"Am Anfang sind es Attraktivität, auch Ähnlichkeit in groben Weltorientierungen. In einem fortgeschritteneren Stadium ist es sicher bedeutsam, dass man ... ein ähnliches Weltbild verfolgt, ... und dann in einer dritten Phase, werden dann die ganz alltäglichen Probleme wichtig..."
Es ist ein weiter Weg vom ersten Flirt zur festen Partnerschaft. Gerade heute, wo die Suche nach dem einen Richtigen auf so viele Falsche trifft. Beziehungen sind brüchiger als je zuvor. Und so wundert es nicht, dass Soziologen und Psychologen sich in einer nahezu unübersehbaren Fülle von Forschungsprojekten dem Thema Liebe anzunähern versuchen. Sie haben freilich einen recht nüchternen Blick auf die hochemotionalen Seiten unseres Lebens. Analysieren die Gesetzmäßigkeiten hinter den starken Gefühlen. Stellen zum Beispiel fest, dass Gegensätze sich zwar leidenschaftlich, aber ebenso kurzlebig anziehen. Während gleich und gleich sich eher für dauerhafte Bindungen zusammen findet. Prof. Norbert Schneider, Soziologe an der Universität Mainz:
"Im Hinblick auf die Wahl von Partnern können wir feststellen, dass sich die Partner heute immer mehr ähneln als in der Vergangenheit. ... ... im Hinblick auf den Bildungsabschluss immer ähnlicher werden, ... im Hinblick auf das Alter ähnlicher werden und im Hinblick auf die Region ähnlich bleiben, die meisten Ehepartner stammen aus der gleichen Region. "
Zwar mag nach wie vor unklar sein, warum es zwischen zwei Menschen funkt. Ob dieser Funke jedoch ein Strohfeuer bleibt oder nicht, das können Wissenschaftler recht gut beurteilen. Paul Hill, Professor für Soziologie an der Universität Aachen, betreut ein Projekt "zur Stabilität von Partnerschaften und Ehen". Und gänzlich unromantisch wendet er auf Partnerschaften die Gesetze der Ökonomie an. Ein großes Plus für Paare ist es demnach, wenn sie an gleichen "Gütern" interessiert sind: an Kindern oder hohem Einkommen, an Spaß im Leben oder dem Wunsch, etwas Sinnvolles im Leben zu tun.
"Das nennen die Ökonomen Matching und man spricht auch manchmal von einem mismatch, wenn sie sich zusammentun, aber die Passung ist eben nicht besonders gut. ... Wenn das matching gut ist wenn die gut zueinander passen, dann erleichtert das die Produktivität und es wird auch investiert in die Beziehung."
Früher hätte ein gelungenes "matching" mehr oder weniger zwangsläufig in eine Ehe geführt. Man musste heiraten, um eine Wohnung zu bekommen oder eine Familie zu gründen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Gesellschaftliche Sanktionen und wirtschaftliche Zwänge spielen kaum noch eine Rolle beim Ja fürs Leben. Prof. Norbert Schneider beendete gerade ein Projekt mit dem Thema "Values of Marriage". Er untersuchte also, warum Menschen heute überhaupt noch heiraten.
"Wir können feststellen, dass seit 40 Jahren die Heiratsrate sinkt und vor 40 Jahren konnte man davon ausgehen, dass etwa 92 Prozent der Männer mindestens einmal im Leben heiraten. Die Rate bei den Frauen war deutlich niedriger, wegen dem Krieg. Heute können wir davon ausgehen, dass ca. 75 Prozent der Frauen mindestens einmal im Leben heiraten und 70 Prozent der Männer das tun. ... Aber trotzdem 3 von 4, warum tun die Menschen das?"
Aus Liebe, will man natürlich ausrufen, weshalb denn sonst? Sind wir nicht heute alle Gefühlspuristen, für die "allein die Liebe zählt"?
" Liebe ist eine Voraussetzung dafür, dass man ein Paar wird. Aber um zu heiraten, spielen andere Gründe ... eine wichtige Rolle. "
Wenn Paare heute heiraten, so hat Norbert Schneider herausgefunden, hat das häufig ganz handfeste Gründe. Es geht - um Geld, um Sicherheiten, um Werte. Und manchmal, ja manchmal heiratet man auch - aus Liebe.
