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Linken-Parteitag
Alles dreht sich um Gregor Gysi

Die Linkspartei diskutiert auf ihrem Bundesparteitag in Bielefeld über Kriegseinsätze, Hartz IV und die Griechenland-Politik. Doch unterschwellig geht es um die Zukunft von Fraktionschef Gregor Gysi. Der will morgen sagen, ob er weitermacht. Und bekommt Contra ausgerechnet von der Frau, die er zu seiner Nachfolgerin küren könnte.

Von Sandra Schulz | 06.06.2015
    Katja Kipping und Gregor Gysi lachen zusammen.
    Parteichefin Katja Kipping und Fraktionschef Gregor Gysi auf dem Bundesparteitag in Bielefeld. (dpa / Oliver Berg)
    Für ein paar Stunden war gar keine Rede von Gregor Gysi, obwohl die Frage nach seiner Zukunft den Parteitag überlagert. Abkehr von Hartz IV, Umverteilung von Vermögen, Stopp der Freihandelsabkommen TTIP und CETA – in ihrem Leitantrag fordert die Linke einen radikalen Politikwechsel. Harsche Kritik an der Griechenland-Politik zieht sich durch den Tag. Der Vorwurf von Parteichefin Katja Kipping: Die EU-Eliten wollten an Griechenland ein Exempel statuieren.
    "Es geht also nicht nur um Griechenland, sondern es geht um die Frage, ob Europa demokratisch genug ist, überhaupt noch Alternativen zum Neoliberalismus zuzulassen. Ja, Alexis Tsipras, Yanis Varoufakis, all unsere Freundinnen und Freunde von Syriza führen einen Kampf, der gleichermaßen unser Kampf ist, und sie nehmen dabei viele Entbehrungen auf sich."
    In der Flüchtlingspolitik fordert die Linke offene Grenzen für Menschen in Not. Eine Willkommenskultur will der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow:
    "Es sind zur Zeit 13.000 Flüchtlinge, und trotzdem marschiert Pegida, Sigida, Tügida und wie sie alle heißen auf und wollen angeblich das christliche Abendland verteidigen. Und wir brauchen viele Mitstreiter, damit wir die Flüchtlinge verteidigen gegen die, die angeblich das Abendland verteidigen wollen."
    Wagenknecht will an roten Linien in der Außenpolitik festhalten
    Und unausgesprochen geht es doch auch um Gregor Gysi. In der Diskussion um eine mögliche rot-rot-grüne Koalition im Bund hatte er jüngst gesagt, die Partei Die Linke brauche in der Außenpolitik keine überflüssigen roten Linien. Die Außenpolitik hält er nicht mehr für die größte Hürde für eine Koalition mit der SPD.
    Contra kommt von Sahra Wagenknecht. Sie sieht keinen Anlass, darüber nachzudenken, "ob es vielleicht schlimmere und weniger schlimme Kriegseinsätze gibt. Liebe Genossinnen und Genossen, Krieg ist das größte Menschenrechtsverbrechen, und deswegen kann es auch keine weniger schlimmen Kriege geben. Und es muss wenigstens eine Partei im Bundestag bleiben und im Bundestag sein, die den Mut noch hat, diese Wahrheit auszusprechen, und zwar völlig egal, ob das SPD und Grünen gefällt oder ob ihnen das nicht gefällt."
    Gerade beim linken Parteiflügel will Fraktionschef Gregor Gysi bei seiner Rede morgen für eine stärkere Orientierung hin zu Regierungsverantwortung werben. In welcher Rolle er diese Diskussion begleiten oder gar forcieren will, ob er seinen Rückzug von der Fraktionsspitze ankündigt – das allerdings wird bis morgen offen bleiben. Und auch heute wagt niemand eine öffentliche Prognose. Parteichef Riexinger zieht sich erneut auf diese Formel zurück:
    "Wir sind auf alle Konstellationen vorbereitet. Wenn er geht, werden wir Vorschläge machen, wie dann die Fraktionsführung aussehen soll. Wenn er bleibt, sind wir alle froh, weil er dann unserer Aufforderung gefolgt ist."
    Sollte Gysi gehen, wird mit einer Doppelspitze gerechnet. Als Wunschformation hatte er selbst die Parteilinke Sahra Wagenknecht und den Pragmatiker Dietmar Bartsch genannt. Der aber will, wie alle anderen, bis morgen abwarten:
    "Ich warte erst mal ab, was Gregor Gysi morgen sagen wird. Und danach können Sie gerne alle diese Fragen stellen und ich werde ordentlich antworten."
    Aber auch die Innenpolitikerin Martina Renner und der Außenpolitiker Jan van Aken werden genannt als Kandidaten für eine mögliche künftige Doppelspitze der Bundestagsfraktion der Linken.