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Literarische Beglaubigung für den Dichter der unsicheren Existenzen

Der Schriftsteller Wilhelm Genazino hat am Samstag im Staatstheater Darmstadt den Georg-Büchner-Preis der deutschen Akademie für Sprache und Dichtung erhalten. In der Urkunde wird Genazino treffend beschrieben als "unbändiger Komödiant mit der barmherzigen Seele, der unsere Zeit belauscht und ausspäht, um sie im Alltag unscheinbarer Einzelner zu spiegeln, detailversessen, eigensinnig und in wunderbar musikalischer Prosa." Tatsächlich ist Wilhelm Genazino ein eher leiser Flaneur, ein Stadtgänger, der die kleinen Existenzen, die Loser, die Unbeholfenen, die Verlierer und Verlorenen an Imbissbuden und in Fußgängerzonen beobachtet und sie, wie der Literaturkritiker Helmut Böttiger in seiner Laudatio bemerkte, zu Zeugen für die seelische Entwicklung im Staatsgefüge der Bundesrepublik beruft. Speziell die 50er und 60er Jahre habe er zu einer "mythischen Zeit" gemacht.

    Genazino, der heute in Frankfurt am Main lebt, wurde 1943 in Mannheim geboren und 1977 mit seiner "Abschaffel-Trilogie" bekannt. Seitdem sind unter anderem die Romane "Falsche Jahre" (1979) und "Leise singende Frauen" (1992) sowie zuletzt die Essaysammlung "Der gedehnte Blick" erschienen. Sein vor drei Jahren erschienener Roman "Ein Regenschirm für diesen Tag" war unter anderem im 'Literarischen Quartett’ hymnisch besungen worden. Eine Lanze für die Beobachtung des Unscheinbaren brach der 61-jährige Schriftsteller gestern auch in Darmstadt. Hören Sie Wilhelm Genazinos Dankesrede zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises: