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Lisa Jopts Replik auf Frank Castorf
"Einfach mal den Schnabel halten"

Frauen könnten nicht so gut Theater machen wie Männer - so etwas wie Frank Castorf frei heraus zu sagen, sei fast schon wieder mutig, findet die Schauspielerin Lisa Jopt. Andererseits ärgert sie: Ein Theatermacher in seiner Position hätte über die Frauenkulturbewegung auch ein positives Wort verlieren können.

Lisa Jopt im Gespräch mit Anja Reinhardt |
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    Muss man sich das wirklich noch anhören? (imago stock&people)
    Anja Reinhardt: Frauen können nicht so richtig gut Theater machen, sagt Frank Castorf heute in der "Süddeutschen Zeitung". Für ihn liegt da der Vergleich von Männer- und Frauenfußball nahe und Frauenfußball interessiere ihn einfach nicht. "Wenn eine Frau besser ist, habe ich nichts dagegen. Nur habe ich so viele nicht erlebt." So Castorf heute in der "SZ".
    Wenn nun aber 70 Prozent der Stücke an Theatern von Männern inszeniert werden und nur 20 Prozent der Intendanzen weiblich besetzt sind, dann fängt es ja schon damit an, dass Frauen seltener Gelegenheit haben zu zeigen, dass Frank Castorf falsch liegt.
    Lisa Jopt gehört zu den Frauen am Theater, die sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, unter anderem mit der Initiative Ensemble Netzwerk. Vor drei Monaten veranstaltete sie außerdem einen Kongress in Bonn mit ausschließlich weiblichen Theaterschaffenden.
    Ist Castorf ein Dinosaurier, der bald aussterben wird?
    Jopt: Ja, von der Haltung her: ja. Als Künstler hoffentlich nicht. Hoffentlich bleibt er noch lange, aber tatsächlich von der Haltung her denke ich schon: Jede Generation kommt an, hat neue Themen, die sie aufs Tapet bringt. Manche Themen dauern leider länger, bis sie durchgesetzt sind oder sich etabliert haben. Aber immer mal wieder denke ich schon, muss ich leider wirklich zugeben: Oh Gott, irgendwann sind auch diese Haltungen halt nicht mehr salonfähig. Und gerade bei älteren, erfolgreichen Herren sind dann auch einfach solche Stammtischsprüche wie "Frauenfußball ist nicht ästhetisch" oder "Frauen haben's einfach nicht drauf, ob jetzt als Malerin oder Theatermacherin", – die sind dann auf einmal so salonfähig. Aber ich denke, das wird sich verändern.
    Lustig, verschroben, ignorant
    Reinhardt: Aber das ist ja ganz interessant. Wie ist denn Ihre Reaktion gewesen, als das gelesen haben. Waren Sie belustigt, oder haben Sie sich geärgert?
    Jopt: Ich finde den halt einen tollen Theatermacher. Und ich finde das halt kauzig oder ulkig, skurril halt. Und irgendwie finde ich es auch ganz frei und mutig, sowas zu sagen, oder so eine verkalkte Haltung dazu zu haben und das in einem Interview so stehen zu lassen.
    Andererseits ärgert es mich, weil ich denke, der hat aufgrund seiner inneren Autonomie oder seiner Strukturen, die er sich als Künstler erarbeitet hat, hat er ganz Deutschland künstlerisch beeinflusst. Und wenn man in dieser Position ist, könnte man auch sagen: Mensch, da gibt es gerade diese – sage ich mal so – Frauenkulturbewegung. Seit der Studie von Monika Grütters ist da ja einiges los, es gibt "Pro Quote Bühne". Da ist gerade so eine Bewegung, die sich für Gerechtigkeit einsetzt, und das heißt nicht, dass wir spießig sind: Ich selber liebe nackt und Blut und Nebel auf der Bühne. Da kann man auch einfach mal den Schnabel halten und ein positives Wort darüber verlieren. Und das ist eben sehr ignorant. Ignorant, lustig, traurig, verschroben - halt alles.
    Reinhardt: Ich höre daraus: So richtig ernst kann man diese Aussage dann auch nicht nehmen. Aber vielleicht müssen wir noch mal kurz darüber sprechen, Frank Castorf hat ja als Ex-Intendant der Volksbühne natürlich auch an einer entscheidenden Position gesessen. Da geht es ja nicht nur um Befindlichkeiten, sondern auch um Verantwortung für eine nachfolgende Generation am Theater. Wie sehr muss man hier vielleicht auch unterscheiden zwischen solch einer Intendantenfunktion, die er nun nicht mehr hat, und dem Regisseur mit eigenen künstlerischen Visionen und Meinungen?
    Jopt: Die Volksbühne wäre ja nicht das, was sie gewesen ist und was für eine Strahlkraft sie bis heute hat, wenn die nicht ein völlig wahnsinniger Frank Castorf geleitet hätte. Von daher kann man da, finde ich, Künstler und Leiter nicht trennen. Allerdings muss ich auch sagen: Paradoxerweise verlange ich von allen anderen Theatern, so etwas zu trennen.
    Volksbühne war weniger Talentschmiede als andere Häuser
    Reinhardt: Und wie kommen Sie mit Ihrem eigenen Paradox dann da klar?
    Jopt: Ja, schwierig natürlich. Natürlich ist das nicht einfach, weil man hat es ja bei der Volksbühne mit einer Entgrenztheit mit ganz viel Theater, das aus dem Unterleib quasi herauskommt, zu tun. Plus einer totalen Belesenheit und Durchgeschraubtheit – das ist natürlich total faszinierend. Und das ist, wonach sich die meisten Künstlerinnen und Künstler auch sehnen – zumindest die, die ich kenne.
    Auf der anderen Seite, was dann natürlich fehlt an so einem Haus, sind die Strukturen, wo junge Theatermacherinnen sich durchsetzen können und von der Regieassistentin dann einfach sich freimachen und zur Regisseurin werden. Allerdings gibt es eh an Castorfs Haus nicht so unendlich viele Nachwuchsregisseure – ob männliche oder weibliche – die sich da ein Profil erarbeitet hätten. Da gibt es Häuser, die sind mehr Talentschmiede gewesen als die Volksbühne.
    Reinhardt: Sagt Lisa Jopt vom Ensemble Netzwerk mit einer eindeutigen Antwort auf die Frage, was wiederum Frank Castorf kann und was nicht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.