Vor fünf Jahren, da hätte es rechnerisch für Rot-Rot-Grün gereicht.
"Ich muss auch nochmal sagen: Ich finde es bedauerlich, dass die SPD so wenig Interesse an sozialer Politik hat, dass sie vielleicht wieder ins Bett der großen Koalition kriecht."
Schimpfte Sahra Wagenknecht im Jahr 2013. Im Bund gab es sie also nie, nur in zwei Bundesländern regiert eine rot-rot-grüne Koalition: in Berlin unter Führung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, SPD, in Thüringen unter Führung des Linken-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow.
Auf Bundesebene kämen SPD, Grüne und Linkspartei derzeit zusammen nur auf 40 bis 43 Prozent der Wählerstimmen – je nach Umfrageinstitut. Ist Rot-Rot-Grün also ein Auslaufmodell? Ist die Zeit der Lagerbildung links und rechts der Mitte vorbei? Oder ist es genau andersherum – und Rot-Rot-Grün wird als Projekt dringend gebraucht?
Wenn am Dienstag mit "Aufstehen" eine neue politische Bewegung offiziell startet, dann geht es um dieses Lager. Über 80.000 Menschen haben in den vergangenen vier Wochen ihr Interesse an der Organisation bekundet. Gegründet wird sie von der Linken-Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht, dem früheren Grünen-Vorsitzenden Ludger Volmer, und der ehemaligen Grünen-Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer. Und auch die SPD-Oberbürgermeisterin von Flensburg, Simone Lange, bekannt geworden als chancenlose Parteivorsitz-Gegenkandidatin zu Andrea Nahles, ist dabei. Auch Künstler wie der Dramaturg Bernd Stegemann. Sie alle eint: "Aufstehen" soll dazu führen, dass die Gesellschaft andere Debatten führt. Über Verteilungsgerechtigkeit, über die Fehler des Kapitalismus und eine Abkehr von einem Liberalismus, den die Initiatoren in seinen Auswirkungen für falsch halten.
Zeil: Parteien verändern
Schon im Juni sagte Sahra Wagenknecht im Deutschlandfunk über "Aufstehen":
"Natürlich wünsche ich mir auch, dass die Linke die Positionen verlässt, wo sie sich isoliert von den Abgehängten und von denen, denen es in dieser Gesellschaft nicht gut geht. Wir müssen auch als Linke darüber nachdenken: Warum kommen so wenige zu uns, die von der SPD enttäuscht sind? Also, natürlich ist das Ziel, auch Parteien zu verändern."
"Aufstehen" soll Druck auf die Sozialdemokraten, auf Grüne und Linke ausüben. Es geht um schärfere Abgrenzung, Profil, Themensetzung – kurz: Diskursverschiebung. Denn die dominierenden Themen der Republik sind in den vergangenen Jahren keine Gewinnerthemen der Linken gewesen. Bis zur Bundestagswahl 2017 hätte es rechnerisch noch eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün im Bundestag gegeben. Bis zum Einzug der AfD.
"Leider Gottes haben sich insbesondere die Sozialdemokraten, ich glaub die Grünen hätten sogar mitgemacht, für einen anderen Weg entschieden. Das hat sie sehr viel Stimmen gekostet und sehr viel an Glaubwürdigkeit gekostet, und jetzt müssen eben daraus die Konsequenzen gezogen werden. Also, man wird eben drum kämpfen müssen, dass es links der großen Koalition und links der bürgerlichen Parteien eine Mehrheit im Lande gibt. Wird die nicht umgesetzt, werden die Leute enttäuscht sein, und das ist ein direkter Nährboden für rechte Kräfte."
Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linkspartei, hofft darauf, dass vor allem die SPD einen anderen Kurs einschlägt.
"Ich glaube ohnehin, dass der Aufstieg der Rechten damit zu tun hat, dass für viele Menschen keine klaren Machtalternativen da sind zwischen dem bürgerlichen Block und dem linken Block. Den linken Block gibt es nicht, und jetzt wird man sehen, ob der sich die nächsten zwei oder drei Jahre aufbaut."
