Britta Fecke: Sprache bietet eine Möglichkeit, die Realität zu beschreiben. Wer benannt wird, der existiert, wird ins Bewusstsein gerückt. Wer unerwähnt bleibt, wird vergessen. Das gilt nicht nur für Namen, sondern auch für das Geschlecht. Wer immer nur von Ärzten, Anwälten oder Bäckern spricht, der lässt die Ärztin, Anwältin oder Bäckerin unerwähnt.
Nun gibt es den Einwand, dass das generische Maskulinum, also Bäcker und Ärzte, stellvertretend für Männer und Frauen gilt. Doch tatsächlich zeigte eine Studie über die Auswirkung einer geschlechtsgerechteren Sprache, wie wichtig die Erwähnung der weiblichen Personengruppe ist. Befragt wurden SPD-Mitglieder, wen sie sich für das Amt des Bundeskanzlers vorstellen könnten. Die Gruppe, die nur nach einem potenziellen Bundeskanzler befragt wurde, nannte auch nur Männer. Die Gruppe, die nach einem potenziellen Bundeskanzler oder einer Kanzlerin befragt wurde, nannte Männer und Frauen.
Ich bin nun verbunden mit dem Linguist Professor Peter Eisenberg von der Universität Potsdam. Herr Eisenberg, wie lässt sich denn die Existenz der weiblichen Form in unserer Sprache elegant verankern?
Peter Eisenberg: Frauen sollten hörbar oder sichtbar in der Sprache sein, am besten beides. Es gibt zwei Strategien: Das eine ist, dass man überhaupt das grammatische Geschlecht vermeidet. Das ist so was, wie wenn man sagt, hier ist eine Professur zu besetzen. Oder indem man Formen verwendet, die Frauen besonders thematisieren. Das ist die berühmte Professorin.
Fecke: Es gibt aber Nomen, die können sich nicht in die weibliche Form umwandeln lassen, wenn ich zum Beispiel an Flüchtling denke. Die Flüchtlingin gibt es ja nicht. Was dann?
Eisenberg: Ja. Wenn man das Wort Flüchtling verwendet, dann meint man damit Männer und Frauen. Das ist die logische Konsequenz. Der Ausweg über Geflüchtete ist nicht gangbar. Das ist eine Sprachmanipulation, die nicht hingenommen werden kann, jedenfalls nicht von einem Sprachwissenschaftler. Ein Flüchtling ist was vollkommen anderes als ein Geflüchteter. Und wenn Sie so etwas machen wie ein Studierender versus ein Student, oder nehmen Sie mal einen Fahrer – heute spricht man dauernd von Fahrenden. "Der Fahrende von Willy Brandt war nicht immer nüchtern." Da sehen Sie das ganz deutlich, dass es nicht dasselbe ist.
Bei anderen Wörtern ist es etwas komplizierter, das einzusehen, aber es ist immer etwas anderes, wenn Sie das Partizip nehmen als die suffigierte Form, wie wir sagen, also die Form mit "-er" hinten wie Bäcker oder mit "-ling" wie Flüchtling oder Säugling. Ein Säugling ist auch nicht dasselbe wie ein Gesäugter. Dann ist es eben so und jemand, der sich erdreistet, in einer der größten Sprachen Europas Formen einzuführen, die es nicht gibt und sie dann zu verordnen, der hat doch irgendwie ein schräges Verhältnis zur Demokratie. Das sind Leute, die sind gewählt worden, um den Willen ihrer Wähler zu verwirklichen. Und was machen sie als Erstes: Sie wollen die erziehen.
Es gibt niemanden, der das Recht hat, in eine Sprache einzugreifen. Das ist das Credo, was ich hier gleich mal zum besten geben möchte. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man nicht Frauen sichtbar machen will.
