie Stammesvertreter an die Macht, wollten nur regieren, sonst nichts. Wir haben denen 18 Monate Zeit gegeben, nichts haben sie umgesetzt. Und dann verlängern sie einfach so ihr Mandat im Nationalkongress, unfassbar."
    Im Gegenteil, das Land rutscht immer weiter ab. Nach Ansicht des Libyen-Experten Andreas Dittmann existiert es als Staat kaum mehr. Staatsaufgaben, wie Bildung und Gesundheit würden stark vernachlässigt. Die Polizei könne sich im südlichen Teil nicht mehr behaupten. Das Militär reibe sich im Kampf gegen Milizen und Islamisten auf.
    Gefahr für die Nachbarländer
    Und das alles in einem Umfeld von fast undurchschaubaren Allianzen. Es gibt Salafisten, die gegen die Islamisten in Tripolis kämpfen. Milizen, deren gemeinsamer Feind einst noch Gaddafi war, stehen sich heute gegenüber. Dazu kommen Dschihadisten-Gruppen und schließlich die Terrororganisation IS. Anfang Oktober hisste sie im östlichen Küstenort Derna ihre schwarze Flagge. Die USA gehen davon aus, dass der IS im Land mehrere Ausbildungslager betreibt. Der libysche Außenminister Mohamed al-Dairi:
    "Zuerst mal machen wir Libyer uns Sorgen um uns selbst, aber auch um die arabischen Länder um uns herum und um andere Länder – wenn Terrororganisationen an die Ölquellen und damit auch an die Einnahmen daraus kommen."
    Das muss auf jeden Fall verhindert werden, so al-Dairi schon Ende Dezember bei einem Treffen in Kairo. Zuvor waren in einem der größten Öllager Libyens Tanks in Flammen aufgegangen. Islamisten, hieß es später, hätten sie bombardiert. Am vergangenen Sonntag beschießt die libysche Luftwaffe einen griechischen Tanker im Hafen von Derna. Sie hatte vermutet, dass er Kämpfer für den IS in die Stadt bringt. Tatsächlich war aber wohl Treibstoff an Bord. Am Tag drauf ist der libysche Parlamentspräsident Akleea Saleh Issa bei einer Dinglichkeitssitzung der Arabischen Liga in Kairo.
    "Heute bitte ich die Arabische Liga ganz offiziell einzugreifen, um wichtige Einrichtungen in Libyen zu schützen. Man muss diese Terrororganisationen davon abhalten in Libyen Gewalt zu verbreiten."
    Passagier-Fluglinien eingestellt
    Als letzte Fluggesellschaft stellte Turkish Airlines seine Passagier-Flugline nach Libyen ein. Die Gewalt richtet sich auch gegen Ausländer. Nach jüngsten Meldungen sollen Dschihadisten zwei tunesische Journalisten in Libyen hingerichtet haben.
    "Nicht zu vergessen der ermordete ägyptische Arzt und die dreizehn entführten Ägypter. Das zeigt, wohin es mit Libyen gehen wird, welche Gefahren noch auf uns zukommen, aber auch auf unsre Nachbarn, wenn man nichts dagegen tut." Warnt der Vertreter Libyens in der Arabischen Liga Ashour Bou Rashed. Mali ist eines der Nachbarländer, das internationales Eingreifen fordert.
    Frankreich erklärte zwar, sein Militär stehe an den Grenzen im Süden von Libyen bereit, wenn Extremisten versuchen das Land zu verlassen. In Libyen selbst werde man aber nicht eingreifen. Die Internationale Gemeinschaft müsse hier Verantwortung übernehmen. Im September hatte es erste Gespräche zwischen den Konfliktparteien gegeben, die die Vereinten Nationen vermittelt hatten. Die zweite Runde platzte am Montag aber. Und einen neuen Termin gibt es noch nicht.