Arndt Reuning: Entdeckt wurden die Maya-Ruinenstadt in Guatemala mit einem Laser-Verfahren. Das nennt sich LIDAR. Das steht für "light detection and ranging", es geht also um eine Entfernungsmessung mit Hilfe von Licht. Ein Fachmann für diese Methode in der Archäologie ist Dr. Axel G. Posluschny. Er leitet das Forschungszentrum des Museums "Keltenwelt am Glauberg" im hessischen Wetteraukreis. Ich habe vor der Sendung mit ihm telefoniert und mich nach der Bedeutung der LIDAR-Technologie für die Archäologie erkundigt.
Axel G. Posluschny: Ja, LIDAR-Scans sind für uns Archäologen seit dem ersten Einsatz in der Archäologie, also vor plus-minus zehn, 15 Jahren, das neue Forschungsmittel, mit dem wir zerstörungsfrei – das ist ja für uns immer ganz wichtig – zu Informationen über Fundstellen kommen können. Das besonders Herausragende beim Thema LIDAR ist, dass wir Fundstellen in bewaldeten Regionen entdecken können.
Unser bisheriges Mittel zur Erfassung von Funden oder Fundstellen in ganzen Landschaften war überwiegend die Luftbildarchäologie, also das Fotografieren von Landschaftsbereichen aus der Luft, von Flugzeugen aus, das aber uns nicht ermöglicht hat, in den Wald hineinzuschauen, und LIDAR ist ein Verfahren, mit dem auch das jetzt möglich ist, und da kommen seit Beginn der Einsätze mit LIDAR-Verfahren für uns wirklich tatsächlich tagtäglich neue Fundstellen wieder zum Vorschein.
Beim Überfliegen und Scannen entsteht ein Geländemodell
Reuning: Es handelt sich ja um ein Laserverfahren. Wie funktioniert das denn ganz genau vom Prinzip her?
Posluschny: Das Prinzip ist sehr einfach: Es wird ein Laserstrahl abgeschossen von einem Messgerät, das ist ein unsichtbarer Laserstrahl, der wird reflektiert von allem, auf was er trifft. Das kann also die Erdoberfläche sein, das kann ein Gebäude sein, das können Bäume sein, und diese Flächen beziehungsweise diese Messungen werden wieder aufgefangen von einem Messgerät im Flugzeug, und aus der Laufzeit dieses Lasers lässt sich die Entfernung berechnen, und aus dieser Entfernung kann zusammen mit der Positionsbestimmung des Flugzeugs, aus dem der Laserstrahl abgeschossen worden ist, auch die Erdoberfläche genau modelliert werden.
Also man kann daraus ein digitales Geländemodell erstellen, das sämtliche Höhen und Tiefen innerhalb des Geländes wiedergibt, was aber auch sämtliche Bäume mit wiedergibt, die gemessen worden sind, sämtliche Gebäude und ähnliche Strukturen. Das heißt, das ist ein Verfahren, was natürlich nicht für die Archäologie entwickelt worden ist, das ist ein Landschaftsvermessungsverfahren sozusagen. Wir als Archäologen, die immer chronisch etwas unterfinanziert sind, profitieren quasi von dem Verfahren und können die entstandenen Daten auch mitnutzen.
Man muss die Landschaft streifenweise abfliegen
Reuning: Wie aufwendig ist das denn, solch eine Aufnahme zu erstellen?
Posluschny: Aufwendig – das ist immer die Frage, wie man aufwendig definiert. Im Prinzip ist das – in Anführungszeichen – "nur" ein Flugzeug oder ein Hubschrauber, der die Landschaft abfliegt mit dem entsprechenden Messgerät, das geschieht streifenweise, um wirklich ganze Landschaftsbereiche abdecken zu können, und diese Daten werden dann hinterher noch prozessiert. Da muss man dann schon entsprechende Software auch haben, und normalerweise in den meisten Fällen bekommen Archäologen dann hinterher die fertig prozessierten Daten und können mit denen dann arbeiten, die auf verschiedene Arten und Weisen visualisieren und darauf dann Fundstellen erkennen.
Reuning: Sie hatten gesagt, dieser Laserstrahl wird reflektiert, auch in den Blättern der Bäume, aber gleichzeitig kann man auch unter das Blätterdach schauen mit diesem Verfahren. Wie funktioniert das?
