Tübingen, Universitätsaugenklinik, Operationssaal 1, ...
" ... der Chirurg sitzt vor einem Mikroskop, ..."
... Professor Eberhart Zrenner, Direktor des Forschungsinstituts für Augenheilkunde, ...
"... unter dem Mikroskop ist sozusagen die OP-Liege, auf der der Patient liegt, und man kann dann so in einem Abstand von 25 cm durch das Mikroskop sehr genau auf und in das Auge hinein schauen, ..."
... der Patient liegt verdeckt unter grünen Tüchern, nur Teile seines Kopfes sind zu sehen. Das Ärzteteam wird ihm ein Retina-Implantat ins Auge einsetzen, einen winzigen Chip, mit dem der jetzt noch Blinde wieder sehen kann.
"Ein Implantat besteht ja aus mehreren Teilen, die aber alle zusammen auf einem Kabel, auf einem Bändchen sitzen. Vorne sitzt der Chip an einem Ende, am anderen Ende sitzt die Stromversorgung, man muss also dieses ganze Bauteil in den Körper einbringen, ..."
Retinitis pigmentosa – darunter leidet der Patient seit fast 20 Jahren. Sein Sehfeld hat sich immer mehr eingeengt. Wenn Gesunde mit den Augen registrieren, was rechts und links, oben und unten geschieht, so hatte er zum Schluss nur noch einen Tunnelblick. Und auch der verschwand irgendwann und totale Dunkelheit machte sich breit. Bei der Retinitis pigmentosa degenerieren nach und nach die Fotozellen der Netzhaut. Allerdings haben Forscher festgestellt, dass nicht alle Nervenzellen absterben. Würden die verbliebenen Zellen statt mit Lichtimpulsen durch einen Chip elektrisch gereizt, ließe sich theoretisch ein Seheindruck herstellen.
"Das Licht fällt auf eine Fotodiode, also im Grunde eine Solarzelle, ..."
... Dr. Walter Wrobel, Vorstandsvorsitzender der Retina Implant AG, Reutlingen, ...
" ... das Licht wird in eine elektrische Anregung umgewandelt, es wird dann elektrisch verstärkt, das ist deshalb notwendig, weil das menschliche Auge immer noch deutlich empfindlicher ist als jeder Kamerachip, und es wird dann angepasst an die Helligkeit und an den Kontrast, und je nach Helligkeit, die auf dieses lichtempfindliche Element fällt, wird die nebenliegende Elektrode mit entsprechend viel Strom betrieben, und entsprechend stark werden auch die Zellen in der Retina gereizt."
Der Chip kann unter die Nervenzellschicht der Netzhaut implantiert werden, wo er das Licht direkt empfängt und in elektrische Signale umwandelt – dieses Verfahren wird in Tübingen angewandt; er kann aber auch auf der obersten Nervenzellschicht befestigt werden, dann sind allerdings zusätzlich Kamerasysteme erforderlich. Egal, welches Verfahren genutzt wird, es ist höchst komplex, immerhin muss ein Chip mehrere Hunderttausend Zapfen ersetzen. Und zwar mit vergleichsweise wenigen eigenen Elektroden. Wird der Chip unter die Netzhaut implantiert, sind es rund 1500 Elektroden, die zwar jeweils 50 bis 100 Zapfen reizen, aber trotzdem höchstens nur fünf Prozent der Sehleistung wieder herstellen. Reicht das, um zu sehen?
"Im Moment sind so wir bei der Fingererkennung. Ein Patient kann durchaus die Zahl der gehobenen Finger sehen, er kann ein Messer finden, eine Gabel, er kann das auch unterscheiden, eine Tasse und einen Teller auf den Tisch sehen, das sind natürlich für Patienten, die schon voll blind waren, die sind total begeistert, wenn sie nicht wieder so rumtasten müssen und die Gläser umwerfen und in den Spinat mit dem Finger hinein langen, ..."
... wobei der Patient den Spinat – das sei einschränkend hinzugefügt – den Spinat nicht grün sieht, ...
