Tanya Lieske: "In neun von zehn Fällen sollte eine Frau lieber mehr Zuneigung zeigen, als sie verspürt." "Wenn irgendetwas Unerfreuliches passiert, kommen die Männer mit Sicherheit drumrum." Zwei Zitate, die nicht etwa der Kolumne einer Frauenzeitschrift entspringen, sondern einer sehr spitzen Feder. Und sie, die Feder, wurde zur Zeit Jane Austens tatsächlich noch im Wortsinn angespitzt – nicht wenige ihrer Figuren benutzen nämlich noch Gänsekiele. Jane Austen ist die Autorin von sechs Romanen, die mit einiger Verzögerung zu Weltruhm gelangt sind. Zu ihren Lebzeiten konnte die Autorin davon höchstens einen ganz kleinen Zipfel erhaschen. Sie ist nämlich früh gestorben, heute vor 200 Jahren, im Alter von nur 41 Jahren. Geboren am 16. Dezember 1775 in Hampshire, gestorben am 18. Juli 1817 in Winchester. Wir halten darum das sich stetig drehende Zeitrad des Büchermarkts für eine Sendung an und werfen einen dankbaren, vielleicht sogar ehrfürchtigen Blick auf eine außergewöhnliche Persönlichkeit, auf ein herausragendes Werk, dem wir Einsicht, Humor, Unterhaltung und Welterkenntnis verdanken. Mir aus Melbourne zugeschaltet ist jetzt der Germanist Christian Grawe. Er hat Jane Austens Biografie geschrieben, und er hat all ihre Romane übersetzt. Hallo, Herr Grawe!
Christian Grawe: Guten Tag, Frau Lieske. Herzlich willkommen in Melbourne!
"Ich habe noch nie einen so charmanten Romananfang gelesen"
Lieske: Danke schön, herzlich willkommen in Köln. Herr Grawe, Sie sind Germanist, 1935 in Stettin geboren. Sie haben an verschiedenen deutschen Universitäten studiert, sind dann mit Ihrer Frau Ursula nach Amerika gegangen, und 1976 nach Australien an die Universität von Melbourne. Veröffentlichungen über Herder, Goethe, Schiller, Fontane, Mann, Kleist und Bergengrün säumen Ihren Weg. Das ist germanistisches Kernland, könnte man sagen. Wie passt denn da eine Jane Austen ins Bild? Wann haben Sie denn diese Autorin für sich entdeckt?
Grawe: In Amerika waren wir drei Jahre, und ich hatte damals das Bedürfnis, mehr englische und amerikanische Klassiker zu lesen. Ich bin also in einen Buchladen gegangen und habe völlig per Zufall Jane Austens "Pride and Prejudice", "Stolz und Vorurteil" mit nach Hause genommen und abends angefangen zu lesen. Und als ich das erste Kapitel beendet hatte, habe ich zu meiner Frau gesagt, ich habe noch nie einen so charmanten Romananfang gelesen. Das war der Beginn einer Liebe auf den ersten Blick.
Lieske: Jane Austen hat ja geschrieben im ausgehenden 18. Jahrhundert und im frühen 19. Jahrhundert. Sie steht als Person, auch mit ihrem Werk, also zwischen zwei Epochen, der Aufklärung und der Romantik, zwischen Verstand und Gefühl. Könnte man sagen, dass das auch die beiden Pole sind, zwischen denen sich ihr Werk bewegt.
Grawe: Das kann man ganz sicher, und ich glaube, die Ideale, die Jane Austen in ihren Romanen darstellt, sind auch zum Teil noch aus der Aufklärung gekommen, also etwa die Balance zwischen Verstand und Gefühl, alle Extreme soll man vermeiden. Aber wir müssten, glaube ich, etwas noch hinzufügen. Sie schreibt zur Zeit der Romantik, und die Romantik wird in England vor allem von den Männern getragen, von Byron, von Wordsworth. Das sind wahrscheinlich die beiden wichtigsten Autoren. Aber bei Jane Austen kommt eine Dimension in die Zukunft hinzu. Sie wird allgemein betrachtet als Beginn des Realismus in der englischen Literatur. Und derjenige, der das am frühesten erkannt hat, war Walter Scott in Schottland. Denn er hat ihr etwas zugestanden, was die zeitgenössische Romanliteratur eigentlich noch nicht kannte. Sie war weitgehend auf Sensationen erpicht. Und Scott sagte von Jane Austen: "Die junge Dame hatte ein Talent, die Probleme und Gefühle alltäglicher Charaktere zu schildern, wie ich es so ausgeprägt noch nie erlebt habe."
