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Lieferlogistik im Zeichen des Klimaschutzes
Wie wir in Zukunft Pakete bekommen werden

Straßenbahnen, die Pakete transportieren, ein Dienstleister, der die Sendungen aller Paketdienstleister zustellt und E- Lastenräder, die herkömmliche Transporter ersetzen – unter dem Druck der Klimaziele und der nachhaltigen Stadtentwicklung steht die Paketlogistik vor einem großen Umbruch.

Von Thilo Schmidt | 14.07.2022
Ein UPS-Paketbote unterwegs mitt einem Rytle Cargo Bike in Muenchen.
Weniger zugeparkte Radwege und Bürgersteige: Paket-Lastenräder anstelle Lieferwagen (picture alliance / Sven Simon)
Sie hat eher die Anmutung eines Kleinwagens als die eines Lastenrades: Die Ono, ein E-Lastenrad, 3 Meter 40 lang, 2 Meter 05 hoch, über einen Meter breit.

 Wir haben jetzt vor uns ein ganz großes XXL-Lastenfahrrad, was einen Container hat, der abnehmbar ist, und in den ungefähr zwei Kubikmeter passen, bis zu 200 Kilogramm.“

 Sagt Inga Töller vom Berliner Startup „Onomotion“, das die Ono zusammen mit Logistikdienstleistern entwickelt hat. Vollbeladen wiegt sie eine halbe Tonne, auf dem Radweg ist sie ein Schwergewicht – und sie könnte die Paketzustellung in den Städten revolutionieren.

 „Damit können wir Radinfrastruktur nutzen, wir können durch Parks fahren, wir schauen sozusagen immer, dass der Vorteil ist, dass man am Stau vorbeikommt, aber nie zulasten von schwächeren Verkehrsteilnehmern.“

Radinfrastruktur muss ausgebaut werden

Auf der Ladefläche: Ein Wechselcontainer auf Rollen, groß wie ein Kleiderschrank, Schiebetüren auf beiden Seiten. Inga Töller setzt sich hinter das Steuer und dreht eine Runde über das Werksgelände von Onomotion in Berlin. Mit Unterstützung des Akkus fährt die Ono 25 Stundenkilometer. Damit – und mit dem geringen Laderaum – ist ihr Einsatzgebiet definiert:

„Egal welches Lastenfahrrad man einsetzt, braucht man ein Umdenken in der Infrastruktur. Und in der Logistik für die Prozesse. Wir müssen davon ausgehen, dass wir die letzte Meile der Zustellung, also das ist die, die dann zum Kunden geht, dass wir dafür Mikrodepots brauchen oder Micro-Hubs.“

Lastenradzustellungen beschränken sich auf Gebiete im Umkreis von wenigen Kilometern um die Mikrodepots. Zu denen man zum Nachladen mal schnell zurückradeln kann.

Die Mikrodepots werden einmal täglich beliefert – idealerweise elektrisch. Die Container können vorgepackt angeliefert werden, so dass die Zusteller sie nur noch auf die Lastenräder schieben müssen – und ihre Tour sofort starten können.

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Zugeparkte Rad- und Fußwege durch Lieferwagen

Nur: Die Voraussetzungen stimmen nicht, sagt Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte beim Bund für Umwelt- und Naturschutz: Der Ausbau der Radinfrastruktur gehe viel zu langsam, außerdem würden die permanenten Regelverstöße der Zustellfahrzeuge kaum sanktioniert.

„Was entscheidend ist: dass sich in den Stadtverwaltungen jemand des Problems annimmt, des Problems der zugeparkten Radwege, der zugeparkten Fußwege, des enorm steigenden Verkehrsaufkommens durch die Zunahme an Online-Bestellungen, an Online-Lebensmittelbestellungen. Da muss sich jemand in der Stadtverwaltung bewusst sein, dass das ein Problem ist, und er muss dieses Problem lösen wollen.“

Zugeparkte Radwege, Busspuren und Fußwege. Um das zu vermeiden, könnten Lieferungen auch gebündelt werden – das heißt, ein sogenannter „White-Label“-Dienstleister bringt die Pakete aller Dienstleister. Jens Hilgenberg:
„Es ist tatsächlich aber relativ schwierig, das zu etablieren. Weil es da verschiedenste Fallstricke gibt bezüglich der Konzessionierung, aber auch des Gefahrenübergangs der Pakete – wenn an so einem Paket dann was kaputt ist – wer haftet? Das sind dann so Ansätze, die schwierig sind. Zudem kommt noch, dass die Anbieter gerne den Endkundenkontakt haben wollen.“

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Lieferungen bündeln, Mikrodepots schaffen

Denkbar: Eine Kommune könnte – ähnlich wie beim Nahverkehr – einen Dienstleister mit der gesamten Zustellung beauftragen. Das wäre allerdings eine schwer zu vermittelnde Rolle rückwärts in die Zeit der Staatspost. Realistischer ist die empfängergebündelte Zustellung in freiwilliger Initiative.