Posluschny: Das Gute ist an diesem Verfahren, dass diese Messgeräte eine sehr hohe Anzahl von Laserstrahlen abschießen können. Das bedeutet, dass also wirklich eine sehr hohe Messpunktdichte entsteht, und es gibt immer genügend Strahlen, die in einem Wald zwischen den Blättern, zwischen den Bäumen bis auf den Boden herunterkommen, und durch computertechnische Filterverfahren lässt sich bestimmen, welcher Punkt möglicherweise einen Baum oder einen Gebüsch gemessen hat und welcher bis auf den Boden heruntergekommen ist, und dann filtert man schlicht diejenigen aus, die man nicht braucht – also bei der Baumzählung den Boden und bei archäologischen Anwendungen den Wald – und hat dann die Daten, die einem das Gelände so wiedergeben, wie man das für seinen Anwendungszweck dann auch braucht.
"Traditionell würden wir in Wäldern herumlaufen"
Reuning: Ist es für die Archäologie ein Vorteil, dass man mit diesem Verfahren ein großes Areal erfassen kann?
Posluschny: Ja, das ist auch, neben der Tatsache, dass wir in den Wald hineinschauen können, einer der besonderen Vorteile. Wenn wir jetzt beispielsweise auf der Suche nach Grabhügeln traditionell vorgehen würden, dann würden wir in Wäldern herumlaufen sozusagen und dort nach Überresten von vorgeschichtlichen Grabhügeln Ausschau halten. Das ist natürlich in großen Landschaften gar nicht ohne Weiteres möglich. Das ist auch in Landschaften, wie sie jetzt zum Beispiel Guatemala darstellen, nicht so ohne Weiteres möglich. Man kann ja nicht einfach Expeditionen in den Urwald schicken und über Wochen und Monate irgendwelche Strukturen entdecken wollen. Das ist sehr viel schneller, sehr viel einfacher und sehr viel flächendeckender mit dem LIDAR-Verfahren möglich.
Reuning: Sie arbeiten am Forschungszentrum der Keltenwelt am Glauberg. Dort wurde in den 1990er-Jahren das Grab eines Keltenfürsten entdeckt, aber diese Erhebung, der Glauberg, besitzt ja eine weitaus längere Besiedlungsgeschichte, das reicht von der Jungsteinzeit bis ins Hochmittelalter, der Glauberg ist auch teilweise bewaldet. Ist das also ein Areal, wo sich diese LIDAR-Technologie geradezu anbietet?
"Ganz neuer Einblick in die Landschaft"
Posluschny: Ja, der Glauberg selber ist nur noch wenig bewaldet, da sind wir auch über die meisten Strukturen schon informiert, aber das Umland interessiert uns natürlich auch. Wir wollen ja auch wissen, welche Spuren der Mensch im gesamten Umland hinterlassen hat, nicht nur in der für uns so spannenden keltischen Periode, in der die Hauptbefestigung oben auf dem Glauberg stand vor dem Mittelalter, sondern auch in anderen Perioden.
Was mich persönlich natürlich auch umtreibt, wir haben am Glauberg diese berühmten drei sehr reichen Gräber, die wir auch im Museum ausgestellt haben, gefunden. Darüber hinaus nur wenige Bestattungen, die man quasi an zwei Händen fast abzählen kann, und das repräsentiert ja nicht die gesamte Bevölkerungsschicht der damaligen Zeit. Das müssten ja mehrere tausend Personen gewesen sein, und da suchen wir natürlich auch, wo könnten die möglicherweise noch bestattet worden sein. Das ist nicht immer in Grabhügeln der Fall, aber auch ab und zu, und deshalb schaue ich sehr systematisch im gesamten Umland um den Glauberg herum nach weiteren Grabhügeln.
Dabei kommen einem auch neben Grabhügeln bisweilen neue Entdeckungen unter, mit denen man dann nicht so gerechnet hätte, also Höhenbefestigungsanlagen, die noch gar nicht bekannt waren, wo man denkt, das sind ja relativ große imposante Anlagen, die man normalerweise schon seit mehreren Jahrzehnten kennen müsste, aber nichtsdestotrotz finden wir auch da in etwas entlegeneren Gegenden immer noch neue Höhenbefestigungsanlagen. Das macht natürlich dieses Werkzeug für uns so spannend, dass wir einfach einen ganz neuen Einblick in die Landschaft bekommen und auch in der Landschaftsgeschichte.
Also wenn Sie an so Dinge wie Hohlwege denken, die dann sich als ganze Bündel durch die Landschaft ziehen, dann ist das natürlich für uns auch ein Hinweis auf eine Landschaftsentwicklung, eine Landschaftsnutzung über verschiedene Zeiträume oder längere Zeiträume hinweg, und das ist ein ganz wichtiger Aspekt auch, um zu verstehen, wie sich die Landschaft unter dem Einfluss des Menschen gewandelt hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner g deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.