Literatur und Pubs - das geht in keinem anderen Land besser zusammen als in Irland. Die grüne Insel hat mit James Joyce, Jonathan Swift, Samuel Beckett und Seamus Heany nicht nur berühmte Schriftsteller und Nobelpreisträger hervorgebracht, sondern auch eigene Kneipenkultur - vor allem in Dublin, wo Guinness und Verskunst zu den inspirierenden Stimulanzien des Alltags gehören:
Seit 1988 gibt es den "Dublin Literary Pub Crawl", was übersetzt einer literarischen Zechtour am nächsten kommt. Zwei Schauspieler entführen die Teilnehmer in die Dubliner Kneipenlandschaft, lesen dort aus "Ulysses" oder "Warten auf Godot". Für die freie Theaterszene eine Möglichkeit Geld zu verdienen, denn staatliche Theaterförderung ist in Irland unbekannt. Touristen können dabei ihre literarischen Kenntnisse aufbessern - ohne auf Guinness und Ale verzichten zu müssen. Colm Quilligan ist Schauspieler und organisiert diese Litera-Touren seit fast zwanzig Jahren:
" Joyce zum Beispiel liebte Dublins Straßensprache. Und ich bin auch davon fasziniert. Ja, es gibt eine direkte Verbindung zwischen Kneipen, Literatur und Schriftsteller. Joyce zum Beispiel liebte es, ganze Sequenzen von Ulysses in Pubs spielen zu lassen. Hier, ganz in der Nähe, spielt die Szene in Davy Byrnes Pub. Wir machen unsere Tour mit professionellen Schauspielern, die dem Publikum die literarischen Text nicht auf einer Theaterbühne vortragen, sondern ganz direkt. Das ist kein akademischer Abend, das ist etwas für Jedermann. Andernfalls wären wir nicht mehr im Geschäft."
Zu den berühmtesten Dubliner Kneipen gehört "Davy Byrne's" in der Duke Street im Herzen der Stadt. Auch James Joyce ließ hier einige Szenen seines Jahrhundertromans "Ulysses" spielen. Das Sandwich kann man übrigens bei Davy Byrne's noch immer essen, ein Pint trinken. Und Texten irischer Nationaldichter lauschen wie jenen von William Butler Yeats oder Sean O'Casey.
Knapp zweieinhalb Stunden dauert der Dublin Literary Pub Crawl. Leichter Nieselregen begleitet heute die 25 Teilnehmer. Doch es geht ausgelassen zu. Ob man Interesse für Joyce oder andere literarische Klassiker wecken möchte, das scheint eher nebensächlich sein. Es gehe darum, dass die Leute ihren Spaß haben und nebenbei etwas über unsere berühmten Schriftsteller erfahren, sagt Colm Quilligan. Die Leute wollen lachen, und der Schauspieler trägt das so selbstbewusst vor, als wäre jeder Widerspruch sinnlos.
Brown Thomas gibt es noch immer - in der Grafton Street. Auch hier findet man wie überall in der Stadt bronzene Tafeln - Schilder, die Auskunft darüber geben, welche Szene aus "Ulysses" an diesem Ort spielt und wann sich Leopold Bloom hier aufgehalten hat. Bloom ist die Hauptfigur des Romans. Seine Geschichte ist eine Odyssee, eine Irrfahrt während eines einzigen Tages. Joyce wählte dafür den 16. Juni 1904 - das Datum der ersten Begegnung mit seiner Frau.
Heute ist der 16. Juni allen Joyce-Verehrern weltweit als "Bloomsday" vertraut. Alljährlich zelebriert man in der irischen Hauptstadt diesen literarisch folgenschweren Tag. Dann findet ein gigantisches Festival statt, das sich zu einem Touristenmagneten ersten Ranges entwickelt habe, sagt Laura Weldon vom nationalen Organisationskomitee:
" Wir bieten ein ganzes Spektrum von Festivitäten, über 60 Großveranstaltungen, die sich an Menschen richten, die wenig Hintergrundinformationen über James Joyce und Ulysses haben, die aber neugierig sind. Und wir haben gleichzeitig Seminare auf Universitätsniveau. Es gibt praktisch für jeden etwas. Dahinter steht die Idee, dass man unabhängig vom jeweiligen Wissensstand mitmachen, sich wohlfühlen und irgendetwas lernen kann und hoffentlich von Ort zu Ort der Ereignisse wandert und sein Wissen bereichert. Es gibt Spaziergänge, Bustouren. Bei uns gibt es alles, was man sich erträumen kann."