Ein erstes Kernmotiv sind nutzenorientierte Heiratsmotive und ein Drittel aller Eheschließungen folgt diesem Muster. .... ... zur Vermeidung räumlicher Trennung. Typischer Fall binationale Ehe, um die Versetzung zu vermeiden... , weil die Frau schwanger ist oder gerade ein Kind geboren hat, um das Umgangsrecht oder die Unterhaltszahlungen zu sichern.
"Ein zweites Kernmotiv nennen wir die wertorientierte Heirat ... Menschen noch bevor sie einen Partner haben wissen, dass sie gern einmal heiraten möchten, ... und wenn sie den Partner gefunden haben, dann streben sie diese Ehe auch an ... Und das letzte Muster, die Menschen heiraten aus Liebe, 14 Prozent aus unsere Studie. Fasst man das zusammen, kann man sagen, die Eheschließung erfolgt nicht aus Liebe."
Erstaunt waren die Wissenschaftler vor allem darüber, dass kirchliches Heiraten zwar nach wie vor weit verbreitet ist. Dass jedoch ein gehöriger Anteil derer, die den Ehebund in der Kirche besiegeln, dies nicht etwa aus religiöser Bindung machen, sondern - weil's so schön feierlich ist. Das Eheversprechen vor Gott - als Event, als große Inszenierung. Denn wer kirchlich heiratet, heiratet aufwändiger, festlicher und letztlich auch - teurer. Und je geringer das Einkommen, so fand Norbert Schneider heraus, desto geringer die Wahrscheinlichkeit einer kirchlichen Heirat.
"Wenn man es aufwendig inszenieren möchte, dann in Verbindung mit einer kirchlichen Heirat. Und immerhin 1/3 derer, die kirchlich heiraten - und 60 Prozent aller Verheirateten sind kirchlich verheiratet - sagen, wir haben mit Kirche nichts am Hut, wir haben das nur gewollt, weil wir einen festlichen Rahmen wollten und feien konnten in diesem Rahmen. Also ... völlig sinnentleert, gefüllt mit einem neuen Sinn, nämlich der erlebnisorientierten Hochzeit. Das hat uns in dem Ausmaß auch verblüfft."
Und was kommt nach der Heirat? Zu Beginn einer Eheschließung beschreiben sich 85 bis 90 Prozent der Paare als glücklich bis sehr glücklich und empfinden starke Verliebtheit oder Liebe. Interessanterweise trifft dies auch bei Paaren zu, die sich später scheiden lassen.
Denn nach der "Hoch-Zeit" kommen die Mühen der Ebene. Alltag, Job, Kinder, möglicherweise Sorgen ums Geld: Stress! Und Stress, besonders der alltägliche Stress trägt zur negativen Entwicklung innerhalb einer Partnerschaft erheblich bei. Nach einer Studie des Schweizer Psychologen Guy Bodenmann nimmt die Partnerschaftszufriedenheit von gestressten Paaren deutlich stärker ab als bei den anderen. Ihre Kommunikation ist gereizter, ungeduldiger, sarkastischer oder sie wird ganz vermieden. Nach 5 Jahren Ehe oder Lebenspartnerschaft wird aus einem gestressten Paar ein unglückliches Paar. Mit 73 Prozenttiger Wahrscheinlichkeit gelingt es Bodenheim dann sogar, die Scheidung vorherzusagen. Denn der "Ehegewinn" wie Paul Hill es in seiner nüchtern ökonomischen Sprache nennt, bleibt auf der Strecke.
"Nach der ökonomischen Theorie ist der Ehegewinn die entscheidende Größe für die Stabilität einer Beziehung. ... Beziehungen werden gesehen wie kleine Unternehmen. Und dort werden Güter, die sogenannten Commodities produziert. Das sind natürlich keine Marktgüter, sondern es sind Dinge wie Zuneigung, Anerkennung, Liebe, auch Kinder ganz wichtig. Und jetzt ist die Frage, unter welchen Bedingungen kann eine Beziehung gut betriebswirtschaftlich funktionieren?"
