Da ist sogar die finnische Opposition mächtig stolz. Dass alle fünf Parteien der derzeitigen Mitte-links-Koalition von Frauen geführt würden – davon vier unter 40 Jahren -, sei Grund zum Jubeln, schreib der ehemalige konservative finnische Ministerpräsident Alexander Stubb auf Twitter. Das zeige, dass Finnland ein modernes und progressives Land sei.
Finnlands neue Regierungschefin und Hoffnungsträgerin heißt Sanna Marin und ist erst 34 Jahre alt. Nach dem knappen Wahlsieg ihrer sozialdemokratischen Partei ging sie zunächst als Transportministerin ins Kabinett ihres Parteivorsitzenden Antti Rinne. Doch der musste zurücktreten, nachdem er während eines landesweiten Poststreiks unglücklich agiert hatte und die Zentrumspartei daraufhin mit der Aufkündigung der Koalition drohte. Marin muss nun das Bündnis aus Sozialdemoraten, Grünen, Linkspartei, Zentrum und der Partei der schwedischen Minderheit zusammenhalten. Am Montag wandte sie sich nach ihrer Nominierung zunächst an ihre Parteigenossen:
Sanna Marin gilt als ehrgeizig und zielstrebig
"Was wir jetzt brauchen, sind nicht noch mehr Worte, sondern Taten aller an der Regierung beteiligten Parteien, damit das Vertrauen in der Bevölkerung wiederhergestellt wird. Lasst uns zusammen stehen und gemeinsam für eine soziale, wirtschaftliche und ökologisch nachhaltige Gesellschaft arbeiten."
Schon mit 27 leitete Marin die Stadtverordnetenversammlung ihrer Heimatstadt Tampere. Sie ist als ehrgeizig und zielstrebig bekannt. Dabei hatte sie keine leichte Kindheit und Jugend. Sie stammt aus einer Arbeiterfamilie, der Vater ist Alkoholiker. Nach der Trennung der Eltern verliebt sich die Mutter in eine Frau. Als Kind gleichgeschlechtlicher Eltern erlebt Sanna Marin Ausgrenzung, lernt aber auch weibliches Selbstbewusstsein. Mit 20 schließt sie sich den Sozialdemokraten an, weil sie, wie sie sagt, die "Welt zu einem besseren Ort" machen will. Ihr Studium der Verwaltungswissenschaften finanziert sie durch Jobs selbst. Heute ist Marin verheiratet und Mutter einer fast zweijährigen Tochter.
Die Wahl Marins bedeutet einen Linksruck für die finnischen Sozialdemokraten
Das Aufsehen um ihr Alter kontert sie nach ihrer gestrigen Wahl finnisch-trocken so: "Ich persönlich habe mir über mein Alter oder mein Geschlecht keine Gedanken gemacht. Ich denke allein an die Gründe, die mich in die Politik gebracht haben und an die politischen Zusagen, mit denen wir bei den Wahlen das Vertrauen des finnischen Volkes gewonnen haben."
Die Wahl Marins bedeutet einen Linksruck der finnischen Sozialdemokraten. Besonders in der Umwelt- und Klimapolitik befürwortet sie einen strikteren Kurs. Bislang gilt in Helsinki die Vorgabe, bis 2035 klimaneutral zu werden. Doch Marin würde gerne früher aus allen fossilen Brennstoffen aussteigen. Das könnte den Höhenflug der rechtspopulistischen Partei "Basisfinnen" weiter beflügeln. Die stehen in Umfragen derzeit auf dem ersten Platz. Die Sozialdemokraten sind demnach nur viertstärkste Partei. Die Frau mit den langen dunklen Haaren, so die Hoffnung der finnischen Genossen, soll den Abwärtstrend ihrer Partei aufhalten.
"Wir haben viel zu tun", sagte Sanna Marin nach ihrer Ernennung und entschwand zu einer ersten Koalitionssitzung. Tatsächlich hat es die neue Ministerpräsidentin gleich mit einem weiteren großen Streik zu tun: Seit Montag befinden sich 100.000 Beschäftigte in der Chemie- und Papierindustrie in einem dreitägigen Ausstand.