Bereits im Flugzeug wird man auf das Festival eingestimmt. Ist man mit einer Air Lingus Maschine nach Dublin unterwegs, sitzt man auf James Joyce (oder Jonathan Swift), denn das literarisch-verzierte Design der Sitzpolster weist die Handschriften Irlands berühmter Dichter auf. Und schon ist man mittendrin in dieser einschmiegsamen Form, Literatur sinnlich aufleben zu lassen. Der irische Schriftsteller Seamus Heany indes mahnte bereits, Bloomsday sei zu einem Karneval heruntergekommen. Das hält den Nobelpreisträger aber nicht davon ab, selber am Festival teilzunehmen.
Dem werbewirksamen Einsatz des Markenartikels Joyce stehen gegenüber die pädagogisch-literarischen Bemühungen seiner Nachfahren. Helen Monahan ist eine Großnichte von Joyce. Heute arbeitet die Künstlerin für visuelle Gestaltung als Kuratorin im Dubliner James Joyce Centre, das ihr Vater gegründet hatte:
" Manche Leute sagen, Bloomsday sei zu einem Karneval verkommen, einem literarischen Disneyland und völlig kommerzialisiert. Tatsächlich aber geht es darum, eine Balance zu finden zwischen Spaß und dem ernsthaften Aspekt von Literatur ... International war er immer anerkannt, aber weit weniger in seinem eigenen Land, in seiner eigenen Stadt ... Und es scheint uns eine Schande zu sein, dass er hier nicht genügend gewürdigt wurde."
Verschmitzt schaut Terence Killeen unter seiner dicken Hornbrille hervor, den ich im James Joyce Centre treffe. Der Journalist lächelt, während er die Frage beantwortet, warum gerade James Joyce, Ulysses und die Hauptfigur Bloom auf diesen Kneipen-Literatouren so populär sind:
" Natürlich ist es ist ganz nett zu wissen, dieses geschah hier, jenes dort, dass wir jetzt an dem Ort stehen, wo auch Bloom stand. Das Buch ist ein realistischer Roman in dem Sinne, dass alles in einer wirklichen Stadt, an echten Schauplätzen passiert. Aber das gilt auch für viele andere Romane. Das reicht also nicht. Und man würde Ulysses damit nicht gerecht werden."
Mittlerweile habe sich die Literaturkneipentour von einer Marktlücke zum festen Bestandteil des Kulturprogramms in Dublin gemausert, versichert Colm Quilligan. Die meisten Teilnehmer kämen aus England, Skandinavien und vom Festland - 20.000 seien es jährlich.
Am Ende jeder Zechtour mit ihren literarischen und alkoholischen Kostproben steht ein heiteres Autorenraten. Diesmal gewinnt ein Engländer das lila T-Shirt - Joyce sei Dank.
Seit 1988 gibt es den "Dublin Literary Pub Crawl", was übersetzt einer literarischen Zechtour am nächsten kommt. Zwei Schauspieler entführen die Teilnehmer in die Dubliner Kneipenlandschaft, lesen dort aus "Ulysses" oder "Warten auf Godot". Für die freie Theaterszene eine Möglichkeit Geld zu verdienen, denn staatliche Theaterförderung ist in Irland unbekannt. Touristen können dabei ihre literarischen Kenntnisse aufbessern - ohne auf Guinness und Ale verzichten zu müssen. Colm Quilligan ist Schauspieler und organisiert diese Litera-Touren seit fast zwanzig Jahren:
" Joyce zum Beispiel liebte Dublins Straßensprache. Und ich bin auch davon fasziniert. Ja, es gibt eine direkte Verbindung zwischen Kneipen, Literatur und Schriftsteller. Joyce zum Beispiel liebte es, ganze Sequenzen von Ulysses in Pubs spielen zu lassen. Hier, ganz in der Nähe, spielt die Szene in Davy Byrnes Pub. Wir machen unsere Tour mit professionellen Schauspielern, die dem Publikum die literarischen Text nicht auf einer Theaterbühne vortragen, sondern ganz direkt. Das ist kein akademischer Abend, das ist etwas für Jedermann. Andernfalls wären wir nicht mehr im Geschäft."
Zu den berühmtesten Dubliner Kneipen gehört "Davy Byrne's" in der Duke Street im Herzen der Stadt. Auch James Joyce ließ hier einige Szenen seines Jahrhundertromans "Ulysses" spielen. Das Sandwich kann man übrigens bei Davy Byrne's noch immer essen, ein Pint trinken. Und Texten irischer Nationaldichter lauschen wie jenen von William Butler Yeats oder Sean O'Casey.
Knapp zweieinhalb Stunden dauert der Dublin Literary Pub Crawl. Leichter Nieselregen begleitet heute die 25 Teilnehmer. Doch es geht ausgelassen zu. Ob man Interesse für Joyce oder andere literarische Klassiker wecken möchte, das scheint eher nebensächlich sein. Es gehe darum, dass die Leute ihren Spaß haben und nebenbei etwas über unsere berühmten Schriftsteller erfahren, sagt Colm Quilligan. Die Leute wollen lachen, und der Schauspieler trägt das so selbstbewusst vor, als wäre jeder Widerspruch sinnlos.