Eigentlich, so sieht es die Linkenführung, spräche alles für einen solchen Block. Nach einer Umfrage des Instituts Emnid, die Riexinger zitiert, werden 79 Prozent der Bürger vom Thema Altersarmut umgetrieben. 76 Prozent finden die Bildungschancen wichtig. 74 Prozent das Thema Pflegeversicherung. 61 Prozent den Umweltschutz. Gerade einmal vier von zehn Bürgern, betont Riexinger, sähen das Thema Zuwanderung als zentral an. Und die Verteidigung, in Berlin viel diskutiert, gar nur etwas mehr als jeder Sechste.
Die Linke kommt derzeit in bundesweiten Umfragen auf 9 bis 12 Prozent. Ein linkeres Profil bei Grünen oder SPD, wäre das nicht eine Bedrohung für sie? Nein, sagt Bernd Riexinger:
"Selbst wenn die SPD, was sie dringend muss, wieder stärker nach links geht, und die Grünen auch die sozialen Fragen wieder entdecken und bei der Ökologie tatsächlich wieder grün werden, bleibt links von beiden Parteien genügend Platz für uns."
Die beheimateten Themen
Renten, Mieten, Pflege – hier ist die Linkspartei zuhause, hier ist sie zu Grünen und SPD sogar anschlussfähig.
In anderen Politikfeldern ist das Verhältnis schwieriger. Ihre Haltung zur Europäischen Union wird die Linke noch im Herbst beim Parteitag zur Europawahl weiter zu klären versuchen. Bei der vielbeschworenen Freundschaft zu Russland hat die Linke sich zuletzt zwar deutlicher von Wladimir Putins Regierung distanziert. Vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik steht die Linkspartei jedoch weitgehend allein: Das klare Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr und der Wunsch nach einer Alternative zur NATO sind echte Koalitions-Hindernisse.
Doch inhaltliche Differenzen sind nur ein Teil des Problems. Es ist ein offenes Geheimnis, dass einige Führungspersönlichkeiten in den Parteien sich eine Zusammenarbeit ganz praktisch nie vorstellen konnten. Es gab kein Vertrauensverhältnis zwischen Spitzen-Sozialdemokraten und Linken-Akteuren. Das könnte sich nun ändern, berichtet Bernd Riexinger, der seit 2012 Vorsitzender der Partei ist.
"Die Gespräche auf Spitzenebene waren doch eher dünn gesät. Das lag jetzt nicht so sehr an der Linken, das lag auch nicht an den Grünen. Wir haben jetzt ein Gespräch mit Andrea Nahles vereinbart. Und wir werden erstmal sehen. Wir sind auf alle Fälle bereit, mit Grünen und der SPD darüber zu reden, wie denn ein linkes Projekt, dass eine klare Alternative ist zur großen Koalition, aussehen kann."
Tatsächlich sucht auch die SPD-Vorsitzende das Gespräch mit der Linkspartei. Erst kürzlich traf sich Andrea Nahles mit Sahra Wagenknecht. "An uns hat es nicht gelegen!", meint die 48jährige Nahles, auch Sigmar Gabriel habe doch als Parteichef versucht, die Idee eines linken Bündnisses wiederzubeleben, am Ende vergeblich:
"Wenn wir Rot-Rot-Grün wollen, dann muss es dafür auch eine belastbare Schnittmenge von Gemeinsamkeiten geben. Und wenn in allen wesentlichen außenpolitischen Fragen, ich betone: allen wesentlichen außenpolitischen Fragen, die Linkspartei einfach überhaupt keine Schnittmenge mit Grünen und SPD hat, dann wird es halt schwierig!"
Doch wären die Gräben in der Europa- und Außenpolitik überwindbar, wenn das linke Spitzenpersonal sich änderte? Jahrelang galt Oskar Lafontaine den Genossen als Verräter, weil er 1999 im Zwist mit Gerhard Schröder den SPD-Vorsitz hinwarf und in der Folge die deutsche Sozialdemokratie ein zweites Mal spaltete – heute ist seine Frau und Mitstreiterin Sahra Wagenknecht das rote Tuch.
"Wir haben wechselseitig ein ritualisiertes Spiel seit vielen Jahren, dass alle immer sagen, ach, wir würden ja eigentlich gerne, aber die anderen, die bewegen sich halt nicht. Das ist ermüdend!", beklagt Kevin Kühnert.
