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Linux wird groß

Software.- Das offene Betriebssystem Linux ist soweit entwickelt, dass es bereits seit zehn Jahren auch für Großrechner eingesetzt wird. Der Wissenschaftsjournalist Peter Welchering erklärt im Interview mit Manfred Kloiber, warum Linux für die Riesencomputer immer beliebter wird.

    Manfred Kloiber: Schon seit zehn Jahren tut Linux seinen Dienst auf Großrechnern. Es begann mit einem Projekt, das der Systemingenieur Karl-Heinz Strassemeyer zusammen mit dem Erfinder des offenen Betriebssystems, Linus Thorvalds, im Jahr 2000 startete. Anfang dieser Woche gab es im Böblinger Entwicklungslabor der IBM eine Art Jubiläumskonferenz mit Forschungsausblicken. Welche Position nimmt denn Lixux bei den Großrechnersystemen heute ein, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Naja, das ist bei Licht besehen noch eine Minderheitenposition, aber es ist eine wichtige Minderheitenposition und es ist eine Position, die sehr stark ausgebaut wird. Und vor allen Dingen wird erwartet, dass für die kommenden Jahre hier ein sehr starkes Wachstum stattfinden wird. Weltweit – wenn man sich die Situation mal aktuell anschaut – laufen etwa zehn Prozent der Großrechner unter einem Linux-System. Für die IBM-Mainframes liegen konkrete Zahlen vor und die sind auch am Montag vorgestellt worden. Und da kommt man, wenn man die mal insgesamt addiert, auf eine Beteiligung von Großrechnern unter Linux, die bei 16 Prozent liegt. Und inzwischen – und das ist der weitaus wichtigere Punkt – gibt es eben auch mehr als 3100 Anwendungen für die Linux-Großrechner. Und ein nicht geringer Teil davon, von diesen Anwendungen, läuft eben unter der Open-Source-Lizenz und das macht diese Softwarepakete dann auch ziemlich attraktiv und beliebt. Und weiterhin muss man auch sehen, dass ein großer Teil dieser Software in ausgesprochen kritischen Einsatzbereichen mittlerweile läuft, beispielsweise bei der Swift-Clearingstelle in Dreieich bei Frankfurt, die die Überweisungen und die Finanztransaktionen von vielen Banken und großen Konzernen in das weltweite Netzwerk für den Zahlungsverkehr von Sfift einspeist. Also Linux zählt insgesamt zu den ganz wichtigen Betriebssystemen im Großrechnerbereich, auch wenn es noch eine Minderheitenposition hat. Und es wurde von einem Konferenzteilnehmer am Montag sogar als Rückgrat der Volkswirtschaft hierzulande bezeichnet. Immer wieder betont wurde, dass Linux auf einem Großrechner eine deutsche Entwicklung ist, denn die Implementierungs- und die Anpassungsarbeiten wurden im Böblinger Entwicklungslabor gemacht. Das Geld dafür kam allerdings aus den USA. Das muss man fairer Weise auch hervorheben. Aber die Programmierarbeiten stammen immerhin aus dem Ländle.

    Kloiber: Was macht denn eigentlich Linux für den Mainframe-Einsatz so beliebt?

    Welchering: In erster Linie eigentlich die Tatsache, dass Linux gerade kein großrechnerspezifisches Betriebssystem ist. Das klingt ein bisschen paradox, das muss man auch erläutern. Bis zu zehn Prozent der Linux-Systemalgorithmen mussten nämlich nur für den Großrechnereinsatz verändert werden. Und das ist im Vergleich zu anderen Betriebssystemen zu großrechnerspezifischen Betriebssystemen, die dann von einem Großrechner auf den anderen portiert werden, extrem wenig. Und: Linux ist ausgesprochen flexibel. Das grenzt es wohl auch von den anderen Großrechnersystemen so ein bisschen ab. Flexibel zum einen, was neue Hardware und was neue Prozessoren angeht, aber auch was neue Middleware angeht, die dann drübergelegt werden kann. Und so werden im Mainframebereich immer mehr Algorithmen und Spezialfunktionen auf die Prozessoren gelegt, also wenn man so will in Silikon gegossen. Und die Betriebssystem-Schnittstelle zu diesen Algorithmen lässt sich mit Linux insgesamt recht effizient und mit relativ wenig Aufwand realisieren. Und die zweite Perspektive ist auch wichtig: die höheren Rechengeschwindigkeiten im Großrechnerbereich werden mit sogenannten Multicore-Systemen bewerkstelligt. Das sind Prozessoren mit mehreren Prozessorkernen und da hat man die Idee der parallel arbeitenden Mehrprozessorsysteme von vor 15 oder vor zehn Jahren aufgenommen. Allerdings: Jedem Prozessor werden dabei nur wenige Funktionen zugesprochen. Also jeder Prozessor der schrumpft, zu einem sogenannten bloßen Prozessorkern. Und das ist dann ein Prozessor, der dann unter Umständen aus 100 oder künftig vielleicht sogar Zehntausenden, ja sogar bis zu Millionen Prozessorkernen besteht, die dann parallel rechnen. Und das stellt natürlich an das Betriebssystem ganz neue Anforderungen – im Augenblick sind wir da so ungefähr beim Bereich von 100 bis 1000 Prozessorkernen im Labor. Und von so einem Multicore-System mit vielleicht dann später bis zu 200.000 Prozessorkernen, da werden dann pro Taktfrequenz etwa 200.000 Programmierbefehle verarbeitet. Und dafür brauchen die Großrechnerentwickler dann eben nicht nur ein gutes Parallelisierungskonzept, sondern auch eine Lösung, um diese 200.000 Prozessorkerne schnell zu versorgen – und zwar mit den für die Verarbeitung notwendigen Daten. Und diese Lösungen werden als Open Source unter Linux gerade mit ziemlich großem Erfolg und unter richtig großem Dampf, also sehr schnell, entwickelt.

    Kloiber: Peter Welchering war das über den Einsatz von Linux auf Großrechnern. Vielen Dank.