Kombination aus Liebes- und Gesellschaftsroman
Lieske: Also frühe Anerkennung durch einen berühmten männlichen Zeitgenossen. Sie erwähnen die Zeit – es war die große Zeit der Lyrik, die große Zeit der Romantik. Es schrieben ja noch ein paar Frauen, Mariah Edgeworth mit "Castle Rackrent", Mary Shelley mit ihrem "Frankenstein". Wie unterscheidet sie sich denn von den anderen Schriftstellerinnen ihrer Zeit?
Grawe: Thematisch unterscheidet sie sich sicher nicht wesentlich. Es ist die Kombination von zwei Romantypen: Einmal ist es der Liebesroman, der im Allgemeinen mit einer glücklichen Ehe endet. Aber zum Zweiten ist es auch der Gesellschaftsroman, der einen Einblick gibt in das englische Alltagsleben der Zeit. Und beides wird miteinander kombiniert. Was Jane Austen auszeichnet, ist ihr ungewöhnlich hoher Kunstverstand, ihre Fähigkeit, Alltag zu schildern und lebendig zu machen. Und was mich an diesem Anfang von "Stolz und Vorurteil" so bestochen hat, ist, mit welcher Raffinesse und Geschicklichkeit sie ein Ehepaar schildert nur durch einen Dialog. Und durch den Dialog lernen wir diese beiden Figuren so kennen, dass wir sie eigentlich vor uns stehen sehen. Darf ich Ihnen diesen für mich sensationellen Anfang vorlesen?
Lieske: Der Sie damals, glaube ich, auch geködert hat. Sehr gern, Herr Grawe.
Grawe: "Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein alleinstehender Mann im Besitz eines schönen Vermögens nichts dringender braucht als eine Frau. Zwar sind die Gefühle oder Ansichten eines solchen Mannes bei seinem Zuzug in eine neue Gegend meist unbekannt, aber diese Wahrheit sitzt in den Köpfen der eingesessenen Familien so fest, dass er gleich als das rechtmäßige Eigentum der einen oder anderen ihrer Töchter gilt. 'Mein lieber Mister Bennet', sagte seine Gemahlin eines Tages zu ihm, 'hast du schon gehört, dass Netherfield Park endlich vermietet ist?' Das habe er nicht, antwortete Mister Bennet. 'Doch, doch', erwiderte sie, 'Misses Long war nämlich gerade hier und hat es mir lang und breit erzählt.' Mister Bennet gab keine Antwort. 'Willst du denn gar nicht wissen, an wen?', rief seine Frau ungeduldig. 'Du willst es mir erzählen. Ich habe nichts dagegen, es mir anzuhören.' Das genügte ihr als Aufforderung. 'Stell dir vor, mein Lieber, Misses Long sagt, dass ein junger Mann aus dem Norden Englands mit großem Vermögen Netherfield gemietet hat, dass er am Montag in einem Vierspänner heruntergekommen ist, um sich den Besitz anzusehen und so entzückt war, dass er mit Mister Morris sofort einig geworden ist. Noch vor Oktober will er angeblich einziehen, und ein Teil seiner Dienerschaft soll schon Ende nächster Woche im Haus sein.' 'Wie heißt er denn?' 'Bingley' 'Ist er verheiratet oder ledig?' 'Na, ledig natürlich, ein Junggeselle mit großem Vermögen, vier- oder fünftausend pro Jahr. Ist das nicht schön für unsere Mädchen?' 'Wieso? Was hat das mit ihnen zu tun?' 'Mein lieber Mister Bennet', erwiderte seine Frau, 'wie kannst du nur so schwerfällig sein? Du musst dir doch denken können, dass er eine von ihnen heiraten soll.' 'Ist er deshalb hierher gezogen?' 'Deshalb? Unsinn! Wie kannst du nur so etwas sagen. Aber es könnte doch gut sein, dass er sich in eine von ihnen verliebt. Und darum musst du ihm einen Antrittsbesuch machen, sobald er kommt.' 'Dazu sehe ich gar keine Veranlassung. Warum gehst du nicht mit den Mädchen hin? Oder besser noch: Schick sie allein, sonst wirft Mister Bingley noch ein Auge auf dich. So hübsch wie sie bist du allemal.' Das ist doch wunderbar, wie Mister Bennet mit seiner Frau Katz und Maus spielt.