Brown Thomas gibt es noch immer - in der Grafton Street. Auch hier findet man wie überall in der Stadt bronzene Tafeln - Schilder, die Auskunft darüber geben, welche Szene aus "Ulysses" an diesem Ort spielt und wann sich Leopold Bloom hier aufgehalten hat. Bloom ist die Hauptfigur des Romans. Seine Geschichte ist eine Odyssee, eine Irrfahrt während eines einzigen Tages. Joyce wählte dafür den 16. Juni 1904 - das Datum der ersten Begegnung mit seiner Frau.
Heute ist der 16. Juni allen Joyce-Verehrern weltweit als "Bloomsday" vertraut. Alljährlich zelebriert man in der irischen Hauptstadt diesen literarisch folgenschweren Tag. Dann findet ein gigantisches Festival statt, das sich zu einem Touristenmagneten ersten Ranges entwickelt habe, sagt Laura Weldon vom nationalen Organisationskomitee:
" Wir bieten ein ganzes Spektrum von Festivitäten, über 60 Großveranstaltungen, die sich an Menschen richten, die wenig Hintergrundinformationen über James Joyce und Ulysses haben, die aber neugierig sind. Und wir haben gleichzeitig Seminare auf Universitätsniveau. Es gibt praktisch für jeden etwas. Dahinter steht die Idee, dass man unabhängig vom jeweiligen Wissensstand mitmachen, sich wohlfühlen und irgendetwas lernen kann und hoffentlich von Ort zu Ort der Ereignisse wandert und sein Wissen bereichert. Es gibt Spaziergänge, Bustouren. Bei uns gibt es alles, was man sich erträumen kann."
Bereits im Flugzeug wird man auf das Festival eingestimmt. Ist man mit einer Air Lingus Maschine nach Dublin unterwegs, sitzt man auf James Joyce (oder Jonathan Swift), denn das literarisch-verzierte Design der Sitzpolster weist die Handschriften Irlands berühmter Dichter auf. Und schon ist man mittendrin in dieser einschmiegsamen Form, Literatur sinnlich aufleben zu lassen. Der irische Schriftsteller Seamus Heany indes mahnte bereits, Bloomsday sei zu einem Karneval heruntergekommen. Das hält den Nobelpreisträger aber nicht davon ab, selber am Festival teilzunehmen.
Dem werbewirksamen Einsatz des Markenartikels Joyce stehen gegenüber die pädagogisch-literarischen Bemühungen seiner Nachfahren. Helen Monahan ist eine Großnichte von Joyce. Heute arbeitet die Künstlerin für visuelle Gestaltung als Kuratorin im Dubliner James Joyce Centre, das ihr Vater gegründet hatte:
" Manche Leute sagen, Bloomsday sei zu einem Karneval verkommen, einem literarischen Disneyland und völlig kommerzialisiert. Tatsächlich aber geht es darum, eine Balance zu finden zwischen Spaß und dem ernsthaften Aspekt von Literatur ... International war er immer anerkannt, aber weit weniger in seinem eigenen Land, in seiner eigenen Stadt ... Und es scheint uns eine Schande zu sein, dass er hier nicht genügend gewürdigt wurde."
Verschmitzt schaut Terence Killeen unter seiner dicken Hornbrille hervor, den ich im James Joyce Centre treffe. Der Journalist lächelt, während er die Frage beantwortet, warum gerade James Joyce, Ulysses und die Hauptfigur Bloom auf diesen Kneipen-Literatouren so populär sind:
" Natürlich ist es ist ganz nett zu wissen, dieses geschah hier, jenes dort, dass wir jetzt an dem Ort stehen, wo auch Bloom stand. Das Buch ist ein realistischer Roman in dem Sinne, dass alles in einer wirklichen Stadt, an echten Schauplätzen passiert. Aber das gilt auch für viele andere Romane. Das reicht also nicht. Und man würde Ulysses damit nicht gerecht werden."
Mittlerweile habe sich die Literaturkneipentour von einer Marktlücke zum festen Bestandteil des Kulturprogramms in Dublin gemausert, versichert Colm Quilligan. Die meisten Teilnehmer kämen aus England, Skandinavien und vom Festland - 20.000 seien es jährlich.
Am Ende jeder Zechtour mit ihren literarischen und alkoholischen Kostproben steht ein heiteres Autorenraten. Diesmal gewinnt ein Engländer das lila T-Shirt - Joyce sei Dank.