Paul Hills ökonomische Analysen mögen zunächst befremden. Doch viele der derzeit herrschenden Theorien zur Stabilität von Partnerschaften fragen nach Kosten und Nutzen von Paarbeziehungen, sehen auch in Liebesbeziehungen rationale Kalküle am Werk. Und zeigen damit, dass die Liebe, jene Himmelsmacht, durchaus irdische Verankerungen braucht, um sich auf Dauer zu bewähren.
Sie braucht zum Beispiel "Investitionen". Investitionen, die Bereitschaft also, in ein gemeinsames Unternehmen einzuzahlen, vorausgesetzt die Partnerschaft funktioniert. Denn solche Investitionen machen aus zwei Individuen ein "Wir". Sie schaffen eine Realität, die nur gemeinsam, nicht aber für den Einzelnen von Wert ist. Sie bilden sozusagen ein "ehespezifisches Kapital". Und dieses Kapital wiederum führt zu einer gewissen Immunisierung gegenüber Stress und anderen negativen Faktoren.
"Es kommt zu Investitionen. Und diese Investitionen sind Kinder, eine gemeinsame Wohnung etc. Und je stärker die Investitionen sind, desto weniger anfällig ist eine Beziehung gegen Scheidung, bzw. Instabilität ... Viele der Güter, die sie in Ehen produzieren, verlieren an Wert bei einer Trennung. Eine Wohnung ist zum Beispiel auch auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnitten und wenn sie sich scheiden lassen, verliert diese Wohnung an Wert. Materiell ist das so und andererseits hängen sie auch emotional an diesen Dingen und es ist ein deutlicher Verlust. ..."
Merke also: Wenn die Barrieren für eine Trennung hoch gehängt sind, erscheinen Alternativen nicht so verlockend. Simples Beispiel: Ein Ehevertrag macht scheidungsfreudiger, gemeinsames Eigentum bindet eher. Da, wo nur die Liebe zwei hochindividualisierte Partner bindet, ist diese Bindung sehr fragil. Stabiler dagegen sind jene Beziehungen, die institutionelle oder materielle Hindernisse errichtet haben gegen's schnelle Weglaufen bei Gefühlseinbrüchen. Je stärker der gemeinsame Rahmen ist, den ein Paar für sich errichtet, desto dauerhafter ist auch die Partnerschaft. Dauerhafter - das heißt übrigens nicht unbedingt: glücklicher.
Deutlich wird das vor allem am Beispiel von Kindern. Das wahrscheinlich wichtigste "ehespezifische Kapital" sind gemeinsame Kinder. Denn die Auflösung von Ehen mit Kindern wird vom sozialen Umfeld stärker missbilligt und verursacht mehr Schuldgefühle als die Scheidung einer Ehe ohne Kinder. Die sozialen ebenso wie die materiellen "Kosten" sind wesentlich höher. Ehen mit Kindern haben also eine hohe Stabilität. Das heißt aber nicht unbedingt,
"dass Kinder ... der Ehezufriedenheit förderlich sind, sondern der Ehestabilität. Wir wissen das alle, dass Kinder auch verbunden sind mit Stress mit Hektik, aber auch neuen Arrangements, auch mit neuer Lebensplanung. Das bedeutet auch, dass man untereinander viel stärker in Kommunikation Kompromisswege beschreiten muss. Das geht nicht anders und diese Dinge belasten auch u.U. den Mann und die Frau, vielleicht sind die unzufriedener als Menschen mit Kind.... Aber man bekommt auch etwas von Kindern zurück, die Ehen sind stabiler mit Kindern, weil es unsere gemeinsamen Kinder sind. Wenn wir den Begriff der Familienzufriedenheit gäbe, dann würde ich sagen, die haben eine stärkere Familienzufriedenheit obwohl vielleicht ihrer Partnerschaft etwas weniger commited ist."
Ein Stückweit herrschen also auch in der Liebe die Gesetze des Marktes: was investiere ich ins Unternehmen, was bekomme ich zurück, wie hoch sind die Kosten? Gibt es am Ende 'kostengünstigere' Alternativen?
