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Lieblingsort: Schloss Kummerow in Mecklenburg-Vorpommern
DDR-Spuren im alten Adels-Schloss

2011 wurde Schloss Kummerow in Mecklenburg-Vorpommern versteigert. Das marode Bauwerk sollte vor dem Verfall gerettet, der Charme seiner fast 300-jährigen Geschichte aber erhalten werden. Heute sind in Kummerow nicht nur die Spuren aus DDR-Zeiten zu besichtigen, sondern auch eine sehenswerte Fotosammlung.

Von Silke Hasselmann |
    In einem Barockspiegel im restaurierten Schloss Kummerow ist am 05.05.2017 in Kummerow (Mecklenburg-Vorpommern) das Emblem der DDR zu sehen
    DDR-Emblem im Barockspiegel in Schloss Kummerow (dpa / Jens Büttner)
    Viele Wege führen in das zunächst unscheinbar wirkende Dorf Kummerow in Mecklenburg: zwei Landstraßen, ein Radweg und der Kummerower See. Diesmal nähere ich mich meinem Ziel mit dem Paddelboot, denn das Schlossanwesen samt Lennépark wurde um 1730 direkt am Seeufer errichtet.
    Schon beim Eintritt durch die schwere Eichentür erkennt man, mit wie viel Liebe zum historischen Detail der Berliner Immobilienmakler und neue Schlossherr Torsten Kunert das kastenförmige Haupthaus restaurieren ließ. Dieser Eindruck verstärkt sich beim Rundgang mit seiner Tochter Aileen.
    "Also das war für meinen Vater sehr wichtig, dass man überall noch die Spuren der Vergangenheit spürt."
    Ursprünglicher Sitz der Adelsfamilie von Maltzahn
    Vor allem beim Blick auf die Wände und Decken der Räume; einige Stellen wirken unfertig, als habe der Restaurator vergessen, die vielen unter den alten Tapeten zutage getretenen Farbschichten zu entfernen. Doch die sollten erhalten bleiben, erklärt Juliane Henke. Sie managt das Anwesen, wenn der Schlossherr - so wie jetzt - nicht in Kummerow sein kann.
    "Die Tapeten wurden entfernt, und darunter wirklich sehr wolkenhaft diese Farbpatina an den barocken Wänden zusammen mit dem Stuck. Somit wird nachvollziehbar, dass selbst die Vorfahren dieses Hauses alles andere als nur weiße Wände hatten."
    "Wer waren denn die Vorfahren?"
    "Das war die Adelsfamilie von Maltzahn. Die haben hier gelebt, und hier hat traditionell der zweitgeborene Sohn der Familie gewohnt."
    Direktor Torsten Kunert stellt am 05.05.2017 in Kummerow (Mecklenburg-Vorpommern) Ausstellungsbesuchern im restaurierten Schloss das fotografische Langzeitprojekt von Werner Mahler mit dem Titel "Abiturienten" vor.
    Schloss Kummerow in Mecklenburg Vorpommern (dpa / Jens Büttner)
    "Seit dem 13. Jahrhundert und bis zum Ende des 2. Weltkrieges lebte und wirtschaftete die Familie vor Ort. Mit Einzug der Roten Armee sind diese dann geflohen und letztendlich wurde die gesamte Anlage von der Gemeinde übernommen."
    Schloss in der DDR als "Multifunktionshaus"
    "Wie sind die Räume dann genutzt worden?"
    "Insbesondere zu DDR-Zeiten war die Nutzung sehr vielfältig, angefangen bei der Bürgermeisterei über die Schule, Kindergarten, Hort, Jugendclub, Gaststätte, Konsum, Post, Friseur und vereinzelt Wohnungen."
    "Heute würde man sagen: 'Multifunktionszentrum'oder so…"
    "'Multifunktionshaus' - absolut."
    Von dieser lebendigen Nutzung zeugten nur noch wenige Spuren, als ihr Vater auf das Gebäude stieß, ergänzt Tochter Aileen.
