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Linkswendekongress der Jusos
Bereit für den Marsch durch die Institution SPD

Die SPD braucht eine Linkswende, meinen viele Jusos auf dem Linkswendekongress. Sie könnten sich ihren Vorsitzenden Kevin Kühnert gut als Teil einer SPD-Spitze vorstellen. Der betont, dass es für die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse das Gewicht der Jusos als Ganzes braucht.

Von Irene Esmann |
Kevin Kühnert der Bundesvorsitzender der Jusos beim Deutschen Evangelischen Kirchentags 2019 in Dortmund
Juso-Chef Kühnert beim Evangelischen Kirchentag - er schließt eine Kandidatur um den SPD-Vorsitz nicht aus (dpa / picture alliance / Flashpic / Jens Krick )
Es weht ein Hauch von 60er-Jahre-Atmosphäre durch die Alte Messehalle in München: zwei beige-braune Sofas, dahinter eine gelbe Blumentapete, auf einem Couchtisch liegen Zeitungen vom 8. Dezember 1969 aus: Erinnerungen an die erste offizielle Linkswende der Jusos. Ein weißhaariger Mann blättert in den Zeitungen, auf einem Foto erkennt er sich selbst wieder: Es ist Karsten Voigt [*]. Er wurde damals zum Vorsitzenden der selbstbewussten Jungsozialisten gewählt. Jetzt erinnert er sich an das, was ihm damals wichtig war:
"Die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft, eine neue Ostpolitik und auch eine ganz engagierte Europapolitik."
"Beschlossen haben wir das oft, es muss gemacht werden"
Vieles sei erreicht worden seitdem, Karsten Voigt [*] erwähnt den freieren Zugang zu Bildung, und dass Deutschland inzwischen de facto ein Einwanderungsland sei.
Im Jahr 2019 aber gebe es genug Probleme, die eine neue Linkswende rechtfertigten. Etwa den größer werdenden Unterschied zwischen arm und reich oder die Wohnungspolitik.
Eine seiner Nachfolgerinnen, die einst erste Frau an der Spitze der Jusos und spätere Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, ergänzt:
"Die Frage ist, dass wir uns in der Sache erneuern: zur Frage der sozialökologischen Transformation, zur Frage der Frauenrechte, der internationalen Solidarität, weg von Atomwaffen – und auch weg von Atomwaffen auf deutschem Boden. Also, das sind die Punkte – beschlossen haben wir das oft, es muss nur auch gemacht werden."
Kevin Kühnert als SPD-Vorsitzender?
Genau das fordern auch die aus ganz Deutschland angereisten Teilnehmer des Juso-Treffens, und sie haben dabei konkrete Vorstellungen:
"Nur durch die Jusos kann die Linkswende gelingen."
"Indem wir uns wieder mehr auf die Inhalte konzentrieren, ich glaube unser Bundesvorsitzender macht das schon ganz gut, wir haben mit dem Sozialstaatspapier begonnen, da muss noch mehr kommen, Klimawandel beispielsweise."
"Da müssen wir dann auch raus aus der Groko, und zu guter Letzt dann auch hoffentlich ein gutes Duo an der Spitze."
Viele der rund 600 Kongressteilnehmer sind sich einig: Kevin Kühnert könnte es - Teil eines SPD-Vorsitzenden-Tandems sein.
Sind die Jusos radikal oder die politischen Missstände?
Der wettert bei seiner Begrüßungsrede gegen all jene, die der SPD vorwerfen, die deutsche Ursula von der Leyen nicht zu unterstützen – bei ihrer Bewerbung als EU-Kommissionspräsidentin:
"Auf meinem Stimmzettel bei der Europawahl standen nicht Nationenlisten drauf. Auf meinem Stimmzettel standen Parteien. Und Wahlkampf haben wir nicht gemacht für jemandem mit einem deutschen Pass, sondern Wahlkampf haben wir gemacht für Franz Timmermans, und nicht weil er Niederländer ist, das ist uns scheißegal, sondern weil er Sozialdemokrat ist."
Der 30-Jährige Berliner versteht es die Seinen mitzureißen, als er erklärt, dass er eigentlich gar nicht versteht, warum die Jusos manchmal als radikal beschrieben würden. Radikal, das sei etwas Anderes:
"Wir finden es radikal, wie ungleich Vermögen verteilt ist, wir finden es radikal wie diese Welt Raubbau an ihren Lebensgrundlagen begeht, wir finden es radikal wenn die EU, ausgezeichnet mit dem Friedensnobelpreis, nur lässig mit den Schultern zuckt, wenn immer wieder hunderte oder tausende im Mittelmeer ertrinken. Und wir sehen insofern, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse radikal sind, in denen wir leben."
Der Marsch durch die Institution
Ob er gegen all das als Bundesvorsitzender der SPD ankämpfen wird – mit einer neuen linken Politik? Eine Kandidatur schließt Kühnert nicht aus. Aber er sagt auch:
"Stärkeren Einfluss in einer Organisation zu gewinnen, das geht nicht nur über Vorsitze, das weiß niemand besser als die SPD. Einfach nur irgendwelche Heilsbringerfiguren aufzustellen, hat uns nichts gebracht, sondern sehr geschadet in den letzten Jahren. Und deshalb geht es für uns Jusos auch darum, systematisch von unten nach oben in der SPD an Gewicht zu gewinnen."
Sie wollen ihn in gewisser Weise antreten, den Marsch durch die Institution SPD. 50 Jahre nachdem die 68er ihren Marsch durch die Institutionen begonnen und so Manches verändert haben.

[*] An dieser Stelle haben wir im Audio und im Manuskript den Vornamen korrigiert.