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Linksradikale in den USA

Sie nannten sich "Weathermen", später "Weather Underground": Amerikas linksradikale Terroristen der 70er-Jahre. Sie kämpften für die Bürgerrechte und gegen den Vietnamkrieg. Um sie geht es in "Die Akte Grant", dem neuen Film von Robert Redford, in dem er auch die Hauptrolle spielt.

Von Rüdiger Suchsland | 21.07.2013
    "Terroristen" sind charismatisch, klug, erfolgreich und schön - jedenfalls, wenn sie älter werden. Sie sehen dann offenbar aus wie Julie Christie. Wie Susan Sarandon. Wie Robert Redford. Oder diese Menschen, die wir hier sehen, sind eigentlich gar keine Terroristen. "Was dem einen sein Terrorist ist dem anderen sein Freiheitskämpfer." Dies hat mal ein kluger Mann gesagt, und es war weder Mao noch Lenin.

    Eines Tages ist Jim Grant nicht mehr er selbst. Seine über Jahre gut gehütete Identität fliegt auf und er muss fliehen. Denn jetzt ist er nicht mehr der brave engagierte Bürger und nette Nachbar, sondern ein Mann, nach dem für 40 Jahre alte Taten im ganzen Land gefahndet wird. Er taucht unter und sucht seine alten Kameraden.

    Robert Redford ist nicht allein der für viele immer noch schönste Mann von Hollywood. Er ist auch einer der großen Aktivisten des liberalen Amerika. In seinem neuen Film, der auf Englisch sehr feinsinnig "The Company you keep" heißt, also "Die Begleitung, die man nicht los wird, die bei einem bleibt", reist Redford, der neben der Regie auch die Hauptrolle spielt, zurück in die Erinnerung an die frühen 70er-Jahre.

    Er erzählt hier die Geschichte des amerikanischen linken Untergrunds, der "Weathermen". Seinerzeit wollten sie die Welt verbessern - eine radikale Gruppe, die für Bürgerrechte und gegen den Vietnamkrieg kämpfte. Man war pazifistisch, überfiel zwar Banken, und warf Bomben, sorgte aber dafür, dass keine Menschen zu Schaden kamen. Bis das einmal doch passierte - der Sündenfall.

    Von diesen und anderen realen Geschehnissen ausgehend erzählt Redford eine fiktive Geschichte, um einen Ex-Weatherman, dessen Identität nach 40 Jahren Versteckspiel auffliegt. Er ist zwar an der Tat, für die er gesucht wird, unschuldig, will aber das Schweigegelübde der Gruppe nicht brechen. So geht es hier um einen klassischen Gewissenskonflikt: die Entscheidung zwischen zwei - im konkreten Fall unvereinbaren - moralischen Prinzipien, zwischen Wahrheit und Loyalität.

    Redfords Film erinnert atmosphärisch gleich an zwei Werke aus Redfords größter Zeit, der Ära des "New Hollywood", als Amerika einmal für kurze Zeit gesellschaftskritisches Kino machte: den Paranoia-Thriller "Die drei Tage des Condor" und das Watergate-Drama "Die Unbestechlichen". Denn auch hier kommt ein junger Journalist vor, der zwischen Wahrheitssuche, Ehrgeiz und dem, was richtig ist, noch seinen moralischen Kompass finden muss.

    Anhand dieser Figur geht es auch um die Zukunft des Journalismus in einer Zeit mit weit weniger Idealismus als damals, einer Zeit, in der es wichtiger ist, wer die Story zuerst hat, als woraus sie eigentlich besteht. Es entsteht kein schmeichelhaftes Porträt des Journalismus, sondern das eines Journalismus um jeden Preis: Er besteht aus bestechen, flirten, lügen, und bloßstellen.
    Anhand dieser beiden Hauptfiguren geht es auch um die Dichotomie zwischen zwei Generationen: der 68er und der heutigen.

    "The Company you keep" ist spannendes, engagiertes, dabei unterhaltend erzähltes Kino, bis in die Nebenrollen gespickt mit Stars, denen Redford jeweils wunderbare Auftritte gibt: Julie Christie, Susan Sarandon, Nick Nolte und viele mehr - Hollywood at it's best. Gerade in diesen Tagen, in Zeiten, in denen auch mehr als elf Jahre nach dem 11. September, Terroristenangst und in deren Gefolge der Sicherheitswahn den Ton angeben, und sich die Politik Obamas von der des George W. Bush nur graduell unterscheidet, unternimmt Redford eine Ehrenrettung des wirklich liberalen Amerika.

    Und sein Film ist noch mehr als das, nämlich eine faszinierende politische Provokation: Redford zeigt, dass der Staat nicht immer im Recht ist, und die sogenannten Terroristen nicht immer im Unrecht.