"Wenn Sie zufrieden sind und eine noch bessere Alternative haben, dann kann es sein, dass Sie auch eine zufriedene Beziehung verlassen. Ähnlich wie bei einem Arbeitgeber, wenn Sie einen guten Job haben, dann bleiben Sie, aber wenn Sie ein noch besseres haben, dann wechseln sie vielleicht. Das heißt auch zufriedene Ehen sind immer dem Risiko der Alternativen ausgesetzt. Und es gibt auch Ehen, die nicht zufrieden sind, wenn Sie diese Unzufriedenheit aber für weniger entscheidend halten als die Friktion alleine zu leben, dann bleiben die vielleicht auch in der Beziehung. "
Doch ist ein Liebespaar wirklich nur ein Unternehmen, in dem Gewinn- und Verlustrechnungen angestellt werden? Beziehungen können ja durchaus Krisen durchstehen. Da sorgen Partner selbstlos füreinander nach Unfall oder bei Krankheit. Nicht bei jedem Absinken des Ehenutzens zerbricht eine Partnerschaft. Liebes- Ehe- und Familienbeziehungen sind eben nicht nur von einer kalkulierenden Rationalität geprägt, sondern ebenso von dem Gefühl, an einen Partner in guten und in schlechten Zeiten gebunden zu sein, ihm verpflichtet zu sein. Das "Framing", die "Rahmung einer Beziehung" ist mindestens ebenso entscheidend für deren Stabilität wie die Frage danach, welche Vorteile ich davon habe. Denn sonst, erläutert Paul Hill,
"müssten alle Leute aus Ehen aussteigen, sobald sie eine bessere Alternative haben, das beobachten wir aber ist nicht so ... Unter Framing versteht man, wie Personen dieses Arrangement rahmen und da gibt es verschiedene Modelle, etwa das Modell Ehe auf Lebenszeit, bis der Tod euch scheidet, in einem solchen Modell. Wenn das die mentale Struktur ist, dann werden solche Ehen auch stabiler sein als solche, die unter einem anderen Framing stattfinden. Wenn Sie Ehe betrachten als ein Arrangement, das auf Zeit angelegt ist, dann haben Sie eine andere Projektion. ... Unter dem klassischen Frame, wie er in unseren Vorstellungen dominiert, ist es so, dass Ehen auf Dauerhaftigkeit angelegt sind und dann ist es eine schwerwiegende Entscheidung auszusteigen."
Na Gott sei Dank! Also sind die Menschen in Liebesdingen nicht nur berechnende Wesen. Sondern sie sind auch Wesen, die zumindest ein Stückweit von Fürsorglichkeit und Altruismus geprägt sind. Die, nach einem Wort von Erich Fromm, die Liebe nicht nur als ein starkes Gefühl, sondern ebenso als eine Entscheidung, ein Urteil, ein Versprechen erfahren. Die sich in einer Liebesbeziehung nicht nur verbunden, sondern auch gebunden fühlen. Allerdings, meint Paul Hill, sind solche Bande eben stark abhängig davon, welche normative Bedeutung ich einer Partnerschaft gebe. Dies mag aber in einer konservativen anders sein als in unserer permissiven Gesellschaft.
Denn eines steht ja fest: die Liebe wird zunehmend instabil. Die Zahl der Trennung steigt weiter - und dies - pointiert gesagt - gerade im Namen der Liebe. Weil sie nicht tief genug war, weil man sich nicht genug verstanden fühlte, weil man nicht glücklich genug war. Dem Ideal vom lebenslänglichen Liebesglück entspricht das Ansteigen der Scheidungsquoten. Die romantische Sehnsucht nach der einen großen Liebe führt paradoxerweise in die nachromantische Welt der Singles, der Lebensabschnittspartnerschaften, der "Kettenehen".
"Je mehr die Liebe an Relevanz gewinnt, desto prekärer werden Beziehungen oder Ehen, das ist natürlich nicht falsch, ... Und inhaltlich bedeutet das, wenn denn die materielle Ausstattung in modernen Gesellschaften zunehmend besser wird, wenn Wohlstand und ökonomische Eigenständigkeit der Akteure im großen und ganzen an Raum gewonnen hat, ... dann wird das Reden über die eigene Beziehung möglicherweise wichtiger als das gemeinsame Leben und Überleben in einer Beziehung. ... Und wenn die Grundlage der Ehe so fragil ist, wie das in modernen Gesellschaften der Fall ist, dann muss man auch einen institutionellen Ausgang für solche Beziehungen schaffen. Das ist nun mal die Scheidung. Liebesehen bedürfen einer Scheidung."