"Farbe sehen Sie nicht, und ich würde fast sagen Gott sei Dank, denn die Ordnung, um Farbe zu sehen, das war ja auch beim Übergang vom Schwarz-Weiß- zum Farbfernsehen – braucht ja drei ineinander geschachtelte Netzhäute, und jetzt die Farbrezeptoren einzeln anzusteuern, ist einfach nicht möglich. Im Gegenteil: Andere Gruppen haben das Problem, dass die Patienten Farbe sehen, wo gar keine ist. Und dann ist es natürlich sehr verwirrend, eine blaue Banane oder einen gemischt-gestreiften Apfel zu haben, und deshalb sind wir eigentlich ganz froh, dass wir klare Konturen und einfaches Schwarz-Weiß-Sehen haben."
Und noch eine weitere Besonderheit gibt es: Die Patienten sehen teilweise flimmernde Bilder. Grund: Der Chip schickt die Bildinformationen fünf bis zehn Mal pro Sekunde ans Hirn.
"Ein Patient hat uns beschrieben, als er das erste Mal Buchstaben gesehen hat, das sah aus wie Buchstaben auf dem Boden eines Swimmingpools, also so flackernd, am nächsten Tag hat er sie dann klar und ruhig gesehen, genauso, wie er es in der Schule gelernt hat."
Verglichen mit den Anfängen der Retina-Implantate, sind die Ergebnisse heute zwar nicht perfekt, aber doch erstaunlich gut. Und in Zukunft – sagt Walter Worbel – werden die Bilder noch heller und kontrastreicher sein. Vorausgesetzt, einige technische Probleme lassen sich lösen. Eines besteht darin, dass Retina-Implantate im Auge ein ziemlich aggressives Medium vorfinden.
"Wir müssen sicherlich in puncto Langlebigkeit weiterhin Verbesserungen durchführen, und das ist eine große Herausforderung, da müssen viele materialwissenschaftliche Untersuchungen gemacht werden, das braucht auch Zeit, man muss Dauerversuche durchführen. Es ist auch ein Spezifikum bei aktiven Implantaten und das ist auch ein Problem, das wir haben, wenn wir Lieferanten suchen. Natürlich macht uns jeder gerne eine Schaltung oder einen Chip, aber wenn wir dann sagen, das Ganze muss zehn Jahre in Salzwasser funktionieren, dann winkt dann jeder ab. Das hat dann zur Konsequenz, dass wir diese speziellen Untersuchungen selber machen müssen oder wir arbeiten mit speziellen Forschungsinstituten zusammen."
Mittlerweile hat der Operateur das Kabel mit dem Chip durch einen kleinen Schnitt hinterm Ohr bis zum knöchernen Rand der Augenhöhle geschoben. Anschließend wurde hinterm Ohr eine Vertiefung von der Größe einer Zwei-Euro-Münze in den Knochen gefräst – der endgültige Platz für die Stromversorgung. Jetzt beginnt die entscheidende Phase der OP: Vorsichtig dreht der Operateur das Auge soweit nach innen, dass das Weiße, die sogenannte Lederhaut, nach oben schaut. In die Lederhaut schneidet er nun vorsichtig ein etwa 3 x 3 mm winziges Fensterchen und schiebt jetzt mit einer kleinen Pinzette den Chip hinter die Netzhaut, und zwar genau an die Stelle des schärfsten Sehens, ...
" ... also wir schätzen, dass wir in einem Jahr soweit sind, dass wir eine Zulassung bekommen, das heißt aber, dass am Anfang sich recht wenige Patienten bereit erklären, sich operieren zu lassen, jeder wartet auf den anderen. Wir werden auch weiterhin daran arbeiten, das System zu verbessern, bequemer zu machen, die OP-Technik zu verbessern, die Konstruktion zu verbessern, und ich schätze, dass in etwa fünf bis zehn Jahren der Umschwung erfolgt, dass also dann Retina-Implantate für bestimmte Patientengruppen die Regelversorgung werden, ..."
... ein paar Tage noch, dann macht der Patient erste Schritte aus der Nacht ins Licht. Kein gleißendes Licht, aber er sieht seine Finger, er kann mit einer Lupe lesen, und wenn er genau hinschaut, erkennt er Gesichter. Dies, sagt Professor Eberhart Zrenner, sei aber erst der Anfang.
"Der Schneider von Ulm ist noch in die Donau gefallen, jeder hat gesagt, fliegen geht nicht; die Gebrüder Wright haben dann 1907 gezeigt, es geht, sind aber eigentlich auch nur 200 Meter weit geflogen! Aber das war eigentlich der Durchbruch, sie haben gezeigt, man kann fliegen. Und wir haben gezeigt, man kann mit elektrischen Implantaten tatsächlich brauchbares Alltagssehen wieder herstellen!"
