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Lifestyle-Phänomen #vanlife
Aussteigen mit Hashtag

Im Kleinbus leben, an idyllischen Stränden campen, unter Sternen schlafen - Aussteiger ohne festen Wohnsitz, die in Campern leben, teilen ihre Erlebnisse in sozialen Medien unter #vanlife. Ein US-Amerikaner erfand 2011 den Hashtag. Mittlerweile gibt es über 1,6 Millionen Beiträge zum Thema auf Instagram.

Von Peter Backof |
    Eine Frau sitzt an ihrem Campingbus am Wasser und genießt die Sonne.
    Bulli-Idylle - Einsteigen zum Aussteigen (imago / Westend61)
    Der Klang der großen Freiheit: ein luftgekühlter Boxer-Motor! Der vom T3. Nicht Terminator 3, sondern der alte Bulli von VW, "V Dabbeljuh", wie die Amis sagen, da kriegen manche Wanderlust und gehen mit ihrem Kindergarten auf Achse.
    "Leute, die Qualitätszeit verbringen möchten. Es ist wie eine gottverdammte neue Existenz - und außerdem irgendwie eine Revolution, weißte", sagt Foster Huntington, so ein Mann in den Bergen, irgendwo in Oregon.
    Huntington erfand 2011 den Hashtag #vanlife. Er bedeutet, dass man seine Erlebnisse auf mehr oder weniger langen Touren mit Campingmobilen als Foto oder Video ins Netz stellt und - dafür ist der Hashtag gut - für andere auch unbedingt auffindbar macht. So kann man sich dann verabreden, zum Van-Mob und mit anderen Bullis in einer Wagenburg stehen.
    Aussteiger-Marketing
    "Hey, du bist doch der Typ aus dem Internet!? - Ja, genau der! Und ich hoffe, dass noch viel mehr Leute aussteigen, weil man es verdammt noch mal tun muss."
    Auf Instagram gibt es mittlerweile über 1,6 Millionen Beiträge zum Thema Vanlife - ich oder wir, mit dem Bulli, irgendwo in der Pampa, Prärie, im Pinienwald - egal: Hauptsache Performance! Wenn man sich Videos davon ansieht, fällt auf, dass da immer und obligatorisch Werbespots von Autoherstellern vor- oder zwischengeschaltet sind.
    VW wirbt gerade:"70 Jahre Bulli - the Next Generation." Und Vanlifer werben auch - mit Product Placement. Das ist ja gerade das spezifisch Neue: Dass man bei signifikanten Klickzahlen für einen Internetbeitrag auch Geld bekommen kann - und so den Ausstieg auch refinanzieren kann?
    "Bullileben kann nerven"
    "The Next Generation: Unsere Kinder werden da weiter sein", sagt ein Vanlife-Protagonist mit zwei Kleinkindern auf dem Arm.
    Ist das ein Phänomen mit Potenzial? Oder ist es nur Mode und inszenierte Attitüde?
    "Bullileben kann nerven. Es kann sogar total abnerven. Alle Sachen werden nass. Und bleiben nass. Du fängst an, zu stinken."
    Zehn Dinge, die an Vanlife nerven, haben die Blogger von "Kombi Life" als Buch zum Download zusammengestellt. Mobil arbeiten, überall? Ach, wieder kein Netz! Wildcampen ist verboten, in Oregon wie auch in der Sächsischen Schweiz? Na so was! Die Zahl realer Aussteiger dürfte mit jedem dieser zehn Punkte zusammenschrumpfen, bis auf die, die ohnehin schon im Bulli leben, oft seit Jahrzehnten und ganz ohne Hashtag.
    Der Autor des Beitrags, Peter Backof, als junger Mann mit Freunden und seinem Bulli - 1989 in der Türkei aufgenommen (Bild: Peter Backof)
    1989 unternahm auch Autor Peter Backof einen abenteuerlichen Bulli-Trip - der endete mit einem kaputten Bulli nahe der syrischen Grenze (Peter Backof)
    Wobei: Auf #vanlife sieht man meistens junge Leute in ihren Zwanzigern, mit strahlend erwartungsfrohen Augen. Wieso sollten die Generationen T 1 bis 5 der T6 alles madig machen? Ausstieg mit dem Bulli, das bleibt Kult, auch wenn die Vision vom anderen Leben nach ein paar Wochen im Sommer wieder vorbei ist.