 „Das ist dann ein Ansatz, den wir beispielsweise in Düsseldorf sehen, wo eine ganze Einkaufsstraße sich zusammengeschlossen hat und alle Päckchen, die diese Läden im Laufe des Tages bekommen würden, werden an eine zentrale Adresse außerhalb der Stadt geliefert, und es gibt dann einen Dienstleister, der einmal am Tag reinfährt und alle Päckchen für alle Läden mitnimmt. So, das hat den Vorteil, dass die Läden nicht fünf Mal, sechs Mal am Tag Besuch von einem Dienstleister bekommen, der Pakete bringt und vor der Tür parkt, und es hat dann noch zusätzlich den Vorteil, dass die Läden entscheiden können, wann sie die Pakete bekommen.“

Ein ähnliches Konzept, aber für private Kunden, gibt es auch in Magdeburg: Das Mikrodepot im Stadtteil Stadtfeld füllt einen Parkplatz, mehr nicht. Ein blauer Container, in den die Biberpost, ein lokaler Zusteller, der zur Mediengruppe Magdeburg gehört, morgens früh Pakete einliefert. Das Besondere: Es werden Pakete aller Paketdienstleister eingeliefert und von hier aus per Lastenrad verteilt oder in die Abholfächer einsortiert – je nach Kundenwunsch.
Eine Paketstation in Magedburg, im Hintergrund eine Straßenbahn
Der Paketplanet im Magdeburger Stadtteil Stadtfeld (Deutschlandradio / Thilo Schmidt)
„Bisher war es halt so: Man konnte die einzelnen Paketdienstleister nicht dazu bewegen, zusammenzuarbeiten an der Stelle. Und gleich die Pakete selbst zu bündeln.“

Sagt Andreas Franke vom Magdeburger Unternehmen Fiapro, der die Paketstation in Kooperation mit der Biberpost und der Uni Magdeburg entwickelt hat.
„Und somit hat man als Endkunde, auch wenn man es möchte, gar keine Chance, den Zeitpunkt zu bestimmen, was den Komfort angeht, den Weg zu bestimmen, oder auch etwas gegen Feinstaubemissionen oder ähnliches zu tun.“

Die Zustellung auf der letzten Meile, also vom Mikrodepot zur Haustür, übernimmt die Biberpost. Aber nur auf expliziten Wunsch des Empfängers – der für Bestellungen nicht seine Privatadresse angibt, sondern eine Stellvertreteradresse bei der Biberpost.

„Das heißt, wenn Sie bisher ganz normal an der Hauptstraße 3 Ihren Wohnsitz hatten, lassen Sie es jetzt in das Urban Hub liefern, das wäre hier in Magdeburg in der Bahnhofstraße, und dann, wenn Ihr Paket dort eintrifft, oder auch mehrere, über den Tag hinweg, bekommen Sie eine Info, dass diese vorliegen, und Sie können dann den Zustellweg wählen.“

Versuche mit Microhubs in Magdeburg

Drei dieser Paketstationen gibt es bereits in Magdeburg, in den Stadtteilen Stadtfeld und Altstadt. Mitentwickelt hat sie – und das Konzept dahinter – Tom Assmann, Experte für Radlogistik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg:
„Da haben wir so einen kleinen tatsächlich sehr spannenden, funktional integrierten Microhub aufgebaut, der eben zeigt, dass ein Logistik-Microhub in der Stadt nicht immer nur irgendein blöder Container sein muss, sondern der kann auch schön aussehen und der kann auch einen Mehrwert für die Umgebung erfüllen. In dem man sich da eben auch noch ein Paket abholen kann oder auch so ein Wechselakkusystem, wenn man das für den Rasenmäher oder wo auch immer schon implementiert hat. Also das Logistik auch wirklich dazu beitragen kann, Impulse für – zumindest auf der Mikroebene – Stadtentwicklung zu setzen.“

Tom Assmann und sein Institut beobachten, ob und wie das System angenommen wird. Parallel entwickelt Andreas Franke sein Mikrodepot weiter. Weil es nicht mehr als einen Parkplatz einnimmt, ist es, so Franke, für Stadtentwickler kein Fluch, und es könnte gar ein Segen sein.  Magdeburg will bis 2035 klimaneutral sein – und das Projekt, das vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert wird, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin. Vier große Paketdienstleister, so Franke, haben bereits Interesse an seinen Mikrodepots signalisiert.

