Manfred Götzke: Auch wenn es noch so häufig behauptet wird, die Jugend von heute trinkt nicht mehr Alkohol als die Jugend von gestern. Jahr für Jahr geht der Konsum zurück. Nur ein Phänomen lässt sich tatsächlich empirisch nachweisen: Das Komasaufen von Jugendlichen, das hat zugenommen in den vergangenen Jahren. Unkontrolliertes Trinken bis zur Ohnmacht also. Um Jugendlichen das abzugewöhnen, wurde ja in den vergangenen Jahren an Kampagnen und Projekten so einiges versucht, alles mehr oder weniger zwecklos. Der Brandenburger Suchtexperte Johannes Lindenmeyer versucht es jetzt anders: Die Schüler sollen selbst mit Alkohol experimentieren, auch unter 16-Jährige. Kontrollierte Trinkexperimente nennt er das. Das Projekt wurde von der brandenburgischen Landesregierung gefördert und schon an 40 Schulen im ganzen Land ausprobiert. Herr Lindenmeyer, kontrollierte Trinkspiele mit Minderjährigen, meinen Sie das ernst?
Johannes Lindenmeyer: Ja und nein. Natürlich ist es sinnvoll, dass Jugendliche so spät wie möglich anfangen zu trinken, allerdings, die Mehrheit der Jugendlichen fängt heute vor dem 13. Lebensjahr an, Alkohol zu trinken. Und gerade diese Altersgruppe hat das größte Risiko des Komatrinkens. Diese Jugendlichen erreicht man, wenn sie mal angefangen haben, durch Verbote nicht mehr. Und in diesem Fall kann es, wenn Eltern das wünschen und es in einer Schule für sinnvoll gehalten wird, dann besser sein, man zeigt ihnen, wenn sie schon trinken, wie sie vernünftig mit Alkohol umgehen.
Götzke: Sie kommen also nicht mit der moralischen Keule, die eh nichts bringt, sagen Sie, sondern setzen anders an. Wie genau?
Lindenmeyer: Jugendliche müssen ja eine eigene Identität aufbauen, und sie wollen sich abgrenzen von Erwachsenen und müssen das ja auch früher oder später, eigene Normen finden. Und sie tun das immer auch im Risikobereich, das heißt, sie testen riskantes Verhalten aus – im sexuellen Bereich, bezüglich Alkohol oder anderen Dingen. Und das Einzige, was einen Jugendlichen dort zur Vernunft bringt, ist eigene Erfahrung, das heißt erleben, das tut mir gut, das tut mir nicht gut. Und von daher sieht dieses Programm vor, dass Jugendliche in einem geschützten Rahmen Erfahrung mit Alkohol machen können und systematisch bei der Auswertung dieser Erfahrung angeleitet werden, sodass sie merken: Ein bisschen Alkohol kann angenehm sein, kann das Leben verschönern, wenn ich allerdings mehr als ein, zwei Gläser trinke, steigern sich die positiven Effekte nicht mehr, dafür beginnen die Risiken und die negativen Effekte.
Götzke: Wie geht das genau vor sich, gehen Sie dann mit den Jugendlichen in die Kneipe und fangen dann mit einem Bier an und das geht dann immer weiter, oder wie muss man sich das vorstellen?
Lindenmeyer: Nicht immer weiter, sondern es ist genau wie im Chemieunterricht: Es ist ein Experiment. Das heißt, es wird vorher sehr genau festgelegt, wie viel maximal dort getrunken werden kann, und wenn das also Jugendliche wären, die um 16 oder ein bisschen jünger sind, dann werden das maximal zwei Gläser, falls die Eltern das erlauben.