" ... der Chirurg sitzt vor einem Mikroskop, ..."
... Professor Eberhart Zrenner, Direktor des Forschungsinstituts für Augenheilkunde, ...
"... unter dem Mikroskop ist sozusagen die OP-Liege, auf der der Patient liegt, und man kann dann so in einem Abstand von 25 cm durch das Mikroskop sehr genau auf und in das Auge hinein schauen, ..."
... der Patient liegt verdeckt unter grünen Tüchern, nur Teile seines Kopfes sind zu sehen. Das Ärzteteam wird ihm ein Retina-Implantat ins Auge einsetzen, einen winzigen Chip, mit dem der jetzt noch Blinde wieder sehen kann.
"Ein Implantat besteht ja aus mehreren Teilen, die aber alle zusammen auf einem Kabel, auf einem Bändchen sitzen. Vorne sitzt der Chip an einem Ende, am anderen Ende sitzt die Stromversorgung, man muss also dieses ganze Bauteil in den Körper einbringen, ..."
Retinitis pigmentosa – darunter leidet der Patient seit fast 20 Jahren. Sein Sehfeld hat sich immer mehr eingeengt. Wenn Gesunde mit den Augen registrieren, was rechts und links, oben und unten geschieht, so hatte er zum Schluss nur noch einen Tunnelblick. Und auch der verschwand irgendwann und totale Dunkelheit machte sich breit. Bei der Retinitis pigmentosa degenerieren nach und nach die Fotozellen der Netzhaut. Allerdings haben Forscher festgestellt, dass nicht alle Nervenzellen absterben. Würden die verbliebenen Zellen statt mit Lichtimpulsen durch einen Chip elektrisch gereizt, ließe sich theoretisch ein Seheindruck herstellen.
"Das Licht fällt auf eine Fotodiode, also im Grunde eine Solarzelle, ..."
... Dr. Walter Wrobel, Vorstandsvorsitzender der Retina Implant AG, Reutlingen, ...
" ... das Licht wird in eine elektrische Anregung umgewandelt, es wird dann elektrisch verstärkt, das ist deshalb notwendig, weil das menschliche Auge immer noch deutlich empfindlicher ist als jeder Kamerachip, und es wird dann angepasst an die Helligkeit und an den Kontrast, und je nach Helligkeit, die auf dieses lichtempfindliche Element fällt, wird die nebenliegende Elektrode mit entsprechend viel Strom betrieben, und entsprechend stark werden auch die Zellen in der Retina gereizt."
Der Chip kann unter die Nervenzellschicht der Netzhaut implantiert werden, wo er das Licht direkt empfängt und in elektrische Signale umwandelt – dieses Verfahren wird in Tübingen angewandt; er kann aber auch auf der obersten Nervenzellschicht befestigt werden, dann sind allerdings zusätzlich Kamerasysteme erforderlich. Egal, welches Verfahren genutzt wird, es ist höchst komplex, immerhin muss ein Chip mehrere Hunderttausend Zapfen ersetzen. Und zwar mit vergleichsweise wenigen eigenen Elektroden. Wird der Chip unter die Netzhaut implantiert, sind es rund 1500 Elektroden, die zwar jeweils 50 bis 100 Zapfen reizen, aber trotzdem höchstens nur fünf Prozent der Sehleistung wieder herstellen. Reicht das, um zu sehen?
"Im Moment sind so wir bei der Fingererkennung. Ein Patient kann durchaus die Zahl der gehobenen Finger sehen, er kann ein Messer finden, eine Gabel, er kann das auch unterscheiden, eine Tasse und einen Teller auf den Tisch sehen, das sind natürlich für Patienten, die schon voll blind waren, die sind total begeistert, wenn sie nicht wieder so rumtasten müssen und die Gläser umwerfen und in den Spinat mit dem Finger hinein langen, ..."
... wobei der Patient den Spinat – das sei einschränkend hinzugefügt – den Spinat nicht grün sieht, ...
"Farbe sehen Sie nicht, und ich würde fast sagen Gott sei Dank, denn die Ordnung, um Farbe zu sehen, das war ja auch beim Übergang vom Schwarz-Weiß- zum Farbfernsehen – braucht ja drei ineinander geschachtelte Netzhäute, und jetzt die Farbrezeptoren einzeln anzusteuern, ist einfach nicht möglich. Im Gegenteil: Andere Gruppen haben das Problem, dass die Patienten Farbe sehen, wo gar keine ist. Und dann ist es natürlich sehr verwirrend, eine blaue Banane oder einen gemischt-gestreiften Apfel zu haben, und deshalb sind wir eigentlich ganz froh, dass wir klare Konturen und einfaches Schwarz-Weiß-Sehen haben."