Der Juso-Vorsitzende offenbart einiges an Sympathie für Wagenknechts Sammlungsbewegung "Aufstehen". Für ihn ist es überfällig, hinter verschlossenen Türen Konflikte auszufechten und dann mit einem linken Politikangebot vor den Wähler zu treten – rot-rote Befindlichkeiten hätten das schon viel zu lange verhindert.
"Die politische Linke macht Selbstbeschäftigung"
"Ich bin auch zunehmend nicht mehr bereit, das hinzunehmen, weil hier auch eine Generation nachkommt, der wird gerade eigentlich ihre Grundlage, die Welt, in der sie hineingeboren wurde, die wird ihnen weggenommen, mit Brexit und Co. Hier versuchen wirklich Leute, das Rad zurückzudrehen, und die politische Linke macht Selbstbeschäftigung, und ich muss mich hier mit Leuten abgeben, die vor 20 Jahren mal der SPD den Rücken gekehrt haben und bis heute ihr gekränktes Ego nicht unter Kontrolle bekommen. Das nervt mich wirklich tierisch!"
Innenpolitisch bewegt sich die SPD zweifelsohne auf die Linke zu. Erneut regiert sie zwar mit den Konservativen, sucht aber verstärkt nach sozialpolitischer Profilierung. Bestes Beispiel dafür ist der jüngste Rentenvorstoß des Vizekanzlers. Mit der Drohung, das Thema in den nächsten Wahlkampf zu ziehen, öffnet sich Olaf Scholz auch zur Linken.
Die auf Druck der SPD beschlossenen Reformen beim Mietrecht kommen Forderungen von Grünen und Linkspartei sehr nahe, ebenso die neuen Weiterbildungsangebote für Langzeitarbeitslose. Als Schutzmacht der kleinen Leute galten die Sozialdemokraten einmal – Andrea Nahles testet gerade, ob sie ihre Partei dort wieder hinführen kann. Und am Ende stößt sie dabei immer wieder auf das Thema, das vielen als ursächlich für den Niedergang der SPD gilt: Hartz IV und Schröders Reformagenda.
"Wir werden in der SPD eine umfassende Debatte darüber führen, mit dem Ziel, wie sollte der Sozialstaat in Zukunft funktionieren, damit er möglichst gerecht ist. Wir haben auch schon einiges geändert, zum Beispiel bei der Vermögensanrechnung, wir haben den Mindestlohn eingeführt. Wir stehen ja jetzt nicht mehr im Jahr 2005! Aber gerade in dem Bereich sind viele Menschen unzufrieden und dem werden wir uns annehmen."
Über den künftigen Kurs in der Sozialpolitik will die SPD über ein Jahr lang in Arbeitsgruppen diskutieren. Auch das solidarische Grundeinkommen – nicht ohne Grund vom in Berlin mit Linken und Grünen regierenden Bürgermeister Michael Müller gefordert - steht zur Debatte. Doch für die Umsetzung einer linken Politik bedarf es nach Ansicht von Carsten Schneider keiner Sammlungsbewegung wie Wagenknechts "Aufstehen". "Wo ist das Problem für SPD und Linkspartei, um eine gemeinsame Politik zu ringen?", fragt der Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.
"Ich kämpfe dafür, dass die SPD die Spitze der linken Mitte in Deutschland ist. Dafür brauche ich keine Bewegung, die die Parteien mehr oder weniger ausschaltet. Denn das, was wir in Frankreich, aber auch in anderen Ländern gesehen haben, ist ja ein Ende der Parteien, hin zu wenigen Führungsfiguren, das ist das Letzte, was ich will!"
Die Höhle des Löwen
"Herzlich Willkommen beim Nicht-mehr-Grünwähler-Forum": Das Motto des Abend ist ein bisschen gemein, dennoch begeben sich Annalena Baerbock und Robert Habeck in die Höhle des Löwen. Die beiden Parteichefs der Grünen sind eingeladen beim "Nicht-mehr-Grünwähler-Forum":
"Genau. Das "Nicht-mehr-Grünwähler-Forum" impliziert ja, dass ihr vielleicht ja sogar schon mal Grüne gewählt habt. Und deshalb wollen wir erst mal mit Hand hoch machen: Wer hat in seinem Leben schon mal grün gewählt?"
Fast in jedem Winkel des sehr hippen Cafés in Berlin Mitte gehen die Arme zwar nach oben. Doch das bewahrt Baerbock und Habeck in den kommenden zwei Stunden nicht vor kritischen Kommentaren.