Und natürlich keine Bottiche, sondern normale kleine Biergläser oder Gläser Wein. Es geht nicht darum, dass sie betrunken sind, es geht darum, dass sie eben merken, dass wenn sie mehr als ein Glas trinken und leicht beschwippst werden, dass die positiven Effekte sich nicht steigern, aber die negativen bereits anfangen. Sie messen zum Beispiel, wie viel Promille sie haben, und realisieren, dass sie sich dort völlig falsch einschätzen. Sie messen, wie sich das auf ihre Leistungsfähigkeit in Computeraufgaben dann auswirkt und realisieren, dass schon diese kleinen Mengen sie langsamer und schlechter in der Konzentration machen. Und sie machen eine kleine Videoaufnahme unter Alkohol, die sie dann nüchtern auswerten, und sehen eben auch, dass sie nicht so cool sind, wie sie gedacht hätten.
Götzke: Nun ist ja nicht jeder pubertierende Schüler ein potenzieller Komasäufer, inwieweit birgt das Ganze auch die Gefahr, Schüler überhaupt erst an den Alkohol heranzuführen mit dem Experiment?
Lindenmeyer: Grundsätzlich darf nur teilnehmen, wer bereits Alkohol trinkt, das ist schon mal das Erste. Wir wollen natürlich niemand mit diesem Präventionsprogramm an den Alkohol heranführen. Das Zweite ist: Eine Schule, und insbesondere dann die Eltern, überlegen jedes Mal in einer Klasse, macht es Sinn, haben wir bereits Probleme mit Komatrinken oder haben wir sie nicht. Wenn wir sie nicht haben, dann muss man das Programm auch nicht machen. Aber wenn es diese Probleme gibt, dann weiß man eben aus der Forschung, dass diese Jugendlichen durch Verbote nicht mehr erreicht werden.
Götzke: Haben Sie schon ausgewertet, was das Programm auch dauerhaft bringt bei den Schülern?
Lindenmeyer: Da sind wir gerade dabei. Es gibt Gott sei Dank jetzt die Möglichkeit, durch Unterstützung des Landes Brandenburg eine große sogenannten kontrollierte Studie zu machen, das heißt, wir werden 32 Schulklassen haben, in denen das Programm durchgeführt wird, und wir werden 32 entsprechende Schulklassen haben, in denen es nicht durchgeführt wurde. Und man wird bis zu sechs Monaten nach Ende des Programms messen, inwieweit Risikoverhalten weniger geworden ist, sich das Wissen über die Effekte erhöht hat und damit die Schadensbegrenzung wirksam war.
Götzke: Johannes Lindenmeyer hat das Projekt "Lieber schlau als blau" erfunden, bei dem Schüler kontrolliert trinken sollen, um zu lernen, wie Alkohol wirkt.
Johannes Lindenmeyer: Ja und nein. Natürlich ist es sinnvoll, dass Jugendliche so spät wie möglich anfangen zu trinken, allerdings, die Mehrheit der Jugendlichen fängt heute vor dem 13. Lebensjahr an, Alkohol zu trinken. Und gerade diese Altersgruppe hat das größte Risiko des Komatrinkens. Diese Jugendlichen erreicht man, wenn sie mal angefangen haben, durch Verbote nicht mehr. Und in diesem Fall kann es, wenn Eltern das wünschen und es in einer Schule für sinnvoll gehalten wird, dann besser sein, man zeigt ihnen, wenn sie schon trinken, wie sie vernünftig mit Alkohol umgehen.
Götzke: Sie kommen also nicht mit der moralischen Keule, die eh nichts bringt, sagen Sie, sondern setzen anders an. Wie genau?
Lindenmeyer: Jugendliche müssen ja eine eigene Identität aufbauen, und sie wollen sich abgrenzen von Erwachsenen und müssen das ja auch früher oder später, eigene Normen finden. Und sie tun das immer auch im Risikobereich, das heißt, sie testen riskantes Verhalten aus – im sexuellen Bereich, bezüglich Alkohol oder anderen Dingen. Und das Einzige, was einen Jugendlichen dort zur Vernunft bringt, ist eigene Erfahrung, das heißt erleben, das tut mir gut, das tut mir nicht gut. Und von daher sieht dieses Programm vor, dass Jugendliche in einem geschützten Rahmen Erfahrung mit Alkohol machen können und systematisch bei der Auswertung dieser Erfahrung angeleitet werden, sodass sie merken: Ein bisschen Alkohol kann angenehm sein, kann das Leben verschönern, wenn ich allerdings mehr als ein, zwei Gläser trinke, steigern sich die positiven Effekte nicht mehr, dafür beginnen die Risiken und die negativen Effekte.
