Lichtverschmutzung
Wenn die Nacht keine Nacht mehr ist

Beleuchtungen, Werbetafeln und Straßenlaternen vertreiben die Dunkelheit in weiten Teilen der Welt. Zu viel Licht bringt Tiere und Pflanzen aber aus dem Gleichgewicht und schadet auch dem Menschen. Die "Earth Night" wirbt für mehr Dunkelheit.

    Die Milchstraße über dem Almsee in Oberösterreich
    Für ein Drittel der Menschheit nicht mehr sichtbar: die Milchstraße (IMAGO / imagebroker / Robert Haasmann)
    Elektrisches Licht gehört zweifelsohne zu den wichtigsten Erfindungen der Menschheit. Ein Bewusstsein dafür, dass zu viel Licht jedoch auch negative Folgen haben kann, ist erst vor wenigen Jahren entstanden. Dabei schreitet das Problem der sogenannten Lichtverschmutzung rasant voran. „Sie nimmt jedes Jahr weltweit um rund zehn Prozent zu“, erklärt Christopher Kyba vom GeoForschungsZentrum Potsdam im DLF. Dadurch gerieten die Helligkeit-Dunkelheits-Zyklen durcheinander - mit Folgen für Mensch und Umwelt.
    Mit der Aktion "Earth Night", die immer im September stattfindet, machen Forscher und Artenschützer auf die verschiedenen Aspekte der Lichtverschmutzung aufmerksam.

    Inhaltsverzeichnis

    Wie schadet das Licht dem Menschen?

    Nachts wird es eigentlich überall dunkel - aber nicht mehr so dunkel wie früher. In Europa beispielsweise gibt es so gut wie keinen Ort mehr, an dem natürliche Dunkelheit herrscht. Einerseits können die Menschen die Sterne und damit ihre Umwelt weniger gut sehen und begreifen, außerdem wirkt Licht direkt auf unseren Organismus. "Es zeigt sich, dass eigentlich alle Lebewesen, bis hin zu Bakterien beeinflusst sind“, sagt die Biologin Annette Krop-Benesch.
    Mit Blick auf den Menschen verfolgen viele wissenschaftliche Studien die Light-at-Night(LAN)-Hypothese, die vor allem Schwankungen des schlaffördernden Hormons Melatonin in den Fokus nimmt. Die Melatonin-Ausschüttung des Menschen wird durch fotosensitive Ganglienzellen im Auge beeinflusst und damit auch die Innere Uhr des Menschen geregelt. Ist es nachts zu hell, kann das zu Schlafstörungen führen, die ihrerseits gesundheitsschädlich sind. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Übergewicht oder Konzentrationsschwäche können die Folge sein. Da Melatonin auch krebshemmende Wirkung hat, wird vermutet, dass ein Mangel das Wachstum von Tumoren begünstigen könnte. Dies ist wissenschaftlich aber noch nicht bewiesen.
    Für Sterngucker und Astronomen ist die Lichtverschmutzung längst ein Problem. Nach einer Studie des Italieners Fabio Falchi ist der Großteil aller Teleskope und astronomischen Observatorien weltweit trotz der meist entlegenen Standorte schon von Lichtverschmutzung betroffen. Nur noch sechs der 28 großen Observatorien liegen in einer Region mit richtiger Dunkelheit, auf die sie bei der Forschung angewiesen sind.
    Aber auch der ganz profane Blick auf die Sterne wird schwieriger. Durch die Aufhellung des Nachthimmels könne ein Drittel der Menschheit die Milchstraße nicht mehr sehen, berichtete die Astronomin Constance Walker vom Nationalen Optischen Astronomischen Observatorium in Tucson schon 2018.
    Warum schädigt zu viel Licht Tiere und Pflanzen?
    Insektenschwärme um hell erleuchtete Straßenlaternen kennt jeder. Inzwischen ist klar, dass dies auch eine Rolle beim Insektensterben spielt. „An die hundert Milliarden Tiere verenden pro Jahr, weil sie dauernd um dieses Licht kreisen und an Erschöpfung eingehen, weil sie verbrennen oder sich verfangen und nicht mehr freikommen“, erklärt Artenschützer Thomas Aumer. Außerdem reduziere sich die Nahrungsaufnahme und die Paarungsbereitschaft der Tiere, was den Rückgang der Population beschleunige. Weniger Insekten bedeutet in der Folge auch weniger Kleintiere und Vögel, deren Nahrungsgrundlage sie sind.
    Beleuchtete Hochhäuser in Ballungsräumen werden zudem zur Todesfalle für Zugvögel. „Die knallen buchstäblich gegen die Fassade, weil sie geblendet sind“, erklärt die Biologin Annette Krop-Benesch. Außerdem sorge die nächtliche Beleuchtung von Baudenkmälern wie Kirchen dafür, dass sie als Quartier für nachtaktive Fledermäuse wegfielen.  
    Auch Bäume, die ständig Beleuchtung ausgesetzt sind, verändern ihre Lebenszyklen. Sie behalten ihr Laub länger, was im Falle von strengem Frost zu Schäden führen kann.

