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Buch "Das weiße Denken"
Lilian Thurams Kampf gegen den Rassismus

Rekordnationalspieler der französischen Nationalmannschaft und Weltmeister 1998: So kennt man Lilian Thuram, der als kleiner Junge aus Guadeloupe nach Frankreich kam und dort Fußballer wurde. Doch nicht nur seine Karriere auf dem Fußballplatz, auch sein Einsatz gegen Rassismus ist bemerkenswert.

Von Benedikt Kaninski |
Lilian Thuram bei einer Diskussionsrunde in München.
Lilian Thuram bei einer Diskussionsrunde in München. (IMAGO / SKATA)
Am Ende einer Fußballkarriere stellt sich für Profi-Spieler die Frage, wie es weitergeht. Viele arbeiten als Experten beim Fernsehen oder machen eine Ausbildung zum Trainer. Andere verschwinden auch ganz von der öffentlichen Bühne. Bei Lilian Thuram will hingegen seine Bekanntheit nutzen, um gegen Rassismus vorzugehen.
"Ein 18-Jähriger bringt in den USA einen Schwarzen um. Es gibt so viele Menschen, die das akzeptieren. Warum gibt es Menschen, die rassistische Politik unterstützen? Warum gibt es diesen Hass? Und es ist die Geschichte. Seit Jahrzehnten wird das Bild der Rassen produziert und verbreitet."

Thuram in französischen Integrationsrat berufen

Schon während seiner aktiven Karriere als Fußballer hat sich Thuram gegen Rassismus eingesetzt und wurde in den französischen Integrationsrat berufen. Seine persönlichen Erfahrungen mit rassistischen Äußerungen prägen den mittlerweile 50-Jährigen seit er als Kind nach Frankreich kam und in einer Banlieue aufwuchs.

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"Als ich im Alter von neun Jahren nach Paris kam, wurde ständig meine Hautfarbe thematisiert. Weil es mir immer wieder gesagt wurde. Ich heiße Lilian, meine Mutter hat mich Licaut genannt. Es gab keinen Grund daher auf die Hautfarbe zu schließen. Noch einmal: wir waren Kinder. Und in dieser Kindergruppe war ich im Grunde der einzige, der schwarz war. Von da an stellte ich mir diese Frage und ich begann zu verstehen, welche Kraft Rassismus hat."

Fußball wichtig für Kampf gegen Rassismus

2008 gründete er nach seinem letzten Spiel als aktiver Fußballer die Stiftung „Fondation Lilian Thuram – Éducation contre le racisme“. Er glaubt, dass der Fußball und seine Wirkung für den Kampf gegen Rassismus wichtig sein könnte. Die FIFA und UEFA präsentieren ihn gerne als weltoffen und bunt. Lilian Thuram ist überzeugt, dass mehr dazu gehört als Werbebanden und beschriftete T-Shirts.
"In der Welt des Fußballs verurteilt die große Mehrheit den Rassismus nicht. Die meisten Menschen tun so, als könnten sie nichts dagegen tun. Das ist interessant und ich sage ganz klar: Hört auf eure Augen zu verschließen. Hört auf zu denken, ihr könnt bei dem Thema neutral sein. Beim Thema Rassismus gibt es keine Neutralität. Wenn man sagt, dass man neutral ist unterstützt man, dass die Dinge so bleiben wie sie sind."

"Jeder, der schweigt, ist mitverantwortlich"

Aber Lilian Thuram will auch abseits vom Fußballplatz für Verständnis und Gleichberechtigung in der Gesellschaft sorgen. Rassismus gehe jeden etwas an. "Jeder von uns, der schweigt, ist mitverantwortlich. Wenn sich etwas ändern soll, muss jeder sagen, dass dieses Verhalten inakzeptabel ist. Die richtige Frage ist, warum es bisher nur so wenig tun."
"Pensee blanche" - "Das weiße Denken. So heißt Lilian Thurams neues Buch, dass vor wenigen Wochen in Deutschland erschienen ist. Darin beschreibt er, wie das Denken in Kategorien zwischen schwarz und weiß entstanden ist und, dass diese Denkweisen abgelegt werden müssen.
"Wir haben die Idee hergestellt, dass weiße Menschen besser sind. Das ist nur eine Vorstellung. Wir konstruieren sie. Zum Beispiel, dass Gott weiß ist. Niemand hat Gott je gesehen, aber in der Vorstellung ist er weiß. Wenn man Kinder fragt: wie sieht Gott aus, dann bekommt man zu hören: Es ist ein weißer Mann mit einem weißen Bart. Wir sehen also, wie tief verankert dieses weiße Denken ist."

"Seid wachsam und reflektiert"

Das Buch „Das weiße Denken“ ist ein weiterer Teil von Lilian Thurams Kampf gegen den Rassismus. Er hofft, dass in Zukunft nicht mehr diejenigen entscheiden, die mit Rassismus selbst nie konfrontiert waren.
"Das Buch sagt den Menschen: Seid wachsam und reflektiert und stellt euch eine Frage. Warum denke ich, wie ich denke? Warum sage ich was ich sage? Warum lasse ich diese Dinge zu? Es ist mit der Geschichte verbunden. Und mit der Konditionierung, die wir bekommen haben. Von Generation zu Generation. Die uns suggeriert, dass es nicht schlimm ist, wenn wir diese Menschen verletzen."
Aktuell reist Thuram für Lesungen durch ganz Europa. Er will versuchen, seine Botschaft für Gleichberechtigung und Solidarität möglichst vielen Menschen mit auf den Weg zu geben.
Das Buch „das weiße Denken“ ist für 22 € als Taschenbuch erhältlich und im Nautilus Verlag erschienen.