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Linken-Politiker van Aken
"Nordkorea-Krise ist eine der größten Gefahren"

US-Präsident Donald Trump hat bei seiner Rede von der UNO damit gedroht, Nordkorea anzugreifen. Für Jan van Aken ist das Gefährliche an dem Konflikt, dass Trump darüber eigentlich einen Streit mit China austrage. Er warnte im Dlf, dass die Situation sehr schnell eskalieren könne.

Jan van Aken im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Jan van Aken (Die Linke)
    Jan van Aken (Linke) (dpa/picture alliance/Paul Zinken)
    Mario Dobovisek: Es war der erste Auftritt vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York und US-Präsident Donald Trump liefert gewissermaßen, was von ihm erwartet wird: Harsche Kritik an der UNO, an ihrer Ineffizienz, wie er sagt, und er findet markige Worte für den Iran und auch für Nordkorea. Dem, so wörtlich, "Raketenmann" in Pjöngjang droht er gar mit Krieg.
    Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel wird vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen sprechen. Doch schon jetzt gibt es Reaktionen aus Berlin, unter anderem auf die markigen Worte des US-Präsidenten.
    Darüber spreche ich jetzt mit Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, und er war selbst einst Waffeninspekteur für die Vereinten Nationen. Guten Tag, Herr van Aken.
    Jan van Aken: Einen schönen guten Tag.
    Dobovisek: Positioniert sich die Bundeskanzlerin klar genug gegenüber Donald Trump?
    van Aken: Na ja, sie hat ja schon völlig recht, wenn sie sagt, bei Nordkorea, das muss eine Verhandlungslösung sein. Aber ich glaube, wenn es um Donald Trump geht, muss man, glaube ich, viel deutlicher aussprechen – das gilt für Merkel genauso wie für Gabriel -, dass das eine pure nationalistische Politik ist. Auch seine Rede bei den Vereinten Nationen gestern, das war ja gar keine Rede an die Vereinten Nationen, das war eine Rede an das amerikanische Volk, so wie er es in Wahlkämpfen auch gemacht hat. Und ich glaube, diesen Nationalismus, den muss man viel stärker rausstellen, denn da steckt ja die eigentliche Gefahr hinter, gar nicht in seinem Stil und in seiner Rhetorik.
    "Kanzlerin immer besser als der Außenminister"
    Dobovisek: Hätte Merkel dann selbst nach New York reisen sollen, statt ihren Außenminister zu schicken?
    van Aken: Im Prinzip schon. Nur jetzt ist Wahlkampf und ich kann mir sogar vorstellen, dass die das untereinander ausgedealt haben. Natürlich wollten beide, Merkel und Gabriel, diese Bühne drei Tage vor der Wahl noch nutzen. Keine Ahnung wie, ob sie das gewürfelt haben oder ob sie da einen Deal gemacht haben. Aber natürlich politisch, wenn man jetzt mal den Wahlkampf rausnimmt, wäre es total sinnvoll gewesen, gerade in der Situation, wo die USA nur den puren Nationalismus betreiben, mit allen Risiken, die das hat, finde ich, muss Deutschland als einer der wichtigsten Staaten auf dieser Welt natürlich da eine klare Gegenposition zum Multilateralismus verkünden. Das kann die Kanzlerin immer besser als der Außenminister.
    Dobovisek: Ist die UN-Vollversammlung, wie wir sie erleben und wie UN-Generalsekretär Guterres sagt, ein Spiegelbild einer Welt in Scherben?
    van Aken: In Scherben würde ich nicht sagen, weil wenn es Scherben wären, wäre alles ja schon vorbei. Aber es ist natürlich eine Welt im großen Umbruch mit vielen Gefahren und ich finde, die Nordkorea-Krise ist gerade wirklich eine der größten Gefahren, weil die ungewollt ganz schnell eskalieren kann, soweit eskalieren, dass sogar Atomwaffen zum Einsatz kommen, und das ist natürlich eine ganz große Gefahr. Aber in Scherben, das wäre mir zu viel, weil dann ist ja alles vorbei. Dann können wir uns nur noch hinlegen.
    Dobovisek: Hat Donald Trump einfach nur geliefert, was man ohnehin von ihm erwartet hat, oder hat Sie das in dieser Deutlichkeit – Stichwort Vernichtung Nordkoreas – dann doch überrascht?
    van Aken: Eigentlich nicht, weil die Dinge hat er vorher auch gesagt. Was mich schon überrascht hat ist, dass er tatsächlich eine der Rede bei den Vereinten Nationen als reine nationalistische Rede an seine Wählerinnen und Wähler benutzt. Er hat da ein völlig klares Rollenverständnis: Völlig egal wo ich bin, ich bin der Mann, den meine Amerikaner gewählt haben, und ich halte eine nationalistische Rede, egal wo ich bin.
    Da hätte ich ihm doch ein bisschen mehr zugetraut, weil das ist im Grunde genommen ja kleingeistig, nur national zu denken, selbst wenn man vor der Generalversammlung der UN redet. Und diese Kleingeistigkeit, da habe ich gedacht, ein bisschen weiter ist er. Aber von dem Inhalt und vom Stil her ist das ja alles nichts Neues.
    Man muss ja auch dazu sagen: Auf der einen Seite diese harten Worte, das zielt direkt ins Herz seiner Wählerschaft, mit Vernichtung, mit "Rocket Man" und was er da alles gesagt hat. Auf der anderen Seite sind alle diese harten Worte ja immer konditioniert. Er verknüpft sie immer mit einem Wenn-nicht-dann-Satz, so dass er sich am Ende auf der internationalen Ebene noch alle Optionen offen hält.
    Dobovisek: Der ehemalige UN-Diplomat Gunter Pleuger hat bei uns hier heute Morgen im Deutschlandfunk Trumps Rede kritisiert. Mit der Drohung, Nordkorea möglicherweise anzugreifen, verstoße er, sagte er, gegen die Charta der Vereinten Nationen, die präventive Selbstverteidigung nicht zulasse. Sehen Sie das auch so?
    van Aken: Ja, im Prinzip schon, wobei die Amerikaner sich das ja seit Jahren und Jahrzehnten hinaus immer vorbehalten, möglicherweise sogar nuklear präventiv zuzuschlagen. Das ist aus meiner Sicht natürlich ein Verstoß gegen die UN-Charta, aber das ist traditionsgemäß schon amerikanische Politik, egal wie der Präsident heißt.
    "Trump trägt eigentlich Konflikt mit China aus"
    Dobovisek: Aber wer kann dem heute etwas entgegensetzen, bevor uns die Nordkorea-Krise, bildlich gesprochen, um die Ohren fliegt?
    van Aken: Das ist das große Problem. Ich glaube, da ist tatsächlich die Rolle Deutschlands und Europas gefragt. Ich glaube, Deutschland alleine ist da sogar auch ein bisschen zu klein für. Und ich glaube, man muss aber auch in dieser ganzen Debatte den Blick ein bisschen größer wenden und nicht nur auf Nordkorea. Denn ich glaube, der eigentliche Konflikt, den Trump da austrägt, ist der Konflikt mit China. Es geht im Grunde genommen Donald Trump um verbesserte, für Amerikaner verbesserte Wirtschaftsbeziehungen zu China, und der Druck, den er auf China macht über Nordkorea, zielt, glaube ich, hauptsächlich darauf ab, und das ist das Gefährliche an der Situation.
    Gefahr eines großen Konflikts zwischen China und den USA
    Dobovisek: Aber kann er jemals sein Ziel, bessere Beziehungen zu China, erreichen mit diesem Druck und der Drohkulisse, die er jetzt aufbaut?
    van Aken: Nicht bessere Beziehungen; bessere Deals. Er will China soweit unter Druck setzen, dass er bessere Deals rauskriegt, dass er China soweit unter Druck setzt, dass sie nachgeben, nachgeben, nachgeben auf der wirtschaftlichen Seite. Das ist sein eigentlicher Konflikt, den er da austrägt, und das ist eben das Gefährliche. Wenn ich einen Stellvertreterkonflikt habe, wo es am Ende nur zum Teil noch um Nordkorea geht, dann kann das ganz schnell eskalieren, wenn er im Grunde genommen immer nur auf China blickt. Und ich glaube, den Blick brauchen die Deutschen und die Europäer auch, dass sie sehen, da entsteht quasi vielleicht nicht ein Kalter Krieg, aber ein neuer dauerhafter großer Konflikt zwischen USA und China. Das muss man im Blick behalten, wenn man versucht, in Nordkorea zu mediatieren.