"Ich glaube, wir unterschätzen dieses Recht der jungen Frau auf ihre Liebe in der damaligen Zeit"
Lieske: Genau. Wir hörten das erste Kapitel aus "Pride and Prejudice", aus "Stolz und Vorurteil". Das Setting ist das: Ein Ehepaar mit fünf Töchtern war damals durchaus gesellschaftlich gesehen eine Herausforderung, denn die mussten unter die Haube. Jane Austen hat sich das zum Thema gemacht, und sie sagt, dass die jungen Frauen das Recht haben, nicht nur standesgemäß, sondern auch nach ihrem Herzen verheiratet zu werden. Das wirkt ja von heute aus gesehen, Herr Grawe, eher konservativ. Wie war das denn damals? Wie modern war denn Jane Austen?
Grawe: Ich glaube, wir unterschätzen dieses Recht der jungen Frau auf ihre Liebe in der damaligen Zeit. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass die konventionelle Ehe, die man aus irgendwelchen finanziellen, sozialen, gesellschaftlichen Gründen einging, noch der Standard war. Es gibt einen wunderbaren Romananfang von 1818, in dem die Tochter den Mann nicht heiraten will, den ihr Vater ihr ausgesucht hat, und seine Reaktion darauf ist folgendermaßen. 'Einen Mann nach deinem Herzen? Quatsch!', rief Lord Courtland wütend. 'Was zum Teufel hat dein Herz damit zu tun, möchte ich wissen. Ich dulde nicht, dass meine Tochter womöglich Theater mit ihrem Herzen macht. Sie wird zu dem Zweck heiraten, für den die Ehe für Menschen von Stand geschaffen ist. Das steht auf der ersten Seite dieses mit Jane Austen nahezu gleichzeitig geschriebenen Romans. Also für die Zeitgenossen war die Liebe, wie sie im Roman dargestellt wurde, sensationell neu und höchst aufregend.
Lieske: Jane Austens Heldinnen sind sich dabei meistens auch der Unterstützung ihres Vaters gewiss. Geht damit vielleicht sogar auch ein neues Männerbild einher?
Grawe: Das habe ich nie überlegt, muss ich ehrlich sagen. Die Männer und überhaupt die Eltern, die bei Jane Austen dargestellt werden, sind erstaunlich kritisch porträtiert. Mister Bennet ist ja eigentlich ein Versager, wo es um die Erziehung seiner fünf Töchter geht. Also die Jane Austen übt durchaus Kritik an den Eltern der jungen Mädchen, die die Heldinnen sind.
Lieske: Also ein starker emanzipatorischer Charakter. Sie hat sechs Romane fertiggestellt, drei frühe, drei späte. Wie war das denn zu ihrer Zeit? Wie leicht konnte denn eine schreibende Frau überhaupt veröffentlichen?
Grawe: Es war sicher nicht einfach für sie, mit ihrem vollen Namen zu veröffentlichen. Das hatte zwei Gründe. Der Roman galt in der damaligen Zeit noch als skandalös, unmoralisch, unschicklich, vor allen Dingen für junge Frauen. Sie kamen auf falsche romantische Gedanken. Deshalb veröffentlichten viele Frauen ihre Romane ohne Namensnennung, und auch Jane Austen tat das. In manchen Fällen legten sie sich sogar pseudonyme Männernamen zu, damit gar nicht bekannt wurde, dass sie Frauen waren. Aber ihre Romane waren durchaus beliebt, und gerade das war das Problem. Sie waren viel zu beliebt für die konservativen und kirchlichen Kreise, und das wurde vor allen Dingen dadurch gewährleistet, dass zu dieser Zeit viele Leihbibliotheken entstanden.
