Sandra Schulz: Aufatmen in Europa, es war nur ein kurzer Moment der Leichtigkeit vor etwa eineinhalb Wochen nach der Wahl in Griechenland, als sich abzeichnete, dass der Euro zumindest nicht sofort auseinanderbricht. Aber der Druck der Schuldenkrise, er ist unvermindert. Spanien und Italien ächzen unter dem Druck der Finanzmärkte, Griechenland sowieso, diese Woche musste Zypern als das fünfte Land unter den Rettungsschirm, und darum wächst der Druck auf die größte Volkswirtschaft in Europa, auf Deutschland, auf die Bundesregierung, und die gibt den Druck zurück - so zum Beispiel die Kanzlerin gestern in ihrer Regierungserklärung, in der sie die Pläne der Vierergruppe aus EU-Ratsvorsitzendem van Rompuy, Kommissionspräsident Barroso, Eurogruppenchef Juncker und EZB-Präsident Draghi scharf kritisiert hat, diese setze zu sehr auf eine Vergemeinschaftung der Schulden. Eine ungewöhnlich scharfe Konfrontation, und das ist die Ausgangslage für den Brüsseler Gipfel heute und morgen, und darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon begrüße ich Michael Link von der FDP, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Guten Morgen!
Michael Link: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Von einer "Vertiefung der europäischen Integration" ist jetzt die Rede. Aber so zerstritten, wie Europa im Moment ist, ist das der richtige Moment, um zusammenzurücken?
Link: Die Vertiefung der Integration, über die wir ja schon lange reden und über die die Kanzlerin und der Außenminister schon immer wieder Vorschläge, auch konkrete Vorschläge gemacht haben, die ist ja ein Punkt, den wir brauchen, zunächst mal auch unabhängig von der aktuellen Schuldenkrise und Staatsschuldenkrise, denn wir merken ja, dass wir in der EU mit 27 einfach schneller handlungsfähig sein müssen. Deshalb brauchen wir auch eine vertiefte Integration und ich finde, die Schuldenkrise hat noch mal gezeigt, dass wir auch die Art und Weise, wie wir entscheiden, verbessern müssen.
Schulz: Und dass das politisch so gut klappt, das hat man auch gestern daran gemerkt, dass die Kanzlerin die EU-Spitzen abgewatscht hat?
Link: Zunächst einmal hat die Kanzlerin das auch öffentlich gesagt, was wir intern seit langer Zeit schon zu denjenigen, die Eurobonds und andere Formen der gemeinsamen Verschuldung fordern, gesagt haben. Wenn man in einer Situation klar kommunizieren muss, dann, denke ich, ist es auch wichtig, das zu tun, das auch so zu tun, dass man immer wieder deutlich macht, wir sind bereit zu Solidarität und wir sind bereit auch zu helfen. Aber wenn wir von einem Instrument wie der gemeinschaftlichen Haftung und der gemeinschaftlichen Schulden nicht überzeugt sind, dann sollte man das auch sehr deutlich sagen.
Schulz: Wie hilfreich war der Satz von Angela Merkel Anfang der Woche, der zitiert wird, eine gesamtschuldnerische Haftung werde es nicht geben, solange sie lebt?
Link: Na ja, der Nachsatz, ich glaube, der wird ein bisschen jetzt hochgespielt. Ich war selber nicht in der Fraktionssitzung dabei, der ist auch nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist die Aussage, eine gesamtschuldnerische Haftung wird es mit dieser Bundesregierung nicht geben, weil wir eben wie gesagt überzeugt sind, dass nicht das gemeinsame Haften und gemeinsame Schulden machen uns aus dieser Krise bringen kann, sondern eben nur der Dreiklang aus Schuldenabbau, Wachstumsimpulsen und Solidarität, und deshalb wollen wir jetzt ja auch so schnell als möglich zum Beispiel den ESM verabschieden, morgen im Bundestag, damit er und seine Instrumente auch wirklich konkret wirksam werden können.