"Und in den letzten Jahren, glaub ich, gab's so zwei Pole. Der eine Pol, der gesagt hat, die Grünen wären so eine paternalistische Besserwisser-Partei, mit Veggieday und Steuerphantasien. Die anderen haben wiederum gesagt, die Grünen sind ihnen viel zu realistisch geworden, viel zu olivgrün, viel zu realpolitisch, möglicherweise auch viel zu nah an der Union."
Damit ist der Ton für den Abend gesetzt: Immer wieder kreisen die Wortmeldungen aus dem sehr jungen, überwiegend akademischen Publikum darum, ob die Grünen noch eine linke Partei sind.
"Ich fasse das mal so zu zusammen: Wann entschuldigen sich die Grünen für die Agenda 2010?"
Robert Habeck weicht aus und philosophiert kurz darauf lieber über das ins Rutschen geratene Parteiensystem in Deutschland. Lieber ein theoretischer Diskurs, statt einer klaren Positionsbestimmung: Das hat seit einiger Zeit Methode bei grünen Spitzenpolitikern. Zwar sind die Jamaika-Sondierungen in Berlin vergangenes Jahr gescheitert, dennoch stehen die Grünen zumindest bei ihren in die Jahre gekommenen Stammwählern längst in dem Ruf, eine konservativ-bürgerliche Partei zu sein. Robert Habeck jedenfalls windet sich bei der Frage nach linken Mehrheiten. Die Zeiten seien vorbei, sagt er.
"Wo man sagen kann, die klassischen Lehren, wie sie vor zehn, 15 Jahren galten – sozusagen Blöcke, Sozis und Grüne, Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Gelb."
"Wenn andere sagen, wir sind linke Mitte, oder links der Mitte, das finde ich jetzt eher so ein bisschen "Leben des Brian"-mäßig. Wer sich daran noch erinnern kann: Judäische Volksfront oder Volksfront von Judäa. Sondern wir sind die Grünen."
Eine sozial-ökologische Partei
Postuliert ein paar Tage später ein etwas genervter Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen und nach wie vor ein Parteilinker. Deshalb auch pocht Kellner weiter darauf, dass die Grünen eine sozial-ökologische Partei seien. Ebenso Parteichefin Annalena Baerbock:
"Das in den Mittelpunkt zu stellen, dass Ökologie und soziale Gerechtigkeit kein Widerspruch sind, sondern einander bedingen, weil nämlich jetzt unter der Klimakrise zum Beispiel die sozial Schwächsten am meisten leiden, das sind Punkte, die mir total wichtig sind. Und zugleich in einer Zeit, wo der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelt, zu fragen, wie stärken wir den sozialen Kitt."
Baerbock zählt wie Robert Habeck zum Realo-Flügel der Grünen. Ihr Versuch, das soziale Profil zu schärfen, zielt vor allem darauf ab, frustrierte SPD-Wähler zu den Grünen herüberzuziehen. In Bayern liegt die Ökopartei in den Umfragen bereits auf Platz zwei, vor den Sozialdemokraten. Auch Geschäftsführer Michael Kellner betont:
"Anfang des Jahres sagte auch Habeck auch noch mal: Wir wollen Hartz IV überwinden, wir wollen auskömmliche Renten, und wir wollen Altersarmut verhindern. Also es gibt viele, viele Punkte, wo wir sagen, ja, hier brauchen wir ein Umsteuern zu mehr Gerechtigkeit. Nur wehre ich mich dagegen, das auszuspielen und zu glauben, man kann das in nationalem Heil suchen."
Eine kaum verhohlene Breitseite. Schon im vergangenen Bundestagswahlkampf, als rot-grün-rote Mehrheiten rein rechnerisch noch möglich waren, demonstrierte die grüne Parteiführung größtmögliche Distanz zur Linkspartei – vor allem ein Name löst heruntergezogene Mundwinkel und demonstratives Augenrollen aus:
"Insbesondere Sahra Wagenknecht war jemand, die in der Linkspartei immer gegen eine Annäherung von der Linken an die SPD und Grüne angekämpft hat, weil sie eine Spalterin ist."
Hinzu kommt: In der Europa- und Außenpolitik liegen Linke und Grüne meilenweit auseinander. Deshalb ist allein der Gedanke, Grüne könnten in größerer Zahl der Sammlungsbewegung von Sahra Wagenknecht beitreten, für Grünen-Chefin Annalena Baerbock völlig abwegig:
"Ne! Bei einer Initiative, die von der Fraktionschefin der Linken im Bundestag gegründet wurde und dann auch noch mit nationalistischen Tönen untermauert wird, da machen wir nicht mit."
Sondern? Aus der Schockstarre nach den gescheiterten Jamaika-Sondierungen erwacht, haben sich die Grünen inzwischen ganz gut in der Oppositionsrolle eingerichtet. Die Partei zimmert derzeit an einem neuen Grundsatz- und an ihrem Europawahlprogramm. Das neue Führungsduo Baerbock und Habeck ist talkshow-affin, trägt wesentlich zum derzeitigen Umfrage-Hoch der Grünen bei und bringt durchaus frischen Wind ins Berliner Regierungsviertel.
Aber vor allem Robert Habeck will mehr. Der 49-Jährige brennt vor Ehrgeiz, auch vor Eitelkeit. Die Strategie des Apotheker-Sohns aus Kiel lautet: in die Mitte der Gesellschaft vorstoßen, neue Wählermilieus erobern, dem Liberalismus einen neuen, grünen Anstrich geben. Zusammengefasst: Eine Grüne Volkspartei. Mit dieser Strategie hatte 2011 schon Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg Erfolg – und ganz ähnlich setzt Robert Habeck jetzt auf die Landtagswahl in Bayern:
"Weil es vielleicht das erste Mal seit 2015 gelingen kann, eine Wahl auch in der demokratischen Mitte wieder zu verankern. Und nicht immer nur nach rechts zu verlieren. Man hat ja schon fast eine Genickstarre, weil alle immer nur zur AfD schielen. Jetzt auf einmal wird das Zeichen gesetzt, es gibt eine überzeugte liberaldemokratische Mitte, und die machen wir stark. Und das hat die CSU unterschätzt, deswegen ist der Angstschweiß auf der Stirn der CSU."
Rechtzeitig und stärker nach Kooperation streben
Kein Wunder, denn Robert Habeck wildert auch gern in anderen Schlüsselressorts des konservativ-bürgerlichen Lagers. Er spricht gern und viel über Heimat, besucht auf Sommerreise die Bundeswehr und erklärte die Grünen kürzlich im Interview mit dem Tagesspiegel gar zur Partei der Inneren Sicherheit:
"Sicherheit ist für die Grünen kein Verliererthema. Sicherheit ist die Bedingung von Freiheit. Und Freiheit und Sicherheit, und der Schutz der Bürgerrechte ist eigentlich grüne Kernkompetenz. Der alte Reflex aber, sobald das Wort Polizei fällt, sind wir irgendwie dagegen, der muss abgestellt werden."
Schwer vorstellbar, dass Grüne, Linke und SPD kurzfristig zueinander finden. Und doch: Sollte die SPD 2021 noch die Kanzlerschaft anstreben, mit einem eigenen Projekt antreten wollen, bleibt Andrea Nahles kaum etwas anderes übrig, als hier rechtzeitig und stärker nach Kooperation zu streben. Die Grünen haben eine Vielzahl an Optionen – Jamaika wäre rechnerisch möglich, Schwarz-Grün denkbar. Der Linkspartei wiederum bleibt Rot-Rot-Grün als einzige halbwegs realistische Option, sollte sie denn überhaupt jemals auf Bundesebene regieren wollen.
Und ausgerechnet die Gründung der neuen Organisation "Aufstehen" könnte dem alten Projekt Rot-Rot-Grün behilflich sein: Die Partei-Querelen rund um die Flüchtlingspolitik haben Sahra Wagenknechts Position innerhalb der Linken geschwächt – genauso wie die Gründung der neuen linken Sammlungsbewegung. Mittelfristig könnte Wagenknecht ihre Führungsrolle bei der Linken gegen eine neue Rolle eintauschen: Wer "aufstehe", habe damit den ersten Schritt zum Gehen unternommen, heißt es bei Linken-Politikern in Berlin trocken.
Doch an einigen der inhaltlichen Differenzen zwischen Rot, Rot und Grün ändert das kurzfristig nichts.