Es ist ein weiter Weg vom ersten Flirt zur festen Partnerschaft. Gerade heute, wo die Suche nach dem einen Richtigen auf so viele Falsche trifft. Beziehungen sind brüchiger als je zuvor. Und so wundert es nicht, dass Soziologen und Psychologen sich in einer nahezu unübersehbaren Fülle von Forschungsprojekten dem Thema Liebe anzunähern versuchen. Sie haben freilich einen recht nüchternen Blick auf die hochemotionalen Seiten unseres Lebens. Analysieren die Gesetzmäßigkeiten hinter den starken Gefühlen. Stellen zum Beispiel fest, dass Gegensätze sich zwar leidenschaftlich, aber ebenso kurzlebig anziehen. Während gleich und gleich sich eher für dauerhafte Bindungen zusammen findet. Prof. Norbert Schneider, Soziologe an der Universität Mainz:
"Im Hinblick auf die Wahl von Partnern können wir feststellen, dass sich die Partner heute immer mehr ähneln als in der Vergangenheit. ... ... im Hinblick auf den Bildungsabschluss immer ähnlicher werden, ... im Hinblick auf das Alter ähnlicher werden und im Hinblick auf die Region ähnlich bleiben, die meisten Ehepartner stammen aus der gleichen Region. "
Zwar mag nach wie vor unklar sein, warum es zwischen zwei Menschen funkt. Ob dieser Funke jedoch ein Strohfeuer bleibt oder nicht, das können Wissenschaftler recht gut beurteilen. Paul Hill, Professor für Soziologie an der Universität Aachen, betreut ein Projekt "zur Stabilität von Partnerschaften und Ehen". Und gänzlich unromantisch wendet er auf Partnerschaften die Gesetze der Ökonomie an. Ein großes Plus für Paare ist es demnach, wenn sie an gleichen "Gütern" interessiert sind: an Kindern oder hohem Einkommen, an Spaß im Leben oder dem Wunsch, etwas Sinnvolles im Leben zu tun.
"Das nennen die Ökonomen Matching und man spricht auch manchmal von einem mismatch, wenn sie sich zusammentun, aber die Passung ist eben nicht besonders gut. ... Wenn das matching gut ist wenn die gut zueinander passen, dann erleichtert das die Produktivität und es wird auch investiert in die Beziehung."
Früher hätte ein gelungenes "matching" mehr oder weniger zwangsläufig in eine Ehe geführt. Man musste heiraten, um eine Wohnung zu bekommen oder eine Familie zu gründen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Gesellschaftliche Sanktionen und wirtschaftliche Zwänge spielen kaum noch eine Rolle beim Ja fürs Leben. Prof. Norbert Schneider beendete gerade ein Projekt mit dem Thema "Values of Marriage". Er untersuchte also, warum Menschen heute überhaupt noch heiraten.
"Wir können feststellen, dass seit 40 Jahren die Heiratsrate sinkt und vor 40 Jahren konnte man davon ausgehen, dass etwa 92 Prozent der Männer mindestens einmal im Leben heiraten. Die Rate bei den Frauen war deutlich niedriger, wegen dem Krieg. Heute können wir davon ausgehen, dass ca. 75 Prozent der Frauen mindestens einmal im Leben heiraten und 70 Prozent der Männer das tun. ... Aber trotzdem 3 von 4, warum tun die Menschen das?"
Aus Liebe, will man natürlich ausrufen, weshalb denn sonst? Sind wir nicht heute alle Gefühlspuristen, für die "allein die Liebe zählt"?
" Liebe ist eine Voraussetzung dafür, dass man ein Paar wird. Aber um zu heiraten, spielen andere Gründe ... eine wichtige Rolle. "
Wenn Paare heute heiraten, so hat Norbert Schneider herausgefunden, hat das häufig ganz handfeste Gründe. Es geht - um Geld, um Sicherheiten, um Werte. Und manchmal, ja manchmal heiratet man auch - aus Liebe.