Schulz: Aber die Autoren, die Vierergruppe aus der EU-Spitze, die sind der deutschen Haltung doch schon entgegengekommen. Das Wort Eurobonds, was in Berlin ja ein Reizwort ist, das kommt gar nicht vor, und Sie sagen selbst, es soll eine klare Haushaltskontrolle in den Staaten geben, die soll auch etabliert werden. Das will die Bundesregierung eigentlich auch. Warum denn eigentlich diese Konfrontation?
Link: Es würde dann sehr konfrontativ aussehen, wenn es keine Vorgeschichte gäbe, und wir befinden uns ja mit den letzten Gipfeln der Europäischen Union immer wieder in der Situation, dass regelmäßig der Ruf nach einer gemeinsamen Verschuldung kommt. Den haben wir x-mal diskutiert, wir sind weiterhin aber aus inhaltlichen, übrigens auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht überzeugt, dass eine gemeinschaftliche Haftung, eine gesamtschuldnerische Haftung in irgendeiner Weise die Krise besser lösen könnte. Wenn Sie helfen wollen - und Deutschland möchte helfen, denn wir sollten mehr darüber sprechen, was wir tun wollen, und nicht, was wir nicht tun wollen -, wenn man helfen will, gezielt helfen will, dann geht man ja auch nicht her und eröffnet zusammen ein Konto, sondern man gibt gezielte Hilfen. Und das, was Barroso und van Rompuy vorgeschlagen haben, läuft letzten Endes bildlich gesprochen auf die Eröffnung gemeinsamer Kreditlinien hinaus. Das aber wird weder für Vertrauen an den Märkten sorgen, noch wird es die hinter der Krise liegenden Ursachen bekämpfen, und da möchten wir gerne heran. Deshalb unterstützen wir alles, was an gemeinsamen Kontrollrechten in der Haushaltspolitik kommt, und alles auch, was an besserer, effizienter Koordinierung der Wirtschaftspolitik kommt. Da müssen wir heran, da ist Deutschland bereit, auch sehr solidarisch und auch zusätzlich etwas zu tun, aber eben nicht mit dieser Schlagseite der Vergemeinschaftung von Schulden.
Schulz: Gleichzeitig ist es doch aber so: diese strikte deutsche Ablehnung der Eurobonds, die wird in Europa natürlich als, wenn man es freundlich sagen will, vielleicht Egoismus, wenn man es unfreundlich sagen will, Nationalismus gewertet. Wie soll man denn in dem Klima das politische Zusammenrücken moderieren?
Link: Da kann ich wirklich versichern, dass das in Europa sehr unterschiedlich gesehen wird. Deutschland ist, anders als es oft den Eindruck macht, wenn man die Berichterstattung verfolgt - nicht bei Ihnen, aber insbesondere in manchen Medien -, Deutschland ist überhaupt nicht isoliert. Wir haben sehr viel Unterstützung für unsere Positionen; nur es wird natürlich erwartet, dass wir als größter Staat der Eurozone und auch als größter Staat der Europäischen Union mit unserer Meinung vorangehen. Wir haben sehr viel Unterstützung und, was vielleicht das Wichtigste ist, wir haben vor allem unsere Position immer klar bei den Partnern kommuniziert. Diese Position, die die Kanzlerin gestern eingenommen hat, die auch der Außenminister immer wieder eingenommen hat, kommt für niemanden überraschend. Überraschend ist, dass andere immer wieder Instrumente vorschlagen, von denen wir immer gesagt haben, dass sie nicht gehen, nämlich eine gesamtschuldnerische Haftung.
Schulz: Aber wir haben jetzt die Ausgangslage, dass Spanien unter den hohen Zinsen ächzt, fast sieben Prozent, gestern hat Ministerpräsident Rajoy noch mal vor der Pleite gewarnt, und Deutschland muss im Moment so gut wie gar nichts zahlen, um Geld aufzunehmen. Mit welchem Argument soll Angela Merkel ihren europäischen Partnern denn erklären, dass das so auch genau richtig ist?
