"Das die Regierungen da oben mal munter werden, die müssen mal sehen, was los ist hier. Die müssen mal horchen, wie ist es draußen",
sagt Klaus, der seinen Nachnamen nicht im Radio hören will. Er wohnt in Nebra, im Süden Sachsen-Anhalts. Früher hat er die Linkspartei gewählt, jetzt die AfD. Der Grund: die Flüchtlinge. Weshalb man den Volksparteien mal eins auswischen wollte, sagt seine Frau, die neben ihm steht.
"Das war wie ein kleiner Denkzettel."
Sympathien für rechte Äußerungen
Insbesondere dort, wo die AfD die Direktmandate errungen hat, waren die Verluste der Linken in Sachsen-Anhalt auffallend hoch. Ein Drittel der Wähler der Linkspartei sympathisieren seit Ende der 1990er-Jahre mit fremdenfeindlichen Sprüchen, schätzt der frühere PDS-Wahlkampf-Manager André Brie. Wenn Thilo Sarrazin oder Horst Seehofer die Flüchtlingspolitik Merkels harsch attackieren, nicken viele Linkswähler mit dem Kopf.
"Gerade in der ganzen Diskussion über die Köln-Ereignisse ist völlig klar: Wer Gastrecht missbraucht, der hat Gastrecht dann eben auch verwirkt."
Sahra Wagenknecht – Linken-Fraktionschefin im Bundestag.
"Also es ist völlig klar, dass Deutschland nicht noch eine Million und weitere in den Folgejahren verkraften würde. Natürlich könnte mit einer anderen Politik, könnten bessere Bedingungen geschaffen werden, dass es mehr Wohnungen gibt. Es gibt trotzdem Kapazitätsgrenzen."
Resignation und Ernüchterung
Worte, die für einen Mini-Aufstand innerhalb der Linkspartei gesorgt haben. Der Rauch ist verzogen. Auch der über die verlorene Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Sieben Prozentpunkte hat man am 13. März verloren. Eine richtige Auseinandersetzung findet bis heute aber nicht statt. Stattdessen herrscht tiefe Resignation und Ernüchterung.
"Ich glaube, das ist Amputationsschmerz. Ich glaub ihnen wird erst jetzt langsam klar, was da passiert ist. Und wie sehr die Gestaltungsmöglichkeiten in dieser Gesellschaft, in dieser Wahl eingeschränkt worden sind, also wie viel sie verloren haben."
So der Stendaler Politologe und Psychologe Thomas Kliche. Henriette Quade zieht die Stirn in Falten. Sie ist die innenpolitische Sprecherin der Fraktion der Linken im Magdeburger Landtag.
"Was wir sagen können, dass wir selbstverständlich Debatten geführt haben und führen, die natürlich auch die Frage nach Fehlern stellt, nach, was hätte man besser machen können, wie können wir Bürgerinnen und Bürger besser erreichen."
Was jedoch konkret passieren muss, dazu will sich die 31-jährige Landtagsabgeordnete und Linken-Politikerin Henriette Quade öffentlich lieber nicht äußern.
"Man ist immer gut beraten, dass intern zu tun. Und das tun wir."
Standortbestimmung für die Zukunft
Die Linke muss wieder die Adresse der kleinen Leute werden, raus zu den Menschen gehen. Sagt der 42-jährige Swen Knöchel. Nach der Landtagswahl wurde er Fraktionschef der Linken in Sachsen-Anhalt. Das komplette Gegenteil seines Vorgängers. Kein rhetorisch geschulter Lautsprecher, eher der verschüchtert wirkende, introvertierte Fachpolitiker. In seinem spartanisch ausgestatteten Arbeitszimmer im Magdeburger Landtag steht fast drohend eine rot leuchtende Marx-Büste.
"Wir müssen die Frage des Strukturwandels weiter angehen. Wir müssen auf die drängenden Fragen von Menschen in manchen Regionen – die da lauten, bin ich der Letzte, der das Licht ausmacht, wie sieht denn die Zukunft in meiner Region aus – Antworten finden. Und da sehen wir unsere Aufgabe in der Opposition."
Kein einfaches Unterfangen
Kein einfaches Unterfangen. Allzu deutlich wird das, wenn man sich die künftige Rolle der Linkspartei im Magdeburger Landtag anschaut. Denn dort hat man sich vorgenommen, – einerseits - eine knallharte Oppositionsrolle einzunehmen, um den kleinen Leute wieder eine soziale Vision mitzugeben. Andererseits will man sich von der zweiten – der größeren - Oppositionspartei AfD deutlich abgrenzen. Gerade wenn es um kommunalpolitische Themen und Anträge geht, die die Rechtspopulisten möglicherweise von den Linken kopieren, um für sich Kapital daraus zu schlagen. Die Gefahr zu großer Regierungsnähe: für die Linkspartei daher naheliegend. Doch davon dürfe man sich nicht irritieren lassen, so die Empfehlung des Politologen Thomas Kliche. Aber:
"Wähler sind schwer zurückzugewinnen. Wenn die irgendwohin schwappen, dann ist das meistens ein Zeichen gebrochener Loyalität. Und die gehen nicht schnell wieder zurück, sondern eher ins Nicht-Wählen oder sie bleiben bei der neuen Partei. Sie haben nicht mehr in die feste innere Überzeugung, dass ist ein guter Entwurf, den unterstütze ich."
Weshalb der Linkspartei harte Zeiten bevorstehen, so Kliche weiter.
Denn als Regierungspartner werden sie – zum einen - so schnell nicht gebraucht, und zum zweiten – stellt sich für die Partei die Frage, wie man an den Links-Wähler rankommt, der zuweilen mit Zuwanderern, mit offenen Grenzen hadert. Ein Thema, was am Wochenende beim Bundesparteitag der Linken in Magdeburg durchaus für einigen Gesprächsstoff sorgen wird.