Archiv

Litauens Wirtschaftminister Sinkevičius
Mit 28 Jahren auf dem Weg zum EU-Kommissar

Der jüngste Minister in der Geschichte seines Landes ist er schon. Bald könnte der litauische Politiker Virginijus Sinkevičius auch den Altersschnitt der EU-Kommission senken. Der 28-Jährige ist von Litauen nominiert worden für einen Posten unter der zukünftigen Präsidentin von der Leyen.

Von Gesine Dornblüth |
Die Flaggen von Litauen und der Europäischen Union
Litauens neuer Präsident Gitanas Nauseda trifft heute Kanzlerin Angela Merkel. Auf dem Programm stehen auch europapolitische Fragen. (imago stock&people)
Virginijus Sinkevičius spricht mehrere Sprachen. Sein derzeitiges Amt heißt Minister für Wirtschaft und Innovation, und letzteres liegt ihm besonders am Herzen. Als Sinkevičius im Frühjahr Besuch von seinem ukrainischen Amtskollegen bekam, führte er ihn auf dem E-Scooter durch Vilnius.
Im letzten Sommer sprach Sinkevičius auf dem "Blockforum", einem Digital-Kongress in der litauischen Hauptstadt: "Litauen war immer im Fokus von Revolutionen - egal, ob es um Geopolitik, um Technologien oder um Business-Entscheidungen ging. Wir suchen permanent nach Lösungen, um den Alltag zu verbessern. Wer verrückt genug ist, zu glauben, dass er die Welt verändert, der tut das in der Regel auch."
Studium in Großbritannien und Niederlanden
Sinkevičius hat eine steile Karriere hinter sich: Nach dem Studium von Wirtschaft, internationalen Beziehungen und Völkerrecht in Großbritannien und den Niederlanden schrieb er drei Jahre als Journalist für das englischsprachige Online-Nachrichtenportal "Lithuanian Tribune".
Mit 26 Jahren wurde er Parlamentsabgeordneter. Das ist knapp drei Jahre her. Seine Partei, der Bund der Bauern und Grünen Litauens, war unerwartet mit mehr als 21 Prozent stärkste Partei geworden. Statt zuvor nur einen hatte der Bauernbund auf einmal 54 Sitze und ging in die Regierung.
"Schneller älter zu werden, geht nicht"
Sinkevičius wurde Vorsitzender des Wirtschaftausschusses und ein Jahr später Mitglied der Regierung. Schon damals musste er sich Fragen gefallen lassen, ob er nicht zu jung für das Amt sei, zu unselbständig, zu unerfahren. Er sagte damals: "Schneller älter zu werden, geht nicht. Mir ist klar, die Verantwortung ist riesig. Das Wichtigste ist, jetzt das Regierungsprogramm weiter umzusetzen. Das sind mehr als hundert Maßnahmen, und die Zeit drängt."
Sinkevičius hat die Förderung von Startups zur Priorität erklärt, Steuern für diese Art von Unternehmen gesenkt und bürokratische Hürden für ausländische Start-up-Mitarbeiter abgebaut. Litauen ist dabei, als eines der ersten EU-Länder eine Strategie für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu entwickeln. Auf Litauens Straßen werden bereits selbstfahrende Autos getestet. All das hat Sinkevičius vorangetrieben.
Als grüner Kommissar wichtig für von der Leyen?
In Brüssel kursieren Gerüchte, die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wolle mit Sinkevičius als Kommissar auf die europäischen Grünen zugehen. Doch der Bund der Bauern und Grünen Litauens ist vor allem dem Namen nach grün, die Partei sieht sich eher zentristisch und heimatverbunden.
Zwar sitzen zwei seiner Europa-Abgeordneten in der Grünen-Fraktion des Europaparlaments, der Bauernbund ist aber nicht Mitglied der Europäischen Grünen, also der europaweiten Gruppe aus grünen Parteien. Sinkevičius scheint dies ändern zu wollen. Dem litauischen Radiosender Ziniu Radijas sagte er letzte Woche: "Ich glaube fest, es sollte unser Ziel sein, Mitglied der Europäischen Grünen zu werden."
Offenbar doch keine Vorliebe für Trump
Internationale Medien haben berichtet, Sinkevičius habe eine Basecap mit der Aufschrift "Make America Great Again" in seinem Büro, und daraus auf eine Vorliebe für Donald Trump geschlossen. Sinkevičius habe die Kappe bei einem Besuch in den USA geschenkt bekommen, sie im Regal abgelegt und dort vergessen, wiegelt sein Referent in Vilnius ab. Das sei alles.
In Litauen wurde Sinkevičius Nominierung auch von der Opposition begrüßt. Litauische Medien feiern ihn. Der Fernsehsender Lrytas wollte wissen, was er denn noch werden wolle nach dem EU-Kommissar. Seine Antwort: "Ich plane meine politische Karriere nicht 15 Jahre im Voraus. Jetzt hat mich die Regierung für die EU nominiert. Ich muss eine Abstimmung im litauischen Parlament bestehen, dann sehr strenge Anhörungen in den Ausschüssen des EU-Parlaments. Und dann kommt eine harte Zeit, da muss ich viel Energie aufwenden, um zu beweisen, dass ich den Posten als EU-Kommissar verdiene."