Katja Scherer: Um die Frage, wie Produkte hergestellt werden, geht es auch im nächsten Beitrag und zwar speziell mit Blick auf die Spielzeugbranche. Auch dort gibt es niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen – das kritisieren Nichtregierungsorganisationen schon länger. In Nürnberg haben Spielwarenhersteller, -händler und NGOs daher heute die sogenannte "Fair Toys"-Organisation gegründet, um sich für höhere Standards in der Branche einzusetzen.
Ich habe vor der Sendung mit Maik Pflaum von der Christlichen Initiative Romero gesprochen, der die Gründung mit initiiert hat und ihn gefragt: Schon jetzt gibt es auf dem Markt ja viele Hersteller, die zum Beispiel Spielzeug ohne Schadstoffe anbieten. Auf ökologische Kriterien scheinen also zumindest einige Hersteller zu achten. Wie sehr achten die Hersteller denn auch schon auf Fairness – also zum Beispiel angemessene Löhne?
Maik Pflaum: Also man kann das nicht abschließend beantworten, weil man es nicht genau weiß. Aber ich sag mal so, im Umkehrschluss die können nicht davon ausgehen, dass, wenn ein Unternehmen auf ökologische Standards Wert legt, dass dann auch bei den Arbeitsrechten alles in Ordnung ist. Also ich schließe es nicht aus. Aber man kann nicht sagen, dass es so ist.
"Missstände sehr genau dokumentiert"
Scherer: Das klingt so, als wäre dieses ganze Thema fair hergestellte Produkte in der Branche so ein bisschen eine Blackbox. Man weiß eigentlich nicht genau, wer was macht. Ist das so?
Pflaum: Das ist genau der Punkt genau. Wir haben ja jetzt auch einige Unternehmen kennengelernt, die jetzt seit zwei, drei Jahren bei unserem Prozess mitarbeiten. Und da ist die Vermutung schon sehr naheliegend, dass die sich bemühen, im Bereich Ökologie, im Bereich Arbeitsrechte. Aber ich habe das 20 Jahre mindestens im Bereich der Bekleidungsindustrie sehr, sehr intensiv alles bearbeitet. Und solange sie nicht über ein verlässliches Kontrollsystem verfügen, ist alles andere Glaubenssache oder Spekulation.
Scherer: Wenn man so wenig weiß über das Thema. Woher wissen Sie denn dann, dass es Probleme gibt und auch, was für Probleme es eigentlich gibt bei der Herstellung von Spielzeug?
Pflaum: Sie haben schon zahlreiche Studien in Auftrag gegeben, wo Arbeiter und Arbeiterinnen in Fabriken in China mitgearbeitet haben. Also die haben sich extra deswegen anstellen lassen. Und die haben dann ganz genau dokumentiert, wie die Arbeitsbedingungen sind. Und die waren in der Regel verheerend. Also das war ein extrem lange Überstunden. Das waren Löhne, die nicht Grundbedürfnis befriedigend sind. Unhygienische Zustände in den Schlafräumen. Da waren teilweise zwölf, 14 Menschen in einem Raum. Also die Missstände, die haben wir sehr genau dokumentiert. Aber jetzt eben dieser Umkehrschluss, dass man weiß, wer unter guten Bedingungen produziert, das existiert noch nicht.
"Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten des auftraggebenden Unternehmens"
Scherer: Wie genau wollen Sie das denn jetzt mit ihrer Organisation angehen, dass man das künftig besser weiß?
Pflaum: Ja, wir wollen das sehr genau angehen. Und wir haben auch einen neuen Ansatz. Weil es gibt schon circa zwei Kontrollsysteme für die Spielzeugindustrie, aber die haben sich bei unseren Studien immer als unzureichend erwiesen. Also da waren die Fabriken nach diesen zwei Systemen - das eine ist vom Weltverband der Spielwarenindustrie, das andere ist Amfori BSCI - da waren die zertifiziert.
Aber die Arbeitsrechtsverletzungen sind genau dokumentiert worden. Also die haben nicht gegriffen. Und wir haben jetzt diesen neuen Ansatz, den wir uns aus der Bekleidungsbranche abgeschaut haben, dass man weggeht von dem Schwerpunkt auf Fabrikkontrollen und hingeht zu den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten des auftraggebenden Unternehmens. Also: Wie wird beschafft, welche Schulungen finden statt? Wie sind die Lieferfristen und so weiter? Das heißt, wir wollen zuerst mit den Auftraggebern hier in Deutschland arbeiten, und wenn die so einkaufen, dass Arbeitsrechte möglich sind, dann macht es natürlich auch Sinn, dass man Fabrikkontrollen durchführt. Aber ich sag‘ mal eher als Stichprobe und nicht als das Mittel der Wahl.
Scherer: Das heißt. für Verbraucher soll das Ganze so werden, dass man später weiß, wenn ein Unternehmen dieses Kontrollsystem durchlaufen hat, dann kann ich das guten Gewissens kaufen und muss nicht mehr irgendwie drei Stunden im Internet recherchieren, ob es da mal irgendeine schlechte Studie sozusagen dazu gab?
Pflaum: Genau. Wir wollen mittelfristig ein Ziel auf den Markt bringen, wo - und das ist auch wichtig - das Gesamtunternehmen bewertet wird. Also wir wollen jetzt nicht für ein, zwei Produkte von hundert dann das Siegel vergeben, sondern das gilt für das Gesamtunternehmen. Und wenn sie dann bei einem Unternehmen kaufen, dass dieses Siegel hat, dann können Sie davon ausgehen, dass menschenrechtliche Sorgfaltspflichten eingehalten wurden.
Scherer: Wie lange wird es dauern, bis so ein Siegel auf dem Markt ist und ich das als Verbraucher anwenden kann?
Pflaum: Ich glaube, das dauert mindestens zwei Jahre. Das ist für manche enttäuschend, weil es noch so lange hin, dass aber wir wollen ja was Seriöses bieten. Und dann wollen wir eben auch, dass es das hält, was es verspricht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.