Ein erstes Kernmotiv sind nutzenorientierte Heiratsmotive und ein Drittel aller Eheschließungen folgt diesem Muster. .... ... zur Vermeidung räumlicher Trennung. Typischer Fall binationale Ehe, um die Versetzung zu vermeiden... , weil die Frau schwanger ist oder gerade ein Kind geboren hat, um das Umgangsrecht oder die Unterhaltszahlungen zu sichern.
"Ein zweites Kernmotiv nennen wir die wertorientierte Heirat ... Menschen noch bevor sie einen Partner haben wissen, dass sie gern einmal heiraten möchten, ... und wenn sie den Partner gefunden haben, dann streben sie diese Ehe auch an ... Und das letzte Muster, die Menschen heiraten aus Liebe, 14 Prozent aus unsere Studie. Fasst man das zusammen, kann man sagen, die Eheschließung erfolgt nicht aus Liebe."
Erstaunt waren die Wissenschaftler vor allem darüber, dass kirchliches Heiraten zwar nach wie vor weit verbreitet ist. Dass jedoch ein gehöriger Anteil derer, die den Ehebund in der Kirche besiegeln, dies nicht etwa aus religiöser Bindung machen, sondern - weil's so schön feierlich ist. Das Eheversprechen vor Gott - als Event, als große Inszenierung. Denn wer kirchlich heiratet, heiratet aufwändiger, festlicher und letztlich auch - teurer. Und je geringer das Einkommen, so fand Norbert Schneider heraus, desto geringer die Wahrscheinlichkeit einer kirchlichen Heirat.
"Wenn man es aufwendig inszenieren möchte, dann in Verbindung mit einer kirchlichen Heirat. Und immerhin 1/3 derer, die kirchlich heiraten - und 60 Prozent aller Verheirateten sind kirchlich verheiratet - sagen, wir haben mit Kirche nichts am Hut, wir haben das nur gewollt, weil wir einen festlichen Rahmen wollten und feien konnten in diesem Rahmen. Also ... völlig sinnentleert, gefüllt mit einem neuen Sinn, nämlich der erlebnisorientierten Hochzeit. Das hat uns in dem Ausmaß auch verblüfft."
Und was kommt nach der Heirat? Zu Beginn einer Eheschließung beschreiben sich 85 bis 90 Prozent der Paare als glücklich bis sehr glücklich und empfinden starke Verliebtheit oder Liebe. Interessanterweise trifft dies auch bei Paaren zu, die sich später scheiden lassen.
Denn nach der "Hoch-Zeit" kommen die Mühen der Ebene. Alltag, Job, Kinder, möglicherweise Sorgen ums Geld: Stress! Und Stress, besonders der alltägliche Stress trägt zur negativen Entwicklung innerhalb einer Partnerschaft erheblich bei. Nach einer Studie des Schweizer Psychologen Guy Bodenmann nimmt die Partnerschaftszufriedenheit von gestressten Paaren deutlich stärker ab als bei den anderen. Ihre Kommunikation ist gereizter, ungeduldiger, sarkastischer oder sie wird ganz vermieden. Nach 5 Jahren Ehe oder Lebenspartnerschaft wird aus einem gestressten Paar ein unglückliches Paar. Mit 73 Prozenttiger Wahrscheinlichkeit gelingt es Bodenheim dann sogar, die Scheidung vorherzusagen. Denn der "Ehegewinn" wie Paul Hill es in seiner nüchtern ökonomischen Sprache nennt, bleibt auf der Strecke.
"Nach der ökonomischen Theorie ist der Ehegewinn die entscheidende Größe für die Stabilität einer Beziehung. ... Beziehungen werden gesehen wie kleine Unternehmen. Und dort werden Güter, die sogenannten Commodities produziert. Das sind natürlich keine Marktgüter, sondern es sind Dinge wie Zuneigung, Anerkennung, Liebe, auch Kinder ganz wichtig. Und jetzt ist die Frage, unter welchen Bedingungen kann eine Beziehung gut betriebswirtschaftlich funktionieren?"
Paul Hills ökonomische Analysen mögen zunächst befremden. Doch viele der derzeit herrschenden Theorien zur Stabilität von Partnerschaften fragen nach Kosten und Nutzen von Paarbeziehungen, sehen auch in Liebesbeziehungen rationale Kalküle am Werk. Und zeigen damit, dass die Liebe, jene Himmelsmacht, durchaus irdische Verankerungen braucht, um sich auf Dauer zu bewähren.