Link: Zum Beispiel mit dem Argument, dass andere Länder wie Portugal und Irland, die seit längerer Zeit unter dem Rettungsschirm sind und sehr engagierte Reformbemühungen machen, auch zum Beispiel gerade bei den Spreads, bei den Zinssätzen auch schon wieder besser dastehen. Der Punkt mit den Zinssätzen - und Spanien hat sich ja auf den Weg gemacht, ein sehr engagiertes Reformprogramm zu machen - braucht auch gewisse Zeit. Man darf nicht denken, dass es irgendwelche Zauberformeln gibt, schon gar nicht politische Beschlüsse, die über Nacht die Probleme lösen. Der Zeitfaktor ist wichtig, und genau deshalb sind wir bereit, Spanien massiv zu unterstützen, über den EFSF, über den ESM, und wir begrüßen, dass Spanien jetzt einen Antrag dort gestellt hat.
Schulz: Michael Link (FDP), Staatsminister im Auswärtigen Amt und heute in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk im Interview. Haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.
Link: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Michael Link: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Von einer "Vertiefung der europäischen Integration" ist jetzt die Rede. Aber so zerstritten, wie Europa im Moment ist, ist das der richtige Moment, um zusammenzurücken?
Link: Die Vertiefung der Integration, über die wir ja schon lange reden und über die die Kanzlerin und der Außenminister schon immer wieder Vorschläge, auch konkrete Vorschläge gemacht haben, die ist ja ein Punkt, den wir brauchen, zunächst mal auch unabhängig von der aktuellen Schuldenkrise und Staatsschuldenkrise, denn wir merken ja, dass wir in der EU mit 27 einfach schneller handlungsfähig sein müssen. Deshalb brauchen wir auch eine vertiefte Integration und ich finde, die Schuldenkrise hat noch mal gezeigt, dass wir auch die Art und Weise, wie wir entscheiden, verbessern müssen.
Schulz: Und dass das politisch so gut klappt, das hat man auch gestern daran gemerkt, dass die Kanzlerin die EU-Spitzen abgewatscht hat?
Link: Zunächst einmal hat die Kanzlerin das auch öffentlich gesagt, was wir intern seit langer Zeit schon zu denjenigen, die Eurobonds und andere Formen der gemeinsamen Verschuldung fordern, gesagt haben. Wenn man in einer Situation klar kommunizieren muss, dann, denke ich, ist es auch wichtig, das zu tun, das auch so zu tun, dass man immer wieder deutlich macht, wir sind bereit zu Solidarität und wir sind bereit auch zu helfen. Aber wenn wir von einem Instrument wie der gemeinschaftlichen Haftung und der gemeinschaftlichen Schulden nicht überzeugt sind, dann sollte man das auch sehr deutlich sagen.
Schulz: Wie hilfreich war der Satz von Angela Merkel Anfang der Woche, der zitiert wird, eine gesamtschuldnerische Haftung werde es nicht geben, solange sie lebt?
Link: Na ja, der Nachsatz, ich glaube, der wird ein bisschen jetzt hochgespielt. Ich war selber nicht in der Fraktionssitzung dabei, der ist auch nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist die Aussage, eine gesamtschuldnerische Haftung wird es mit dieser Bundesregierung nicht geben, weil wir eben wie gesagt überzeugt sind, dass nicht das gemeinsame Haften und gemeinsame Schulden machen uns aus dieser Krise bringen kann, sondern eben nur der Dreiklang aus Schuldenabbau, Wachstumsimpulsen und Solidarität, und deshalb wollen wir jetzt ja auch so schnell als möglich zum Beispiel den ESM verabschieden, morgen im Bundestag, damit er und seine Instrumente auch wirklich konkret wirksam werden können.
Schulz: Aber die Autoren, die Vierergruppe aus der EU-Spitze, die sind der deutschen Haltung doch schon entgegengekommen. Das Wort Eurobonds, was in Berlin ja ein Reizwort ist, das kommt gar nicht vor, und Sie sagen selbst, es soll eine klare Haushaltskontrolle in den Staaten geben, die soll auch etabliert werden. Das will die Bundesregierung eigentlich auch. Warum denn eigentlich diese Konfrontation?
