Archiv

Literat Dario Fo
Ein Theaterautor wird zum Romancier

Nach Auskunft seines Verlegers handelt es sich bei "Die Tochter des Papstes" um den ersten Roman des Literaturnobelpreisträgers Dario Fo, der eher als Theaterautor und Satiriker bekannt ist. Erzählt wird das Leben von Lucrezia Borgia. Fo sieht sie als Opfer ihrer Adelsfamilie.

Von Henning Klüver |
    Der italienische Theater-Autor, und Literatur-Nobelpreisträger Dario Fo mit seinem Roman "Die Tochter des Papstes".
    Dario Fo mit seinem Roman "Die Tochter des Papstes". (picture alliance / dpa - Matteo Bazzi)
    Wer in diesen Tagen in die Mailänder Wohnung von Dario Fo kommt, fühlt sich in die Werkstatt eines Meisters aus der Renaissance versetzt. Überall stehen Gemälde herum, an einigen wird gerade gearbeitet. Mitten im Raum sitzt der 88-jährige Maestro mit einer dunkelblauen Schürze vor einer Leinwand und skizziert eine Szene mit zwei Figuren. Um ihn herum arbeiten junge Frauen, sie gestalten Hintergründe oder füllen Flächen farbig aus.
    "Das ist Sara, die kommt von der Kunstakademie, hat aber auch Theater studiert. Wie die meisten hier, Michela zum Beispiel oder Jessica."
    Die Bilder, um die es hier geht, gehören zum Thema der jüngsten Arbeit von Dario Fo, die sich um Lucrezia Borgia dreht. Eine Arbeit jedoch nicht in Form eines Theaterstückes, sondern als Erzählung. "La figlia del papa" – "Die Tochter des Papstes" – lautet der Titel eines Buches, das gerade im Mailänder Verlag Chiarelettere erschienen ist. Nach Auskunft des Verlegers handelt es sich sogar um den "ersten Roman" des Literaturnobelpreisträgers. Erzählt wird das Leben von Lucrezia Borgia, die uneheliche Tochter des skandalumwobenen Papstes, Alexander der VI., und Bruder des Fürsten und Haudegens Cesare Borgia. Die bildhübsche Frau war an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert mehrfach verlobt, drei Mal verheiratet und hat wohl vielen Männern den Kopf verdreht. Dario Fo sieht sie als ein Opfer der Familienpolitik der Borgias.
    "Sie wurde vom Vater oder auch vom Bruder als Figur eines gefährlichen Spiels benutzt, bei dem es um Geschäfte oder um Fragen der Macht ging. Sie wurde wirklich schlimm ausgenutzt."
    Dario Fo beschreibt die Papsttochter als selbstbewusste Frau
    Die Nachwelt hat aus Lucrezia eine femme fatale in einer von Korruption durchsetzten Renaissancewelt gemacht. Doch Dario Fo, der für diese Arbeit gründlich die Quellen studiert hat, beschreibt die Papsttochter als selbstbewusste Frau, die sich vor allem in ihrer dritten Ehe mit Herzog Alfonso d'Este in Ferrara von römischen Intrigen löste, mit Künstlern und Intellektuellen umgab und zu einer geliebten Landesmutter wurde.
    "Sie ändert ihr Leben radikal. Sie will nichts mehr mit früher zu tun haben, engagiert sich sozial, inspiziert die Gefängnisse, gründet eine Volksbank, gibt materielle Unterstützung bei Erdbeben und hilft danach, die Städte größer und schöner wieder aufbauen. Das war eine mächtige Frau, weil sie sich auf die Liebe ihres Volkes stützen konnte."
    Für seine Protagonistin empfindet Dario Fo viel Sympathie und besonders als soziale Kämpferin trägt sie stellenweise Züge der Schauspielerin und Frauenrechtlerin Franca Rame, die kürzlich verstorbene Ehefrau des Autors. Ob man den Text wirklich einen Roman nennen kann, sei dahin gestellt. Er liest sich wie eine ausführliche, mit Ironie und Witz gespickte Handlungsstruktur eines Theaterstückes von Dario Fo. Und es drängen sich bei der Schilderung der römischen Intrigen Parallelen zum Italien der vergangenen Jahre auf. Doch die habe er, sagt Fo, nicht gesucht.
    "Es ist ja leicht zu sagen 'wie bei Berlusconi'. Außerdem: Hätte Berlusconi bloß diese Kultur gehabt wie die Protagonisten von damals! Seine Politiker haben doch in den vergangenen 20 Jahren zum Abbau von Kultur, zum Untergang der staatlichen Schulen, zur Schließung von Theatern beigetragen, zu einer kulturellen Leere."
    Die Bilder, die zum Thema entstanden sind, gehen teils auf Vorlagen berühmter Gemälde aus der Renaissance zurück, wie das Porträt der Lucrezia Borgia als Flora von Bartolomeo Veneto. Teils zeigen sie auch frei erfundenen Szenen. Es gehörte schon immer zum Schaffensprozess des ehemaligen Kunststudenten Dario Fo, nicht nur Texte zu schreiben und auf der Bühne zu stehen, sondern auch zu malen. Einige Bilder sind im Buch abgedruckt. Und es werden, wie man in der Wohnung sehen kann, immer mehr. Die sollen demnächst auf einer Ausstellung in Ferrara gezeigt werden, wo Lucrezia 1519 im Alter von 39 Jahren am Kindbettfieber starb und wo sie begraben liegt.