"Jane Austen ist eine Industrie"
Lieske: Heute steht sie ja in einem Ruhm, vor allem in England, der dem Ruhm Shakespeares in nichts nachsteht. Hat sie das denn auch zu ihren Lebzeiten noch erlebt?
Grawe: Das hat sie leider nicht erlebt. Aber schon knapp 15 Jahre nach ihrem Tod sagte der erste Kritiker, Jane Austens Fähigkeit, Dialoge zu gestalten und Figuren in Worten erstehen zu lassen, ist nur mit Shakespeare vergleichbar. Und heute ist Jane Austen ja nicht nur eine Weltberühmtheit. Jane Austen ist eine Industrie. Es ist unglaublich, was man alles im Namen Jane Austens kaufen kann, wenn man etwa nach England geht und das Austen-Museum besucht oder das Austen-Center in Bath.
Lieske: Sie wurde ja auch vielfach verfilmt. Berühmte Schauspielerinnen wie Keira Knightley oder Anne Hathaway haben ihre Heldinnen dargestellt. Mir ist dabei aufgefallen, Herr Grawe, dass viele Plot-Points, vieles, was der Film tatsächlich erfordert, viele retardierende Momente, viele Wendepunkte, viele äußere und innere Hindernisse, bei Jane Austen tatsächlich auch im Roman schon am richtigen Platz sind. Man könnte fast meinen, sie hätte hellsichtig in unsere Zeit geschaut.
Grawe: Ja, wenn sie das nicht hätte, könnte man sich kaum erklären, warum sie so außerordentlich beliebt ist. Ich freue mich, dass viele dieser englischen Serien und Filme, unterdessen auch in Deutschland gezeigt worden sind. Und das hat ja in Deutschland eigentlich auch dazu geführt, dass ihre Bücher nun endlich mehr gekauft werden. Das Problem bei den Filmen ist, dass man in anderthalb Stunden immer nur einen sehr geringen Teil eines Romans unterbringen kann. Deshalb sind für mich meist die Fernsehserien erfreulicher, weil sie unter Umständen acht Stunden statt anderthalb Stunden dauern und deshalb den Romanen viel gerechter werden.
Lieske: Nun ist das große Thema ihrer Romane ja die Liebesheirat, und das ist Jane Austen selbst ja versagt geblieben. Sie hatte zwei Männer, die sich sehr um sie bemüht haben. Aus diversen Gründen ist das gescheitert, und sie ist tatsächlich ledig geblieben, ein Stand, der wahrscheinlich zu ihrer Zeit nicht ganz einfach zu behaupten war. Sie haben ja ihre Biografie geschrieben, Herr Grawe. Haben Sie denn eine Ahnung davon bekommen, wie schwer oder wie leicht das war für Jane Austen, mit dieser Ehelosigkeit umzugehen?
"Gesellschaftlich war es nicht besonders günstig, unverheiratet zu sein"
Grawe: Ich glaube, innerhalb ihres Kreises war das nicht allzu problematisch, weil auch ihre ältere Schwester unverheiratet war, sodass die beiden Austen-Damen immer in der Öffentlichkeit gemeinsam auftreten konnten. Und da sie beide diese etwas ironische Ader hatten – Jane Austen sagte von ihrer ältesten Schwester, sie sei die witzigste Schriftstellerin der Zeit. Leider sind ihre Briefe an Jane nicht erhalten. Aber es war ein gewisser Makel in gesellschaftlicher Hinsicht. Wir sehen das in "Stolz und Vorurteil", wo plötzlich die jüngste Schwester als die erste, die verheiratet ist, den Vortritt vor ihrer ältesten beansprucht. Also gesellschaftlich war es nicht besonders günstig, unverheiratet zu sein. Und es kommt etwas hinzu bei Jane Austen: Sie war finanziell völlig ungesichert.
Lieske: Um mal zur Quellenlage zu kommen: Sie war ja eine herausragende Briefeschreiberin, hat wohl an die 6.000 Briefe in ihrem Leben geschrieben, davon haben knapp 160 überlebt. Etliche wurden vernichtet. Auf welcher Quellenlage konnten Sie denn arbeiten? Wie viel ist denn tatsächlich gesichert, und wie viel ist Spekulation für den Biografen?