    Dobovisek: Seit vielen Jahren wird Nordkorea ja bereits sanktioniert, immer weiter werden die Sanktionen auch verschärft, und diplomatische Erfolge stellen sich dadurch nicht gerade ein, sind jedenfalls kaum zu beobachten. Steckt die Diplomatie in einer Sackgasse?
    van Aken: Nein, nicht wirklich. Es gab ja zweimal – seit 94 läuft dieser Konflikt -, zweimal gab es tatsächliche Abkommen mit Nordkorea. Und jedes Mal, wenn ein neuer republikanischer Präsident an die Macht kam, hat er das aufgekündigt. Ich will da gar nicht Nordkorea aus der Schuld rausnehmen. Das Land macht eine Politik nach innen wie nach außen, die man nur verurteilen kann. Aber es hätte 94 und auch Anfang der 2000er die Möglichkeit gegeben, tatsächlich einen besseren Weg zu finden, um von vornherein erst mal das Atomwaffenprogramm zu verhindern. Das haben die Amerikaner aufgekündigt, weil sie dachten, qua ihrer Wassersuppe kriegen die das auch so in den Griff, und jetzt sind wir in dieser Situation. Aber ich glaube, wenn man wirklich ernsthaft bemüht wäre um Diplomatie, dann geht das. Im Moment sind es aber weder die Nordkoreaner, noch die Amerikaner, die das wollen, und da steckt die Gefahr drin.
    Dobovisek: Wir sehen ja auch – und das nicht nur in dieser Krise – viel zu oft, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gelähmt wird, blockiert unter anderem von China, von Russland. Die UNO hatte Trump auch als Quasselverein einst bezeichnet. Jetzt fordert er Reformen, stellt Milliarden-Zahlungen der USA infrage. Haben sich die Vereinten Nationen, gelähmt wie sie sind, tatsächlich ein Stück weit überholt?
    Mehr Verantwortung für die Generalversammlung"
    van Aken: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, die Vereinten Nationen, die muss man wirklich immer in historischen Zeiträumen sehen, über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte. Wenn ich mir angucke, wo die Welt 1945 war, dann ist es schon sehr gut, dass wir in diesen 60 Jahren die Vereinten Nationen hatten. Und in weiteren 60 Jahren wird es auch noch besser bestellt sein um die Vereinten Nationen und ihre Möglichkeiten. Aber natürlich ist es so: Im täglichen Klein-Klein verliert man das immer aus den Augen. Und natürlich ist dieses ganze Konstrukt Sicherheitsrat problematisch. Es ist undemokratisch und es sind ja nicht nur China und Russland, die immer wieder blockieren. Es ist anders herum genauso Frankreich, England, die USA, die auch blockieren, wenn es ihnen in den Kram passt. Da muss man sich nichts vormachen, da sind alle fünf Vetomächte immer dran beteiligt, wenn es im Sicherheitsrat nicht weitergeht. Deswegen ist meine Vorstellung einer Reform der Vereinten Nationen, dass man mehr Verantwortung wegnimmt aus dem Sicherheitsrat und in die Generalversammlung packt, wo jedes Land eine Stimme hat. Das ist demokratischer. Ich glaube, alles andere zu versuchen, da noch mehr Vetostimmen reinzubekommen oder eine größere ständige Mitgliedschaft, das führt alles zu nichts, denn so wie der Sicherheitsrat ist, ist er undemokratisch.
    Dobovisek: Vielstimmigkeit bedeutet aber auch noch weniger Chancen auf eine Einstimmigkeit.
    van Aken: Ja, natürlich. Aber das ist das Problem, was Sie mit der Demokratie immer haben. Natürlich können Sie mit einem Diktator viel leichter durchregieren als mit einer Demokratie. Aber am Ende ist eine Vielstimmigkeit viel stabiler und wird viel eher zu einer friedlichen Lösung führen, als wenn einige mehr Rechte haben als andere.
    Dobovisek: Jan van Aken, Außenpolitiker der Linkspartei. Sie verlassen in den nächsten Tagen auf eigenen Wunsch den Deutschen Bundestag. Damit verraten wir kein Geheimnis. Vielen Dank also für die vielen Interviews, die Sie hier bei uns in den vergangenen Jahren gegeben haben, und alles Gute für Sie.
    van Aken: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.