Es ist fast Mitternacht in Iasi. Seit Tagen feiert Rumäniens viertgrößte Stadt die Literatur. Was vor sechs Jahren als kleine Initiative befreundeter Autoren begann, hat sich inzwischen zu Osteuropas größtem Literaturfestival gemausert. Ein Wunder, meint der junge Dichter Claudiu Komartin:
"Dieser Teil unseres Landes ist traditionell sehr konservativ, sehr religiös. Dieses Festival hat es geschafft, in der Region plötzlich eine Art Balance zu schaffen - zwischen diesen rückwärtsgewandten orthodoxen Kräften und jenen Kräften, die eher progressiv und proeuropäisch sind."
"Dieser Teil unseres Landes ist traditionell sehr konservativ, sehr religiös. Dieses Festival hat es geschafft, in der Region plötzlich eine Art Balance zu schaffen - zwischen diesen rückwärtsgewandten orthodoxen Kräften und jenen Kräften, die eher progressiv und proeuropäisch sind."
Mit Übersetzern das Ausland erobern
Tatsächlich strahlt das Festival eine ungeheure Energie aus. In diesen Tagen ist es, als schlage hier der Puls eines neuen Rumänien. Das spüren auch die ausländischen Gäste auf dem Festival. Der amerikanische Literaturstar Jonathan Franzen zeigt sich da ebenso beeindruckt wie der mazedonische Dichter Goce Smilevski:
"Das hier lässt sich wirklich mit keinem anderen Festival vergleichen und glauben Sie mir, ich war schon auf vielen Literaturfestivals auf mehreren Kontinenten."
"Das hier lässt sich wirklich mit keinem anderen Festival vergleichen und glauben Sie mir, ich war schon auf vielen Literaturfestivals auf mehreren Kontinenten."
Das FILIT legt einen seiner Schwerpunkte auf die Vernetzung der auf anderen Festivals eher stiefmütterlich behandelten Übersetzer. Mit aller Kraft suche die rumänische Literatur so auch Wege in die Märkte anderer Länder, konstatiert der Dichter Claudiu Komartin. Zugleich sei kein anderes Festival in der Welt derart auf die auf die junge Generation fokussiert:
"All die jungen Freiwilligen, das ist etwas sehr Spezielles. Viele hundert junge Menschen, Studenten, Gymnasiasten, sind in die monatelange Vorbereitung und Durchführung dieses Festivals eingebunden. Und das macht die Idee dieses Festivals so kraftvoll."
Elf Jahre und schon Bestsellerautorin
In der Tat bekommt jeder der 300 eingeladenen Autoren, Übersetzer und Journalisten einen dieser Freiwilligen als Ansprechpartner und Begleiter. Diese Nähe führe von Beginn an zu einem Austausch von Gedanken und Ideen und wecke bei den jungen Menschen zugleich das Interesse an der Literatur, erklärt der Schriftsteller und Mitbegründer des Festivals, Florin Lazarescu:
"Inzwischen werden wir schon auf den Straßen von Eltern angehalten. Sie bedanken sich dafür, dass wir auf diese Weise dafür gesorgt haben, dass ihre Kinder plötzlich wieder begonnen haben zu lesen, nur weil sie auf diese Weise einen Autor erlebt haben, oder auch bei einer Lesung."
Oder weil sie sehen, dass es selbst Kindern gelingen kann, auf die Liste der vom Filit-Festival eingeladen Autoren zu gelangen. Die jüngste Autorin des Festivals heißt Delia Calancia und ist elf Jahre alt.
"In meinem Buch geht es um einen Tag in meinem Leben. Meine Hauptfigur heißt Delia und sie erzählt über sich, ihre Freunde, ihrer Schule und natürlich über ihr Zuhause und über die Orte, die sie besucht hat."
"Zurückkommen und kämpfen"
Das von Delia mit herzerwärmenden Zeichnungen selbst illustrierte Kinderbuch ist inzwischen ein Bestseller bei Humanitas, Rumäniens zweitgrößtem Verlag. Die Festivalmacher stellten die kleine Bestseller-Autorin wie selbstverständlich neben die großen Namen der rumänischen Literatur. Wir wollen schon den Jüngsten zeigen, was in diesem Lande möglich ist, sagt Florin Lazarescu, den nichts mehr ärgert als die Kritik vieler Rumänen, die das Land in den letzten Jahren verließen.
"Ich bin immer frustriert, wenn diese Leute uns die Frage stellen: Was habt ihr aus diesem Land gemacht? Ich finde, sie sollten uns diese Frage nicht stellen, sondern zurückkommen und mit uns kämpfen."
Natürlich diskutierten die Zuhörer in Iasi mit den Autoren nicht nur über deren Bücher, sondern auch über die seit anderthalb Jahren immer wieder aufflammenden und im Westen wenig beachteten Massenproteste gegen die Korruption. Autoren und die immerhin 30.000 Besucher waren sich einig, dass der Druck auf die rumänische Regierung erhöht werden muss.