„Die klassische Außenhülle, wie Sie sie hier gesehen haben in Magdeburg aus entsprechenden Blechsandwichplatten kann entnommen werden und gegen begrünte Vertikalgärten ausgetauscht werden. Ebenso ist eine Dachbegrünung oder eine Dachsolaranlage möglich. Das macht es einfacher, das ganze auch in der Stadt aufzustellen, weil etwas Grünes, was genau auf einen Parkplatz draufpasst, ist für Stadtplaner und auch für die Anwohner natürlich leichter zu akzeptieren und umzusetzen.“

Die Mikrodepots aus Magdeburg sind dafür vorbereitet, dass sie auch von verschiedenen Paketdienstleistern direkt bestückt werden könnten. Auf der letzten Meile könnte dann ohne einen weiteren Zwischenumschlag ein einziger Dienstleister alle Pakete gebündelt zustellen, natürlich möglichst per Lastenrad.

Straßenbahn als Lieferfahrzeug

Um auch auf der mittleren Meile, also auf dem Weg von den Stadträndern zu den Mikrodepots, emissionsfrei und ressourcenschonend unterwegs zu sein, kommt ein weiteres Verkehrsmittel ins Spiel: Die Straßenbahn. Damit experimentiert die Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main. Neben einer Niederflurstraßenbahn im Betriebshof Gutleut steht ein Ono-Lastenrad. Die Mitarbeiter der Verkehrsgesellschaft ziehen einen Container von dessen Ladefläche und schieben ihn über eine Rampe in die Straßenbahn.

Die Rampe hier, das haben wir uns selbst gebaut, das ist jetzt kein großer Aufwand in unserer Straßenbahnwerkstatt. Das ist jetzt die einfachste Variante, ein großes Behältnis, ganz normal in ein Straßenbahn-Linienfahrzeug reingeschoben, keine extra Fahrzeuge dafür konstruiert, keine großen Umbauten. Kann man natürlich, wenn man das im größeren Stil fahren will, auch anders machen. Dass man Fahrzeuge umbaut, dezidierte Gütertrams hat und so weiter und so fort.“

Sagt Michael Rüffer, technischer Geschäftsführer der Straßenbahn. Seit Jahren experimentiert die Verkehrsgesellschaft Frankfurt mit der Gütertram.

„Die Idee ist, dass die KEP-Dienstleister, also Kurier, Express, Pakete, hier in den Betriebshof kommen, hier ihre Pakete, die in der Stadt verteilt werden müssen, hier in so einen Güterhub, den wir hier aufbauen, abliefern können und wir die, in besonderen Containern umverpackt, zum Beispiel hier das VGF-Flex-Modell in die Trambahn reinschieben, in die Stadt reinliefern und wir diese Container wieder an Mikrodepots an Haltestellen in unserem Stadtgebiet ausladen.“
Menschen stehen an einem Bahnsteig, im Hintergrund eine Gütertram
Die Frankfurter Verkehrsgesellschaft simuliert das Beladen einer Gütertram im Straßenbahndepot Gutleut (Deutschlandradio / Thilo Schmidt)
Sechs Container, schätzt Rüffer, passen in ein Linienfahrzeug. Baut man Sitze und Haltestangen aus noch deutlich mehr:
„Wenn Sie jetzt hier draußen in Frankfurt unterwegs sind und sehen, was hier tagtäglich abgeht – ich fahre ja selbst ab und zu auch mal Straßenbahn, ich hatte letztens mal was, da hat hier einer in dem Mehrzweckabteil – ich glaub es war sogar Bauschutt – in großen Säcken mitgenommen. Die Postbriefträger fahren mit uns und haben die Briefwagen drin – das sind ja im Prinzip auch Gütertramansätze.“

Ob die Paketcontainer aber gemeinsam mit Passagieren auf Reisen gehen können, ist fraglich – und möglicherweise rechtlich gar nicht möglich, das Personenbeförderungsgesetz sieht das nicht vor. Also müssten reine Güterstraßenbahnen die Mikrodepots beliefern. Und das wäre mit normalen Linienfahrzeugen zu bestimmten Zeiten auch möglich.