    Welches Licht ist schädlich?

    Hier spielt wieder der Melatonin-Zyklus eine Rolle, der durch die fotosensitiven Ganglienzellen im Auge gesteuert wird. Diese Zellen finden sich jedoch nicht nur beim Menschen, sondern bei allen Säugetieren. Sie reagieren besonders stark auf die blauen Lichtanteile, die beispielsweise von Handydisplays abgestrahlt werden, sich aber ebenso in moderner LED-Straßenbeleuchtung wiederfinden. Zu viel dieses kurzwelligen Lichts birgt demnach Probleme – egal ob für Mensch oder Tier.
    Die American Medical Association, der größte Medizinerverband in den USA, ruft deshalb Städte und Gemeinden auf, diesen Aspekt bei Planung und Bau im Blick zu haben, um Menschen zu schützen. Das Wohl der Tiere hat in Deutschland 2021 Eingang ins Bundesnaturschutzgesetz gefunden: Dort wird der „Schutz von Tieren und Pflanzen vor nachteiligen Auswirkungen von Beleuchtungen” erwähnt, konkrete Regeln gibt es aber nicht. Generell gelte, so Artenschützer Aumer, je "gelblicher oder ins orangene gehender das Licht, desto weniger werden Tiere dadurch gestört“.
    Die Skyline von Bukarest bei Nacht, in lila Farben getaucht.
    Gefährlich für Zugvögel: hell erleuchtete Hochhausfassaden (Getty Images / iStockphoto / CIPhotos)
    Frankreich hat das Problem schon seit 2013 mit einer entsprechenden Gesetzgebung adressiert. Zwischen ein Uhr nachts und sieben Uhr morgens sollen Büros, Geschäfte und allen öffentlichen Gebäuden dunkel bleiben. Auch Reklametafeln dürfen nicht mehr leuchten, sonst drohen Ordnungsgelder.

    Was haben Satelliten mit der Lichtverschmutzung zu tun?

    „Der Mensch macht nicht nur Licht von unten“, erklärt der Physiker Manuel Philipp, „sondern auch von oben“. Satelliten und Teile von Weltraumschrott, die um die Erde kreisen, verschärfen die stetige Aufhellung der Nächte, indem sie Sonnenlicht in die Atmosphäre reflektieren. „Das macht einen Anteil von etwa 15 Prozent der gesamten Lichtverschmutzung aus“, sagt Philipp, der sich mit der Organisation „Paten der Nacht“ ehrenamtlich gegen Lichtverschmutzung einsetzt.
    Das Problem könnte sich rasant verschärfen. Aktuell kreisen nach einer Statistik von US-Wissenschaftlern rund 6.700 Satelliten in einer Erdumlaufbahn, in zehn Jahren könnten es fast zehn Mal so viele sein. Allein SpaceX, das Unternehmen von Elon Musk, plant, bis zu 42.000 Satelliten für sein Starlink-Kommunikationsnetz ins All zu schicken.

    Was soll die "Earth Night" bringen?

    Zunächst einmal mehr Dunkelheit – zumindest für eine Nacht. Privatpersonen, Kommunen und Firmen, die bei der Umweltschutz-Aktion mitmachen, sind dazu aufgerufen, ab Einbruch der Dunkelheit für eine ganze Nacht Außenbeleuchtungen zu reduzieren oder abzuschalten. „Wir wollen erreichen, dass man dadurch bewusster mit Licht umgeht, sich überlegt, was man weglassen kann und es da, wo man es braucht, gezielter eingesetzt wird“, erklärt Mit-Initiator Manuel Phillip. Die Earth Night findet immer an jenem Freitag im September statt, der jeweils am nächsten zur Neumondnacht des Monats liegt. 2023 findet sie zum vierten Mal statt.
    Deutschlandradio, jek