Und noch eine weitere Besonderheit gibt es: Die Patienten sehen teilweise flimmernde Bilder. Grund: Der Chip schickt die Bildinformationen fünf bis zehn Mal pro Sekunde ans Hirn.
"Ein Patient hat uns beschrieben, als er das erste Mal Buchstaben gesehen hat, das sah aus wie Buchstaben auf dem Boden eines Swimmingpools, also so flackernd, am nächsten Tag hat er sie dann klar und ruhig gesehen, genauso, wie er es in der Schule gelernt hat."
Verglichen mit den Anfängen der Retina-Implantate, sind die Ergebnisse heute zwar nicht perfekt, aber doch erstaunlich gut. Und in Zukunft – sagt Walter Worbel – werden die Bilder noch heller und kontrastreicher sein. Vorausgesetzt, einige technische Probleme lassen sich lösen. Eines besteht darin, dass Retina-Implantate im Auge ein ziemlich aggressives Medium vorfinden.
"Wir müssen sicherlich in puncto Langlebigkeit weiterhin Verbesserungen durchführen, und das ist eine große Herausforderung, da müssen viele materialwissenschaftliche Untersuchungen gemacht werden, das braucht auch Zeit, man muss Dauerversuche durchführen. Es ist auch ein Spezifikum bei aktiven Implantaten und das ist auch ein Problem, das wir haben, wenn wir Lieferanten suchen. Natürlich macht uns jeder gerne eine Schaltung oder einen Chip, aber wenn wir dann sagen, das Ganze muss zehn Jahre in Salzwasser funktionieren, dann winkt dann jeder ab. Das hat dann zur Konsequenz, dass wir diese speziellen Untersuchungen selber machen müssen oder wir arbeiten mit speziellen Forschungsinstituten zusammen."
Mittlerweile hat der Operateur das Kabel mit dem Chip durch einen kleinen Schnitt hinterm Ohr bis zum knöchernen Rand der Augenhöhle geschoben. Anschließend wurde hinterm Ohr eine Vertiefung von der Größe einer Zwei-Euro-Münze in den Knochen gefräst – der endgültige Platz für die Stromversorgung. Jetzt beginnt die entscheidende Phase der OP: Vorsichtig dreht der Operateur das Auge soweit nach innen, dass das Weiße, die sogenannte Lederhaut, nach oben schaut. In die Lederhaut schneidet er nun vorsichtig ein etwa 3 x 3 mm winziges Fensterchen und schiebt jetzt mit einer kleinen Pinzette den Chip hinter die Netzhaut, und zwar genau an die Stelle des schärfsten Sehens, ...
" ... also wir schätzen, dass wir in einem Jahr soweit sind, dass wir eine Zulassung bekommen, das heißt aber, dass am Anfang sich recht wenige Patienten bereit erklären, sich operieren zu lassen, jeder wartet auf den anderen. Wir werden auch weiterhin daran arbeiten, das System zu verbessern, bequemer zu machen, die OP-Technik zu verbessern, die Konstruktion zu verbessern, und ich schätze, dass in etwa fünf bis zehn Jahren der Umschwung erfolgt, dass also dann Retina-Implantate für bestimmte Patientengruppen die Regelversorgung werden, ..."
... ein paar Tage noch, dann macht der Patient erste Schritte aus der Nacht ins Licht. Kein gleißendes Licht, aber er sieht seine Finger, er kann mit einer Lupe lesen, und wenn er genau hinschaut, erkennt er Gesichter. Dies, sagt Professor Eberhart Zrenner, sei aber erst der Anfang.
"Der Schneider von Ulm ist noch in die Donau gefallen, jeder hat gesagt, fliegen geht nicht; die Gebrüder Wright haben dann 1907 gezeigt, es geht, sind aber eigentlich auch nur 200 Meter weit geflogen! Aber das war eigentlich der Durchbruch, sie haben gezeigt, man kann fliegen. Und wir haben gezeigt, man kann mit elektrischen Implantaten tatsächlich brauchbares Alltagssehen wieder herstellen!"