    "Er hat das Schloss 2011 ersteigert und es war in einem sehr schlechten Zustand. Er hat mir erzählt, dass ein Jahr später das Schloss wohl zusammengestürzt wäre. Wir haben hier in der Nähe ein Gutshaus, was er auch restauriert hat. Und da hat er sich einfach in diese Region verliebt. Er bezeichnet dieses Schloss teilweise auch als fünftes Kind. Das ist sein Baby."
    Wandbemalungen aus DDR-Zeiten
    "Hier sind wir jetzt im Kleinod des Hauses. Das Besondere hier: Der Spiegelsaal, historisch genutzt für Festivitäten, also der Prunksaal im Schloss Kummerow. Zu DDR-Zeiten war in diesem Saal der Werkraum der Schule untergebracht. Und daher rührt wahrscheinlich auch diese ganz besondere Wandmalerei, die man hier gefunden hat unter Tapeten.
    Da ist ein großes blaues "J" - das Zeichen für die Jungpioniere. Da sind Hammer, Sichel, Ährenkranz - das Emblem, das jedes schwarz-rot-goldene Tuch zu einer DDR-Fahne machte, denke ich. Und:
    "'Was des Volkes Hände schaffen, soll des Volkes Eigen sein.' Das sagt mir auch noch etwas. 'Ich bin das Schwert, ich bin die Flamme.' Von Heine ein Zitat, wenn ich das richtig sehe."
    "Genau. Die historischen Wandgemälde, Wandteppiche sind eben weg gewesen, entwendet worden. Nicht mehr auffindbar. Diese nachzubilden wäre irgendwo eine Fälschung. Und Originalton des Eigentümers: 'In diesem Haus gibt es keine Fälschungen!'"
    Raum für Fotografie
    Das gilt erst recht für Torsten Kunerts Privatsammlung von rund 2.000 Kunstfotografien. Bei jedem Besuch bin ich begeistert darüber, dass und auf welche Weise der kunstsinnige Mann das Schloss Kummerow zur öffentlich zugänglichen Herberge für seine Bilder macht.
    Direktor Torsten Kunert stellt am 05.05.2017 in Kummerow (Mecklenburg-Vorpommern) Ausstellungsbesuchern im restaurierten Schloss das fotografische Langzeitprojekt von Werner Mahler mit dem Titel "Abiturienten"
    Schlossherr Torsten Kunert zeigt seine Fotosammlung (dpa / Jens Büttner)
    Denn vom großen Spiegelsaal abgesehen trifft in jedem Raum zeitgenössische Fotografie auf zumeist großformatige Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus DDR- und Wendezeiten. Sie stammen von Künstlern wie Ute Mahler und Siegfried Wittenburg, und deren Stimmung ermöglicht mir eine Reise zurück in die Zeit meiner Kindheit und Jugend, die ich vor allem in einer vorpommerschen Kleinstadt und ab Mitte der 80er-Jahre in Berlin verbrachte.
    "Gerade hier bei Harald Hauswald mit der linken Aufnahme von dem Bruce-Springsteen-Konzert in Berlin-Weißensee und diesen beiden FDJlern im Vordergrund, die ganz steif und starr dort sitzen. Man weiß nicht so recht, ob die sich nicht trauen oder vielleicht auch gar keine Lust hatten, dort teilzunehmen. Also diese Kontraste oder diese Widersprüche im damaligen DDR-Regime - ganz gut festgehalten auf diesem Foto."
    Übrigens: Wer nach Kummerow will, sollte Zeit mitbringen und Muße haben. Denn ob man aus Richtung Berlin, Hamburg oder Rostock kommt - es geht abseits größerer Verkehrsachsen quer durch die dünnbesiedelte, seen- und waldreiche Mecklenburgische Seenplatte. Spätestens beim Schlendern durch Schloss Kummerow stellt sich unweigerlich eine heiter-entspannte Stimmung ein. Versprochen!