„Wenn Sie hier morgens um neun hinkommen, sind alle unsere Bahnen draußen. Da gibt es aber sogar schon die ersten, die zurückkommen aus der Spitze- und KEP-Dienstleister sagen uns: Naja, wir müssen eigentlich nicht vor zehn Uhr ausliefern. So, das ist ein perfektes Match. Wir können hier um neun eine Bahn, wenn wir jetzt wirklich eine Bahn – wenn wir jetzt wirklich beim Linienverkehr bleiben und das ein bisschen im kleinen Stil machen, können wir Bahnen aus dem Verkehr rausnehmen, die nur die Spitze fahren, können die vollladen und Mikrodepots beliefern, ohne dass wir neue Bahnen brauchen und ohne dass wir unser Netz überlasten. Und das ist eigentlich perfekt.“

Mehl, Kohle und Getreide: früher per Tram transportiert

In Frankfurt hat man es durchgespielt – und ist der Meinung: es geht. Mit dem, was da ist. Was Rüffer nicht will, ist eine Investitionsruine.

„Unsere Idee ist, jetzt nicht zu sagen: Wir fangen nur an, wenn wir erstmal 20 Millionen für die Fahrzeuge kriegen und dann brauchen wir noch drei Millionen für den Infrastrukturumbau und dann brauchen wir nochmal zehn Millionen, um hier irgendwas schönzumachen, keine Ahnung. Ich mein, das kann jeder. Dann bauen wir uns ein Güterterminal und dann kommt irgendwann jemand und sagt: Und warum fahren wir es nicht mit dem Laster? Und deswegen haben wir gesagt: Andersrum. Einfach mit den Mitteln, die wir haben, und dann gucken, wie wir das steigern können.“

Dass Straßenbahnen auch Güter transportieren, war bis in die fünfziger Jahre selbstverständlich. Kohlen, Mehl, Getreide, Stückgut oder Getränke wurden auf den innerstädtischen Straßenbahnnetzen befördert. In Dresden wurde 2001 sogar die Güterstraßenbahn reaktiviert. Volkswagen lieferte mit eigens dafür gebauten Zügen Fahrzeugteile quer durch die Stadt in seine „Gläserne Manufaktur“. 2020 allerdings endete das Projekt, das Werk wird nun wieder mit Lastwagen bedient.
In Frankfurt würde man gerne mehr tun als die Gütertram auf dem Hof Politikern und Journalisten vorzuführen – nämlich in einen Probebetrieb unter Alltagsbedingungen gehen. Die Paketdienstleister haben Interesse signalisiert, die Stadt unterstützt auf ganzer Linie – auch Frankfurt leidet unter massiven Staus und zugeparkten Rad- und Fußwegen. Die Verkehrsgesellschaft bräuchte allerdings eine stabile rechtliche Grundlage – und Geld, das sie zurzeit ausschließlich für den Personenverkehr erhält. Michael Rüffer:
„Da wäre natürlich eine Förderung optimal. Das gibt dann noch mal so einen Kick rein, das gibt auch so einen gewissen Leuchtturmcharakter. Aber wir müssen halt die organisatorischen Randbedingungen in unserem Betrieb und für unsere Aufgabe Personenverkehr beachten. Und wenn wir das dann aber hinkriegen, dass wir hier so eine Güterlogistiksparte, möchte ich mal sagen, finanzieren können – oder unternehmensrechtlich realisieren können – dann wird es losgehen.“

Nicht jedes Zustellgebiet für Lastenräder geeignet

Berlin-Friedrichshain, Frankfurter Allee: Hier ist das Ono-Lastenrad schon im harten Alltagseinsatz. Im neuen Mikrodepot des Paket-Dienstleisters DPD kann man einen Kaffee trinken, Päckchen aufgeben, Päckchen abholen – und in Umkleidekabinen die bestellte Hose gleich anprobieren. Und wenn sie nicht passt, auch von vor Ort wieder zurückschicken. Im hinteren Teil des Ladenlokals ist das Mikrodepot. Es wird früh morgens beliefert – nach Möglichkeit, so sagt es DPD, von einem Elektro-Transporter.  Von hier werden die Pakete auf Ono-Lastenrädern im Umkreis ausgeliefert.

In den urban-alternativen Milieus kommt das Lastenrad gut an. Gerd Seber, Nachhaltigkeitsbeauftragter des DPD-Konzerns, dämpft allerdings die Euphorie ein wenig. Das Lastenrad allein, sagt er, ist nicht die Lösung, dafür sei Logistik zu komplex und nicht jedes Zustellgebiet und auch nicht jede Lieferung für ein Lastenrad geeignet.