Link: Es würde dann sehr konfrontativ aussehen, wenn es keine Vorgeschichte gäbe, und wir befinden uns ja mit den letzten Gipfeln der Europäischen Union immer wieder in der Situation, dass regelmäßig der Ruf nach einer gemeinsamen Verschuldung kommt. Den haben wir x-mal diskutiert, wir sind weiterhin aber aus inhaltlichen, übrigens auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht überzeugt, dass eine gemeinschaftliche Haftung, eine gesamtschuldnerische Haftung in irgendeiner Weise die Krise besser lösen könnte. Wenn Sie helfen wollen - und Deutschland möchte helfen, denn wir sollten mehr darüber sprechen, was wir tun wollen, und nicht, was wir nicht tun wollen -, wenn man helfen will, gezielt helfen will, dann geht man ja auch nicht her und eröffnet zusammen ein Konto, sondern man gibt gezielte Hilfen. Und das, was Barroso und van Rompuy vorgeschlagen haben, läuft letzten Endes bildlich gesprochen auf die Eröffnung gemeinsamer Kreditlinien hinaus. Das aber wird weder für Vertrauen an den Märkten sorgen, noch wird es die hinter der Krise liegenden Ursachen bekämpfen, und da möchten wir gerne heran. Deshalb unterstützen wir alles, was an gemeinsamen Kontrollrechten in der Haushaltspolitik kommt, und alles auch, was an besserer, effizienter Koordinierung der Wirtschaftspolitik kommt. Da müssen wir heran, da ist Deutschland bereit, auch sehr solidarisch und auch zusätzlich etwas zu tun, aber eben nicht mit dieser Schlagseite der Vergemeinschaftung von Schulden.
Schulz: Gleichzeitig ist es doch aber so: diese strikte deutsche Ablehnung der Eurobonds, die wird in Europa natürlich als, wenn man es freundlich sagen will, vielleicht Egoismus, wenn man es unfreundlich sagen will, Nationalismus gewertet. Wie soll man denn in dem Klima das politische Zusammenrücken moderieren?
Link: Da kann ich wirklich versichern, dass das in Europa sehr unterschiedlich gesehen wird. Deutschland ist, anders als es oft den Eindruck macht, wenn man die Berichterstattung verfolgt - nicht bei Ihnen, aber insbesondere in manchen Medien -, Deutschland ist überhaupt nicht isoliert. Wir haben sehr viel Unterstützung für unsere Positionen; nur es wird natürlich erwartet, dass wir als größter Staat der Eurozone und auch als größter Staat der Europäischen Union mit unserer Meinung vorangehen. Wir haben sehr viel Unterstützung und, was vielleicht das Wichtigste ist, wir haben vor allem unsere Position immer klar bei den Partnern kommuniziert. Diese Position, die die Kanzlerin gestern eingenommen hat, die auch der Außenminister immer wieder eingenommen hat, kommt für niemanden überraschend. Überraschend ist, dass andere immer wieder Instrumente vorschlagen, von denen wir immer gesagt haben, dass sie nicht gehen, nämlich eine gesamtschuldnerische Haftung.
Schulz: Aber wir haben jetzt die Ausgangslage, dass Spanien unter den hohen Zinsen ächzt, fast sieben Prozent, gestern hat Ministerpräsident Rajoy noch mal vor der Pleite gewarnt, und Deutschland muss im Moment so gut wie gar nichts zahlen, um Geld aufzunehmen. Mit welchem Argument soll Angela Merkel ihren europäischen Partnern denn erklären, dass das so auch genau richtig ist?
Link: Zum Beispiel mit dem Argument, dass andere Länder wie Portugal und Irland, die seit längerer Zeit unter dem Rettungsschirm sind und sehr engagierte Reformbemühungen machen, auch zum Beispiel gerade bei den Spreads, bei den Zinssätzen auch schon wieder besser dastehen. Der Punkt mit den Zinssätzen - und Spanien hat sich ja auf den Weg gemacht, ein sehr engagiertes Reformprogramm zu machen - braucht auch gewisse Zeit. Man darf nicht denken, dass es irgendwelche Zauberformeln gibt, schon gar nicht politische Beschlüsse, die über Nacht die Probleme lösen. Der Zeitfaktor ist wichtig, und genau deshalb sind wir bereit, Spanien massiv zu unterstützen, über den EFSF, über den ESM, und wir begrüßen, dass Spanien jetzt einen Antrag dort gestellt hat.
Schulz: Michael Link (FDP), Staatsminister im Auswärtigen Amt und heute in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk im Interview. Haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.
Link: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.