"Optogenetik bedeutet: Wir benutzen Licht und Optik, um einzelne, ganz bestimmte Zellen zu kontrollieren. Mit Optogenetik lassen sich Zellen in einem lebenden Gewebe und sogar in einem lebenden Tier gezielt an- oder ausschalten. Wir kontrollieren zum Beispiel Nervenzellen, genau so, wie ein Dirigent die einzelnen Instrumente in einem Orchester kontrolliert."
Ein Gen aus Algen verleiht den Tierzellen einen Lichtsensor. Sobald ein Lichtstrahl darauf trifft, aktiviert er die Zelle. Mit Glasfaserkabeln bringt Karl Deisseroth das Licht auch in die Gehirne seiner Versuchstiere. So konnte er Mäuse im Kreis laufen lassen, ängstlichen Mäusen die Angst nehmen oder das Verlangen nach Drogen bei Mäusen ausschalten.
Die Erfolge sind so beeindruckend, dass auch Mediziner über die Nutzung der Optogenetik nachdenken. So könnten bei Parkinson-Patienten bestimmte Nervenzellen, die ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen, durch Optogenetik und Licht wieder aktiviert werden.
Dazu Henrik Walter, Professor für Psychiatrie, Neurowissenschaft und Neurophilosophie an der Berliner Charité.
"Es hat sich ja inzwischen in Teilen der Neurologie und auch in Teilen der Psychiatrie die tiefe Hirnstimulation als neue Methode etabliert, wobei man elektrisch stimuliert. Und da liegt natürlich der Gedanke nahe, dass man das präziser machen könnte mit der Optogenetik. Ob das nicht die bessere Methode wäre. Dieser naheliegende Gedanke ist aber noch etwas, was weit in der Zukunft liegt."
Was bei Mäusen fast schon Routine ist, kommt beim Menschen aus ethischen und medizinischen Gründen zurzeit nicht infrage. Immerhin müssen fremde Gene in das zentrale Nervensystem eines Menschen eingeschleust werden. Erfahrungen fehlen in diesem Bereich. Viele Nebenwirkungen sind möglich. Insbesondere dann, wenn das Licht die falschen Zellen einschaltet.
"Und es ist auch nicht so, wie man das manchmal in Publikationen liest, dass man einfach Verhalten an- und ausschalten kann beim Menschen, weil das menschliche Gehirn doch etwas komplizierter ist als das Mausgehirn."
Um überhaupt abschätzen zu können, welche Gefahren bei der medizinischen Anwendung lauern, haben einige Forscherteams nun begonnen, die Optogenetik bei Rhesusaffen zu erproben.
Erste wissenschaftliche Publikationen beschreiben zum Beispiel, dass sich die Augenbewegungen von Rhesus-Affen mit einem Lichtschalter im Gehirn verändern lassen. Der Star der Optogenetik Karl Deisseroth sieht die Entwicklung sehr optimistisch.
"Das optogenetische Werkzeug geht an Tausende Labors überall auf der Welt, und einige davon forschen mit Primaten. Es ist nicht so leicht, aber einige berichten bereits von Verhaltensänderungen. Da herrscht eine Menge Begeisterung."
Einfacher als in einem kompliziert verschalteten Gehirn ist die Anwendung der Optogenetik im Auge. Nach erfolgreichen Versuchen mit Affen steht die Behandlung einer Augenkrankheit namens Retinitis Pigmentosa kurz bevor. In Paris haben die Vorbereitungen für eine klinische Studie bereits begonnen.