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Linde plant teuerste Übernahme seit sechs Jahren

Linde will durch einen milliardenschweren Zukauf sein Medizingeschäft deutlich ausbauen. Der Anlagenbauer und Industriegasehersteller legt 3,6 Milliarden Euro für den US-amerikanischen Sauerstoff-Geräte-Anbieter Lincare auf den Tisch.

Von Michael Braun |
    Einmal wollte Linde schon weg vom reinen Anlagenbauer und Industriegasehersteller rein in das Endkundengeschäft: "Fred Butler" hieß die Reinigungskette, die das Gewerbe revolutionieren sollte, weil dort nicht mit Wasser, sondern mit Kohlendioxid gereinigt wurde. Linde hat die Geschäfte geschlossen.

    Aber der Megatrend, dass die Menschen älter, therapiebedürftiger und bereit sein werden, dafür Geld auszugeben, an dem will Linde teilhaben. Schon vor wenigen Monaten hatte der Münchner Konzern für rund 590 Millionen Euro vom amerikanischen Wettbewerber Air Products das Geschäft mit Beatmungs- und Schlaftherapien in verschiedenen europäischen Ländern erworben. Das war nur der Anfang. Jetzt will Linde 4,6 Milliarden Dollar oder umgerechnet 3,6 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um den Sauerstoff-Geräte-Anbieter Lincare aus Florida zu übernehmen. Bis zu 1,5 Milliarden Euro, also etwa 40 Prozent des Kaufpreises, wolle Linde über eine Kapitalerhöhung hereinholen, hieß es heute in einer Telefonkonferenz.

    Analysten waren nicht nur begeistert über Objekt und Preis. Hans-Peter Wodniok von Fairesearch:

    "Also, ich finde schon den Preis recht ambitiös. Lincare hat ja im vergangenen Jahr, also 2011, einen leichten, aber immerhin: Gewinnrückgang einstecken müssen. Und im ersten Quartal des jetzt laufenden Jahres hat es keine Verbesserung gegeben. Und dann Gewinnmultiples zu zahlen, die also auch relativ deutlich über denen von Linde selbst liegen, ist schon ambitiös. Wenn man dann auch die Kapitalerhöhung einbezieht, wird der Gewinn pro Aktie sicherlich niedriger liegen in 2013 als es im Moment der Fall ist."

    Linde will den Preis bezahlen. Denn zusammen mit Lincare wird Linde weltweit führend im Geschäft mit Medizingasen und vor allem mit den Geräten und Dienstleistungen rund um die Versorgung von Menschen, die unter Atemwegskranken erleiden und zu Hause mit Sauerstoff und Inhalations- oder Schlaftherapien behandelt werden. Derzeit werden mit Medizingasen und dem dazu gehörenden Service nach Angaben von Linde weltweit zwölf Milliarden Euro umgesetzt. Zwei Drittel davon mache die Versorgung von Patienten zu Hause aus, die beispielsweise lungenkrank sind und deshalb über Beatmungsgeräte mit Sauerstoff versorgt werden müssen.

    Ja, geben auch Skeptiker wie Hans-Peter Wodniok zu, weil es um die Gesundheit der Menschen gehe und dies keine Konjunktur kenne, strebe Linde in ein nach Umsatz und Ertrag ein sehr stabiles Geschäft:

    "Ja, im Prinzip ist das Geschäft natürlich sehr stabil. Patienten- oder Gesundheitsgeschäft ist viel stabiler als das meiste Industriegeschäft. Von daher stabilisiert das oder reduziert es die Zyklen im Linde-Konzern noch weiter – obwohl das Gasgeschäft auch schon relativ antizyklisch ist."

    Zudem verdoppelt Linde mit Lincare seinen Umsatz im Gase-Geschäft in Nordamerika. Nostalgie hat bei der Investitionsentscheidung keine Rolle gespielt. Aber die Zukunft von Lincare, wenn die Übernahme klappt, wäre eine Rückkehr in die Vergangenheit: Lincare, die erste Silbe des Firmennamens deutet darauf hin, ist aus dem Amerikageschäft von Linde im frühen 20. Jahrhundert hervorgegangen. Während des ersten Weltkrieges wurde Linde enteignet. Das Amerikageschäft gehörte seit 1917 lange zum amerikanischen Chemiekonzern Union Carbide.