"Es gibt niemanden, der das Recht hat, in eine Sprache einzugreifen"
Fecke: Was halten Sie denn unter ästhetischem Gesichtspunkt von dieser Paarform, dass man von Bäcker und Bäckerin spricht, Arzt und Ärztin? Oder verlängert das Sätze auf ein unzulässiges Maß?
Eisenberg: Nein. Das ist eine Redeweise, die ist grammatisch vollkommen in Ordnung. Sie ist von der Bedeutung her nicht vollkommen in Ordnung, weil die Frauen hier zweimal auftauchen. Mit Bäcker ist ja das Handwerk gemeint und alle Mitglieder dieses Handwerks. Da sind natürlich Männer und Frauen gemeint. Es gibt auch Kontexte, in denen es nicht funktioniert. Das ist Ihr Beispiel Kanzler versus Kanzlerin. Das hat spezielle Gründe. Aber der Bäcker hat, was das natürliche Geschlecht betrifft, keine spezielle Bedeutung. Er ist in der Beziehung neutral, genauso wie etwa die Person eine neutrale Bedeutung hat und sich nicht nur auf Frauen bezieht. Deswegen haben wir bei Bäcker und Bäckerin Frauen besonders sichtbar, wogegen ich gar nichts habe. Nur soll man nicht so tun, als sei das Deutsche bis zur Erfindung dieser Movierungsbewegung Anfang der 80er-Jahre eine vollkommen male-chauvinistische Sprache gewesen. Das ist nicht so.
"Die Form gibt es nicht, die ist frei erfunden"
Fecke: Sie sprechen schon die 80er-Jahre an. Vielleicht war das auch die Zeit, als dieses Binnen-I auftauchte, GärtnerInnen. Was halten Sie als Linguist von dieser femininen Personenbezeichnung?
Eisenberg: Ich halte davon gar nichts, weil die Form gibt es nicht. Die ist frei erfunden und sie hat sich sehr problematisch entwickelt. Wir haben heute nicht nur das große I, sondern wir haben den Schrägstrich, wir haben den Unterstrich und wir haben vor allen Dingen das unsägliche Gender-Sternchen, das in Berlin in den Bezirken jetzt teilweise obligatorisch gemacht werden soll. Und das bedeutet nichts anderes, als wenn Sie einen Schriftsatz im Bezirksparlament von Berlin-Mitte oder von Berlin-Lichtenberg – da ging es los – einreichen. Dann schmeißen die das in den Papierkorb. Sie erkennen nur noch Texte an, die nach ihrer Regel, die es im Deutschen nicht gibt, die frei erfunden ist, einen gegenderten Text enthält. Da muss man rechtlich gegen vorgehen, meiner Meinung nach, kann man auch. Solche Eingriffe in die Sprache sind typisch für autoritäre Regimes, aber nicht für Demokratien.
"Keine Zumutung, wenn man ein bisschen Aufwand dafür treibt"
Fecke: Was wäre Ihre Empfehlung? Wie kann man Frauen sichtbar machen, ohne die Sprache zu schänden?
Eisenberg: Entweder man spricht ganz personenunabhängig, oder man macht sich die Mühe, wenn es darauf ankommt, die Personen zu benennen, und spricht dann von weiblichen Studenten. Dagegen ist gar nichts zu sagen. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, Studentinnen und Studenten ist akzeptabel, ist ein bisschen problematisch, aber ist akzeptabel, weil es immerhin noch sich innerhalb der deutschen Grammatik bewegt. Da sind keine ungrammatischen oder frei erfundenen oder autoritär verordneten Formen drin, sondern das ist eine Formel, die es im Deutschen gibt. Die ist ein bisschen umständlich, aber wenn man etwas verändern will, dann ist es doch keine Zumutung, wenn man ein bisschen Aufwand dafür treibt.
Fecke: Wie gelingt die richtige grammatische Geschlechterzuweisung - eine Gebrauchsanweisung war das von Peter Eisenberg vom Institut für Germanistik an der Universität Potsdam.
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