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"Liebe Eltern"

Schüler achten oft auf den Rat ihrer Eltern, wenn sie sich für eine Hochschule und einen Studienort entscheiden. Und so kommt es, dass zu den Informationsveranstaltungen der Hochschulen immer wieder auch Eltern mitkommen. Die Universität Leipzig nutzt das jetzt, um Eltern gezielt anzusprechen.

Wolfgang Lenders |
    "Liebe Eltern, sicherlich ist es schon ne Weile her, dass die einen von Ihnen oder die anderen von Ihnen in einem Hörsaal gesessen haben. Es freut uns, dass sie hierhergekommen sind."

    So begrüßt Solvejg Rhinow, die Leiterin der Zentralen Studienberatung der Universität Leipzig, am Informationstag die Eltern von Studieninteressenten. Meist Schülern, die kurz vor dem Abitur stehen und in diesem oder im kommenden Jahr ein Studium anfangen wollen. Eltern sind auch früher schon oft zu den Informationsveranstaltungen mitgekommen, die Uni hat sie aber noch nie gezielt angesprochen.

    "Wir haben diesmal erstmalig dieses Angebot speziell für Eltern. Weil wir eben in den letzten Jahren gemerkt haben, dass das ne Zielgruppe ist, die auch zunehmend als Besucher hier aufgeschlagen ist zu unseren Öffentlichkeitstagen, auch zu unseren Beratungsgesprächen in der Studienberatung."

    Bei der Veranstaltung lernen die Eltern, wie heute ein Studium aufgebaut ist und was ihre Kinder bei der Immatrikulation beachten müssen. Das Studentenwerk informiert darüber, was für Wohnheimzimmer es in Leipzig gibt. Und es gibt spezielle Rundgänge über den Campus und durch die Stadt.

    Eltern, die überhaupt nichts von einem Studium halten, erreicht die Uni mit diesem Angebot aber nicht - das ist auch den Studienberatern klar. Wohl aber Eltern, die eigentlich nur ihre Kinder zu den Studieninformationstagen fahren wollten. Eckhard Langnese aus Magdeburg zum Beispiel hätte sich ohne das Angebot die Zeit in der Stadt vertrieben, ist nun aber mit seiner Tochter auf dem Campus unterwegs.

    "Wir wollen mal ins Wohnheim, wollen wir mal schauen, em, das Mensaessen wollen wir mal probieren, dann war irgendwie noch nen, was sagst du, Bibliothek, Rundgang in der Bibliothek, ganz wichtig, und nen Auslandsaufenthalt, genau, da wollen wir uns mal informieren."

    Tochter Denise Langnese ist 18 Jahre alt und will vermutlich im nächsten Jahr ein Studium anfangen. Vielleicht Medizin, vielleicht ein anderes Fach, da ist sie sich noch nicht sicher. Sie hat sich schon im Internet über Studienmöglichkeiten informiert. Aber auch der Rat ihrer Eltern ist für sie sehr wichtig.

    "Meine Eltern haben zwar selber nicht studiert, aber ich würde eigentlich nur was studieren, wo meine Eltern mich auch unterstützen. Also wenn sie total dagegen wären, würd ich's glaub ich auch gar nicht machen."

    Wie Denise Langnese geht es vielen Studieninteressenten: Ohne die Zustimmung der Eltern läuft nichts - allein schon, weil die das Studium meist auch bezahlen. Aber es geht nicht nur ums Geld: Der Rat der Eltern gehört für Abiturienten zu den wichtigsten Entscheidungskriterien bei der Fach- und der Studienortwahl. Das haben die Forscher des Hochschul-Informations-System GmbH HIS aus Hannover herausgefunden. Julia Willich hat Schüler, die ein halbes Jahr vor dem Abitur standen, befragt.

    "Fast jeder zieht Eltern in diesen Entscheidungsprozess mit ein, sucht da Rat, fragt die. Allerdings sieht man gerade, wenn es darum geht, ne Studienentscheidung zu treffen, ne relativ große Diskrepanz zwischen der Inanspruchnahme des elterlichen Rats und dem Nutzen, den die Schülerinnen und Schüler daraus ziehen. Also da sehen wir dann, dass es andere Informationsquellen gibt, die ergiebiger sind."

    Dabei wollen die Eltern ihren Kindern durchaus einen guten Rat geben. Oft können sie das aber nicht. Das liegt meist daran, dass sich an den Unis in den letzten Jahren viel geändert hat.

    "Gerade in Zeiten des Bologna-Prozesses mit der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge und Credit Points, und was weiß ich nicht alles, sind die Eltern natürlich nur noch bedingt auskunftsfähig - selbst wenn sie zum Teil selbst schon ne Hochschule besucht haben."

    Es gibt aber auch Eltern, die sich sehr intensiv mit dem Studium ihrer Kinder beschäftigen. Annett Schlesinger zum Beispiel, deren Sohn vermutlich im nächsten Jahr ein Physikstudium anfangen wird. Er hat auf der Schule eine Klasse übersprungen und ist dann 17 Jahre alt. Seine Mutter hat sich schon genau darüber informiert, was für ein Studium wichtig ist - und auch schon erste Kontakte zu Dozenten geknüpft.

    "Das seh ich schon als meine Pflicht an und auch mein Recht, und ich sag mal, ich bin da auch sehr froh, dass er da Rat annimmt und auch sagt, ja, ist in Ordnung, wir gehen da zusammen hin und informieren uns. Er schreibt zum Beispiel jetzt auch seine wissenschaftliche Arbeit an der Uni schon, in der Physik, und das haben wir zum Beispiel auch im letzten Jahr zu diesem Studieninformationstag organisieren können."

    Annett Schlesinger nutzt die Informationen vom Studieninformationstag der Uni Leipzig nicht mehr nur für ihren eigenen Sohn. Auch den Kindern von Freunden hat sie schon Studientipps gegeben.