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Liebe zu Sprache und Literatur

Studenten und Germanisten aus allen Kontinenten treffen sich derzeit in Jena, um Deutsch zu pauken. Sprachcamps gelten auch als Barometer für den Stellenwert der deutschen Sprache und Literatur im Ausland.

Von Blanka Weber; Landesstudio Thüringen |
    "Okay, was ist ein Papagei?"

    Manuela Knötig steht vor ihren Schülern: Es ist eine internationale Klasse, arabische, asiatische, nord- und osteuropäische Jugendliche sitzen zusammen und trainieren Vokabeln. Alle haben Vorkenntnisse, sind Studenten oder arbeiten in einem Beruf.

    "Es ist sehr multikulturell. Ich glaube, das macht auch den Reiz des Kurses aus. Wir haben von jedem Kontinent Studierende hier. Das Interessante ist, wir haben Lerner aber auch Lehrerinnen und Lehrer, die bereits schon in ihren Ländern arbeiten. In Indonesien wird sehr intensiv Deutsch gelernt mit exzellenter Ausbildung."

    Yesan Carot ist 18 Jahre alt und kommt aus Jordanien. Der zurückhaltende Mann mit kurzem Haar und Zahnspange schiebt der Banknachbarin aus Osteuropa ein Blatt zu. Jeder soll Wörter aufschreiben. Alles zusammen ergibt eine Geschichte. Yesan lernt an einer Universität. In 2 Jahren wird er Mechatronik-Ingenieur sein. Deutsch gehört zu den Pflichtfächern:

    "Wir lernen alles auf Englisch, Mathematik, Physik, Computer und haben Deutsch-Kurse, 9 Stunden pro Woche. Es ist sehr schön, macht Spaß."

    Seine junge Banknachbarin aus Kasachstan nickt, auch sie ist mit einem Stipendium hierher gekommen, studiert zu Hause Germanistik auf Lehramt:

    "Ich werde Lehrer in meinem Land. Aber ich will nicht Lehrer sein. Ich will als Dolmetscher arbeiten."

    Das ist spannender und finanziell attraktiver, sagt sie. Neben ihr sitzt ein arabischer Student. Er will später in der Finanzbuchhaltung arbeiten, studiert Rechnungswesen und lernt ebenfalls Deutsch.

    "Deutsch ist einfach auch interessant - kulturell und wirtschaftlich. Viele derer, die hierher kommen, sind Studenten, d.h. sie studieren meist ein Fach wie Wirtschaft und Jura. Sie wollen später im Rahmen von Europäischen Recht oder vielleicht auch multinationale Konzerne suchen, mit interkulturellen Kompetenzen vor allem." sagt Thomas Müller von der Universität Jena, der den Sommerkurs leitet. Die meisten Teilnehmer kommen aus Russland, doch auch der asiatische und arabische Raum ist zunehmend vertreten.

    "China kommt in Wellen, immer mal. Dieses Jahr haben wir keine Besucher, aber die waren auch in den letzten Jahren immer stark vertreten. Arabien ist an uns herangetreten, aus Jordanien kamen in den vergangenen Jahren sehr viele Vertreter, weil wir auch eine sehr lockere Verbindung nach Aman haben."

    Der Junge Jordanier Yesan Carot ist ein Beispiel dafür. Er steht am Abend neben Ogi Immanuel aus Nigeria. Der hochgewachsene Mann mit auffallend weißem Brillengestell lässt sich ein Buch vom Schriftsteller Christoph Hein signieren. Ein besonderer Moment, sagt der junge Afrikaner, denn er will über dessen Roman "Tangospieler" seine Bachelorarbeit an der Universität seiner Landes schreiben:

    "Mein Berufsziel: Deutsch zu unterrichten und als ein Dolmetscher zu arbeiten, in Nigeria. Wir haben viele Menschen, die Deutsch studieren. Deswegen habe ich den Mut, das Arbeitsziel zu wählen."

    Der junge Nigerianer kennt Goethe und Schiller, mag die deutsche Literatur – am liebsten die Bücher von Christoph Hein. Der renommierte Schriftsteller ist beeindruckt, sein Buch – die Geschichte eines Mannes, der Tango spielte am falschen Ort und zur falschen Zeit, der die überlegene Macht herausforderte und dafür bestraft wurde – das Buch also, nun als Bachelorarbeit an der westafrikanischen Universität Ebadon in Nigeria, eine spannende Arbeit, sagt der Schriftsteller:

    "Es interessiert mich, wie man meinen Roman, wertet und sicherlich ganz anders liest als hier in Deutschland."

    Demnächst soll sein neuer Roman erscheinen. Worum es geht, will er nicht verraten.
    Der Tangospieler – zumindest, der wird jetzt an der Universität Ebadon in Nigeria besprochen.