Mit einem Trommelwirbel marschiert die Litauische Ehrengarde vor dem Präsidentenpalast in Vilnius auf. Passanten schauen zu, wie die jungen Soldaten den wöchentlichen Flaggenwechsel üben. Bald sind die Umstehenden in hitzige Gespräche vertieft. Sie alle erwarten das angekündigte Bataillon der Bundeswehr, das möglicherweise schon bald in Litauen stationiert werden soll.
"Ich bin sehr erleichtert, dass sie unser kleines Land schützen wollen. Wir wissen nicht, was unser russischer Nachbar vorhat, Russland könnte sogar Krieg gegen Litauen führen."
"Wir wissen, wie viele Litauer unter der sowjetischen Besatzung gelitten haben und nach Sibirien deportiert wurden. Und die russischen Angriffe in der östlichen Ukraine beweisen, dass wir Hilfe benötigen." - "Dieses Angebot der deutschen Verteidigungsministerin ist völlig logisch. Ich bin selbst litauische Russin, trotzdem sorgt mich die Aufstockung der Verbände im benachbarten Kaliningrad.
Vor zwei Wochen hätte beinahe ein russischer Jagdbomber ein Schiff der US Navy auf der Ostsee gerammt. Nur weiß ich nicht, wohin dieses gegenseitige Aufrüsten führen wird."
Ein wichtiges Zeichen der Solidarität
Die Rede ist von bis zu 1.200 Soldaten der Deutschen Bundeswehr, die erstmals fest in Litauen stationiert werden sollen. Als wichtiges Zeichen der Solidarität wertet das litauische Verteidigungsministerium diesen Schritt, den auch 82 Prozent der Bürger begrüßen.
Zwar unterstützen bereits mehr als 3.000 NATO-Soldaten mit schwerer Militärtechnik sowohl die Streitkräfte in Litauen als auch in Estland und Lettland als sogenannte rotierende Speerspitze, sagt der stellvertretende Verteidigungsminister Marijus Velicka. Aber je mehr Alliierte ständig auf litauischem Grund und Boden seien, umso mehr Garantie, dass die Alliierten im Kriegsfall auch eingreifen würden.
"2014 hatte keiner unserer westlichen Alliierten erwartet, dass Russland die Krim wirklich annektiert. Das war ein Weckruf für Europa. Und auch wir Litauer haben aus Russlands Vorgehen in der Ukraine gelernt. Unseren Militärhaushalt erhöht, die Wehrpflicht wieder eingeführt, zwei Sonderbataillone gegründet und ein Gesetz verabschiedet, das den Soldaten auch in Friedenszeiten erlaubt, auf mögliche Angriffe mit der Waffe zu reagieren. Wir müssen sicher stellen dass einzelne Gebiete unseres Staates nicht eines Tages angegriffen oder besetzt werden wie in der Ukraine."
Übertriebene Angst vor Russland
Auch der Politologe Kestutis Girnius spürt die Angst der Litauer vor einem Einmarsch Russlands, hält sie jedoch für übertrieben. Vladimir Putin sei ein rational denkender Politiker, der wisse, dass jeder Angriff gegen ein baltisches Land wie Litauen zu einer deutlichen Antwort von der NATO führen würde.
Sogar die Angst Litauens, von den westlichen Ländern mit ihrer Furcht vor dem russischen Nachbarn vergessen zu werden, sei völlig unbegründet gewesen, sagt Kestutis Girnius.
"Niemand hätte vor zwei Jahren gedacht, dass die EU solch ernsthafte Sanktionen gegen Russland ausspricht. Aber sie sind immer noch in Kraft und werden wohl auch noch ein halbes oder ganzes Jahr verlängert werden. Und jetzt bietet sogar ein Alliierter die Stationierung eines ganzen Bataillons an. Insofern hat Litauen doch ein bisschen mehr erhalten, als erwartet."
Und doch hätten die Europäer mit Moskaus Unterstützung gegen das Atomprogramm des Iran und dem aktuellen Syrieneinsatz erkannt, dass Russland ein internationaler Spieler sei, sagt der Politologe. Eine Weltmacht, die als Mitglied im UN Sicherheitsrat eine wichtige Rolle spiele und die man nicht einfach isolieren könne. Kestutis Girnius.
"Wenn der Westen im Kalten Krieg mit Breschnew kooperieren konnte, dann kann er auch heute mit Putin zusammenarbeiten."
Die Ehrengarde am Litauischen Präsidentenpalast hat ihre Übung beendet und marschiert in ihren Stützpunkt zurück. Die Soldaten hoffen, dass der NATO-Gipfel im Juli die Pläne der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen absegnen wird. Damit sich die litauischen Streitkräfte bald ständig mit deutschen Soldaten in der Verteidigung gegen Angriffe aus Russland üben.