Grawe: Ich halte die Zahl von 6.000 für übertrieben. Wir wissen aber ,dass die ältere Schwester aus Gründen der Diskretion einen erheblichen Teil von Janes Briefen vernichtet hat und auch aus den erhaltenen gelegentlich Abschnitte herausgeschnitten hat. Das gehörte im 19. Jahrhundert eigentlich zum Standard. Unser völlig ungehemmter Umgang mit dem Privatleben berühmter Persönlichkeiten war dem 19. Jahrhundert ein Gräuel. Es gibt von den erhaltenen Briefen Jane Austens in vielen Fällen, wahrscheinlich sogar in den meisten, die Originale, und deshalb ist ihr Briefwechsel gesichert. Darüber hinaus ist vieles Spekulation. Andererseits gibt es keine Autorin und, ich glaube, auch keinen männlichen Autor in der Zeit Jane Austens, der mit solcher Akribie untersucht worden ist wie sie. Die Familienchronik der Austens von 1600 bis 2000 umfasst etwa 800 Seiten. Dort können Sie für nahezu jeden Tag nachlesen, was im Leben der Austen'schen Familie geschah, bis hinein zu Bankauszügen. Welchen Betrag hat ihr Vater bei welcher Bank in London herausgenommen oder eingezahlt oder was auch immer.
"'Emma' ist ihr reichster, ihr komplexester, ihr raffiniertester Roman"
Lieske: Das heißt, ihr Leben ist eingebettet in das der Familie und auch eingebettet in das der Zeit. Nach der Lektüre Ihrer Biografie, Herr Grawe, hat sich bei mir der Eindruck eingestellt, dass es zwei Gesichter der Jane Austen gab. Sie war eine sehr taktvolle Frau, eine sehr kinderliebe Frau mit viel Familiensinn auf der einen Seite, und auf der anderen Seite eine durchaus scharfzüngige Beobachterin, die auch zu Sticheleien neigte. Wie lässt sich das denn aus Ihrer Warte vereinbaren?
Grawe: Wir wissen heute wahrscheinlich, dass jeder Mensch mehrdimensional ist, dass die Vorstellung etwa der Antike, dass ein Charakterzug eine Persönlichkeit beherrscht und er sein Leben lang diesen Charakter nicht ändert, falsch ist. Jane Austen war in der Öffentlichkeit außerordentlich diskret und vermied auch den Kontakt mit berühmten Persönlichkeiten. Es gibt etwa die Geschichte, dass sie Madame de Staël hätte kennenlernen können, es aber nicht getan hat. Und deshalb war der Zynismus Jane Austens – ich glaube, man kann gelegentlich sagen, Zynismus – eine sehr private Angelegenheit, von der ihre Familie nur im kleinsten Kreis und die Öffentlichkeit gar nichts wusste.
Lieske: Vielen Dank für diese Ausführungen, Herr Grawe. Für alle, die für eine erste Begegnung mit Jane Austen etwas lesen wollen – was sollten unsere Hörerinnen und Hörer unbedingt lesen?
Grawe: Zunächst sicher "Stolz und Vorurteil, weil es der beliebteste und berühmteste Roman Jane Austens ist. Ich würde "Emma" vorziehen. Ich finde, "Emma" ist ihr reichster, ihr komplexester, ihr raffiniertester Roman.
Lieske: Das war der Germanist Christian Grawe, der uns für die heutige Sendung aus Melbourne zugeschaltet wurde. Christian Grawe hat die Romane von Jane Austen übersetzt, ihre Briefe herausgegeben und ihre Biografie geschrieben, all das erschienen im Reclam-Verlag. Außerdem: Felicitas von Lowenberg ist die Autorin einer kurzen Biografie über Jane Austen, erschienen im Insel-Verlag, und ebenfalls dort erscheint in diesen Tagen eine von Kat Menschik aufwendig illustrierte Gesamtausgabe des Werks von Jane Austen. Diese Gesamtausgabe folgt der Übersetzung von Angelika Beck. Außerdem: Es gibt von Holly Ivans einen kurzen Führer durch Jane Austens Welt, sehr unterhaltsam, erschienen bei der Deutschen Verlagsanstalt. All diese Literaturangaben wie immer auch im Internet unter deutschlandfunk.de.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.