Götzke: Wie geht das genau vor sich, gehen Sie dann mit den Jugendlichen in die Kneipe und fangen dann mit einem Bier an und das geht dann immer weiter, oder wie muss man sich das vorstellen?
Lindenmeyer: Nicht immer weiter, sondern es ist genau wie im Chemieunterricht: Es ist ein Experiment. Das heißt, es wird vorher sehr genau festgelegt, wie viel maximal dort getrunken werden kann, und wenn das also Jugendliche wären, die um 16 oder ein bisschen jünger sind, dann werden das maximal zwei Gläser, falls die Eltern das erlauben.
Und natürlich keine Bottiche, sondern normale kleine Biergläser oder Gläser Wein. Es geht nicht darum, dass sie betrunken sind, es geht darum, dass sie eben merken, dass wenn sie mehr als ein Glas trinken und leicht beschwippst werden, dass die positiven Effekte sich nicht steigern, aber die negativen bereits anfangen. Sie messen zum Beispiel, wie viel Promille sie haben, und realisieren, dass sie sich dort völlig falsch einschätzen. Sie messen, wie sich das auf ihre Leistungsfähigkeit in Computeraufgaben dann auswirkt und realisieren, dass schon diese kleinen Mengen sie langsamer und schlechter in der Konzentration machen. Und sie machen eine kleine Videoaufnahme unter Alkohol, die sie dann nüchtern auswerten, und sehen eben auch, dass sie nicht so cool sind, wie sie gedacht hätten.
Götzke: Nun ist ja nicht jeder pubertierende Schüler ein potenzieller Komasäufer, inwieweit birgt das Ganze auch die Gefahr, Schüler überhaupt erst an den Alkohol heranzuführen mit dem Experiment?
Lindenmeyer: Grundsätzlich darf nur teilnehmen, wer bereits Alkohol trinkt, das ist schon mal das Erste. Wir wollen natürlich niemand mit diesem Präventionsprogramm an den Alkohol heranführen. Das Zweite ist: Eine Schule, und insbesondere dann die Eltern, überlegen jedes Mal in einer Klasse, macht es Sinn, haben wir bereits Probleme mit Komatrinken oder haben wir sie nicht. Wenn wir sie nicht haben, dann muss man das Programm auch nicht machen. Aber wenn es diese Probleme gibt, dann weiß man eben aus der Forschung, dass diese Jugendlichen durch Verbote nicht mehr erreicht werden.
Götzke: Haben Sie schon ausgewertet, was das Programm auch dauerhaft bringt bei den Schülern?
Lindenmeyer: Da sind wir gerade dabei. Es gibt Gott sei Dank jetzt die Möglichkeit, durch Unterstützung des Landes Brandenburg eine große sogenannten kontrollierte Studie zu machen, das heißt, wir werden 32 Schulklassen haben, in denen das Programm durchgeführt wird, und wir werden 32 entsprechende Schulklassen haben, in denen es nicht durchgeführt wurde. Und man wird bis zu sechs Monaten nach Ende des Programms messen, inwieweit Risikoverhalten weniger geworden ist, sich das Wissen über die Effekte erhöht hat und damit die Schadensbegrenzung wirksam war.
Götzke: Johannes Lindenmeyer hat das Projekt "Lieber schlau als blau" erfunden, bei dem Schüler kontrolliert trinken sollen, um zu lernen, wie Alkohol wirkt.