„Nicht die Einkaufsstraße. Und nicht das Kaufhaus. Und natürlich auch nicht das Industriegebiet. Also das wird mit dem Lastenrad sehr schwierig zu beliefern sein, das sind ganz andere Gewichte und Mengen, über die ich da rede. Aber diese Mischgebiete, wo sich so kleineres Gewerbe mit Wohnen mischt, die sind wirklich ideal, weil da in der Regel auch ein hoher Verkehrsdruck herrscht. Es gibt ja jetzt schon Straßen, gerade in Berlin, wo ich keine Chance habe, nicht gegen die StVo zu verstoßen, wenn ich dort liefern muss.“

Emissionsfrei zustellen für die Klimaziele

Die Städte haben die Probleme, die Logistik verursacht, längst auf dem Schirm. Nicht nur zugeparkte Rad- und Fußwege, sondern auch die Klimaziele. Berlin beispielsweise will bis 2030 Verbrenner aus der Innenstadt verbannen. Die Logistikunternehmen gehen mit. Die konzerneigene Vorgabe, in 23 deutschen Großstädten bis 2025 emissionsfrei zuzustellen, wird DPD wohl übererfüllen, sagt Gerd Seber. Er sagt aber auch, Paketlogistik besteht eben nicht nur aus Amazon-Paketen in Schuhkartongröße, und auf größere Transporter kann man auch in Zukunft nicht verzichten – wohl aber kann man sie reduzieren.
 „Also lokal emissionsfrei das steht außer Frage, das brauchen wir auch nicht in Frage stellen. Aber das könnte ein modulares System sein, wo ich zwei Boxen auf ein etwas größeres Fahrzeug setzen kann, eine auf ein Lastenrad, fünf davon in einen Elektrotransporter, so dass ich tatsächlich operative Abläufe spätestmöglich sozusagen dekonsolidiere, aber trotzdem mit kleineren Fahrzeugen unterwegs bin, die weniger Verkehrsraum in Anspruch nehmen als jetzt aktuell.“
Ein Lastenrad am DPD-Mikrodepot in Berlin-Friedrichshain
Ein Lastenrad am DPD-Mikrodepot in Berlin-Friedrichshain (Deutschlandradio / Thilo Schmidt)
Auch die empfängergebündelte Zustellung durch einen White-Label-Dienstleister ist für Gerd Seber, den DPD-Nachhaltigkeitsbeauftragten, kein Zukunftsmodell. Weil die Waren, die befördert werden müssen, dadurch nicht sinken würden, aber ein weiterer Umschlag nötig sei. Das gelte auch für die Zustellung auf dem Land, in kleinen Dörfern, in denen zum Beispiel der tägliche Linienbus alle Pakete mitbringen könnte – ähnlich wie der Postbus in der Schweiz. Gerd Seber:
„Wir müssen natürlich eine Fläche bedienen: Wenn jetzt, bildlich gesprochen, dieses Dorf auf dem Weg zu einer Kleinstadt liegt, in die wir ohnehin fahren, dann haben sie mit der Verlagerung dieser Menge auf den Postbus nicht viel gewonnen, weil wir fahren sowieso durch. Also Logistikplanung, Tourgebietsplanung ist wirklich ein sehr komplexes Planungsproblem und das hat halt viele Komponenten. Und wenn ich da einen Aspekt rausnehme, wird das andere weniger optimal, als es vorher war.“ 

Neue Konzepte auch für ländliche Gebiete

Viel ungenutztes Potential dagegen sieht Tom Assmann von der Universität Magdeburg für die ländlichen Gebiete.

„Es gibt auch eben diese Ansätze von mobilen Supermärkten, Fahrbibliotheken und ähnliches. Wieso muss ich das immer nur in dieser einen Funktion denken? Wieso kann ich nicht sagen: Eine Fahrbibliothek kann auch andere Güter mitnehmen, die zur Versorgung der Personen vor Ort da sind?“
Logistik könne nämlich auch ländliche Strukturen stärken und nicht nur Probleme produzieren. Und White-Label-Lösungen, also die empfängergebündelte Zustellung mehrerer Dienstleister, sind für Assmann auf dem Land genauso denkbar wie in der Stadt. Tom Assmann:
„Auch das ist ein sinnvoller Ansatz, man hat eine White-Label-Paketstation die auch Menschen in den Dorfladen lockt, und dadurch, dass es die Menschen da hinlockt, um das Paket abzuholen, dann sagen die sich, dann nehme ich noch die zwei Sachen mit. Und weil Tante Irmgard gerade da sitzt, trinke ich mit Tante Irmgard noch einen Kaffee. Und der Auslöser dafür war eigentlich Logistik, die immer als das Böse gesehen wird, die dann auf einmal Leben und Aktivitäten ermöglicht.“

Und so viel scheint sicher: Der Paketversand wird weiter rasant steigen, prognostiziert der Bundesverband Paket und Logistik: Von 2018 bis 2028 um das Neunfache.