Sie braucht zum Beispiel "Investitionen". Investitionen, die Bereitschaft also, in ein gemeinsames Unternehmen einzuzahlen, vorausgesetzt die Partnerschaft funktioniert. Denn solche Investitionen machen aus zwei Individuen ein "Wir". Sie schaffen eine Realität, die nur gemeinsam, nicht aber für den Einzelnen von Wert ist. Sie bilden sozusagen ein "ehespezifisches Kapital". Und dieses Kapital wiederum führt zu einer gewissen Immunisierung gegenüber Stress und anderen negativen Faktoren.
"Es kommt zu Investitionen. Und diese Investitionen sind Kinder, eine gemeinsame Wohnung etc. Und je stärker die Investitionen sind, desto weniger anfällig ist eine Beziehung gegen Scheidung, bzw. Instabilität ... Viele der Güter, die sie in Ehen produzieren, verlieren an Wert bei einer Trennung. Eine Wohnung ist zum Beispiel auch auf ihre speziellen Bedürfnisse zugeschnitten und wenn sie sich scheiden lassen, verliert diese Wohnung an Wert. Materiell ist das so und andererseits hängen sie auch emotional an diesen Dingen und es ist ein deutlicher Verlust. ..."
Merke also: Wenn die Barrieren für eine Trennung hoch gehängt sind, erscheinen Alternativen nicht so verlockend. Simples Beispiel: Ein Ehevertrag macht scheidungsfreudiger, gemeinsames Eigentum bindet eher. Da, wo nur die Liebe zwei hochindividualisierte Partner bindet, ist diese Bindung sehr fragil. Stabiler dagegen sind jene Beziehungen, die institutionelle oder materielle Hindernisse errichtet haben gegen's schnelle Weglaufen bei Gefühlseinbrüchen. Je stärker der gemeinsame Rahmen ist, den ein Paar für sich errichtet, desto dauerhafter ist auch die Partnerschaft. Dauerhafter - das heißt übrigens nicht unbedingt: glücklicher.
Deutlich wird das vor allem am Beispiel von Kindern. Das wahrscheinlich wichtigste "ehespezifische Kapital" sind gemeinsame Kinder. Denn die Auflösung von Ehen mit Kindern wird vom sozialen Umfeld stärker missbilligt und verursacht mehr Schuldgefühle als die Scheidung einer Ehe ohne Kinder. Die sozialen ebenso wie die materiellen "Kosten" sind wesentlich höher. Ehen mit Kindern haben also eine hohe Stabilität. Das heißt aber nicht unbedingt,
"dass Kinder ... der Ehezufriedenheit förderlich sind, sondern der Ehestabilität. Wir wissen das alle, dass Kinder auch verbunden sind mit Stress mit Hektik, aber auch neuen Arrangements, auch mit neuer Lebensplanung. Das bedeutet auch, dass man untereinander viel stärker in Kommunikation Kompromisswege beschreiten muss. Das geht nicht anders und diese Dinge belasten auch u.U. den Mann und die Frau, vielleicht sind die unzufriedener als Menschen mit Kind.... Aber man bekommt auch etwas von Kindern zurück, die Ehen sind stabiler mit Kindern, weil es unsere gemeinsamen Kinder sind. Wenn wir den Begriff der Familienzufriedenheit gäbe, dann würde ich sagen, die haben eine stärkere Familienzufriedenheit obwohl vielleicht ihrer Partnerschaft etwas weniger commited ist."
Ein Stückweit herrschen also auch in der Liebe die Gesetze des Marktes: was investiere ich ins Unternehmen, was bekomme ich zurück, wie hoch sind die Kosten? Gibt es am Ende 'kostengünstigere' Alternativen?
"Wenn Sie zufrieden sind und eine noch bessere Alternative haben, dann kann es sein, dass Sie auch eine zufriedene Beziehung verlassen. Ähnlich wie bei einem Arbeitgeber, wenn Sie einen guten Job haben, dann bleiben Sie, aber wenn Sie ein noch besseres haben, dann wechseln sie vielleicht. Das heißt auch zufriedene Ehen sind immer dem Risiko der Alternativen ausgesetzt. Und es gibt auch Ehen, die nicht zufrieden sind, wenn Sie diese Unzufriedenheit aber für weniger entscheidend halten als die Friktion alleine zu leben, dann bleiben die vielleicht auch in der Beziehung. "
Doch ist ein Liebespaar wirklich nur ein Unternehmen, in dem Gewinn- und Verlustrechnungen angestellt werden? Beziehungen können ja durchaus Krisen durchstehen. Da sorgen Partner selbstlos füreinander nach Unfall oder bei Krankheit. Nicht bei jedem Absinken des Ehenutzens zerbricht eine Partnerschaft. Liebes- Ehe- und Familienbeziehungen sind eben nicht nur von einer kalkulierenden Rationalität geprägt, sondern ebenso von dem Gefühl, an einen Partner in guten und in schlechten Zeiten gebunden zu sein, ihm verpflichtet zu sein. Das "Framing", die "Rahmung einer Beziehung" ist mindestens ebenso entscheidend für deren Stabilität wie die Frage danach, welche Vorteile ich davon habe. Denn sonst, erläutert Paul Hill,
"müssten alle Leute aus Ehen aussteigen, sobald sie eine bessere Alternative haben, das beobachten wir aber ist nicht so ... Unter Framing versteht man, wie Personen dieses Arrangement rahmen und da gibt es verschiedene Modelle, etwa das Modell Ehe auf Lebenszeit, bis der Tod euch scheidet, in einem solchen Modell. Wenn das die mentale Struktur ist, dann werden solche Ehen auch stabiler sein als solche, die unter einem anderen Framing stattfinden. Wenn Sie Ehe betrachten als ein Arrangement, das auf Zeit angelegt ist, dann haben Sie eine andere Projektion. ... Unter dem klassischen Frame, wie er in unseren Vorstellungen dominiert, ist es so, dass Ehen auf Dauerhaftigkeit angelegt sind und dann ist es eine schwerwiegende Entscheidung auszusteigen."
Na Gott sei Dank! Also sind die Menschen in Liebesdingen nicht nur berechnende Wesen. Sondern sie sind auch Wesen, die zumindest ein Stückweit von Fürsorglichkeit und Altruismus geprägt sind. Die, nach einem Wort von Erich Fromm, die Liebe nicht nur als ein starkes Gefühl, sondern ebenso als eine Entscheidung, ein Urteil, ein Versprechen erfahren. Die sich in einer Liebesbeziehung nicht nur verbunden, sondern auch gebunden fühlen. Allerdings, meint Paul Hill, sind solche Bande eben stark abhängig davon, welche normative Bedeutung ich einer Partnerschaft gebe. Dies mag aber in einer konservativen anders sein als in unserer permissiven Gesellschaft.
Denn eines steht ja fest: die Liebe wird zunehmend instabil. Die Zahl der Trennung steigt weiter - und dies - pointiert gesagt - gerade im Namen der Liebe. Weil sie nicht tief genug war, weil man sich nicht genug verstanden fühlte, weil man nicht glücklich genug war. Dem Ideal vom lebenslänglichen Liebesglück entspricht das Ansteigen der Scheidungsquoten. Die romantische Sehnsucht nach der einen großen Liebe führt paradoxerweise in die nachromantische Welt der Singles, der Lebensabschnittspartnerschaften, der "Kettenehen".
"Je mehr die Liebe an Relevanz gewinnt, desto prekärer werden Beziehungen oder Ehen, das ist natürlich nicht falsch, ... Und inhaltlich bedeutet das, wenn denn die materielle Ausstattung in modernen Gesellschaften zunehmend besser wird, wenn Wohlstand und ökonomische Eigenständigkeit der Akteure im großen und ganzen an Raum gewonnen hat, ... dann wird das Reden über die eigene Beziehung möglicherweise wichtiger als das gemeinsame Leben und Überleben in einer Beziehung. ... Und wenn die Grundlage der Ehe so fragil ist, wie das in modernen Gesellschaften der Fall ist, dann muss man auch einen institutionellen Ausgang für solche Beziehungen schaffen. Das ist nun mal die Scheidung. Liebesehen bedürfen einer Scheidung."