Am vergangenen Mittwoch sah die Nobelpreiswelt noch ganz anders aus als heute: Die Ständige Sekretärin der Literaturnobelpreis-Akademie, Sara Danius, legte endgültig ihren Sitz in diesem Gremium nieder. Sie hatte, wie andere Mitglieder auch, wegen der inzwischen gerichtlich bestätigten Missbrauchsvorwürfe gegen Jean-Claude Arnault, einem Kulturfunktionär im Umkreis der Akademie, bereits zuvor ihre Mitgliedschaft ruhen lassen. Denn austreten konnte man zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Lebenslänglichkeit der Akademiemitgliedschaft wurde erst im vergangenen Jahr aus den Statuten entfernt.
Frau Danius hätte wieder Ständige Vorsitzende werden wollen, aber das wollte die Stiftung nicht. Nun hat es eine Art Rücktrittsverhandlung gegeben, und es kursieren Zahlen über Abfindungssummen und Wohnungen in bester Stockholmer Lage - auch in Bezug auf andere Mitglieder übrigens, so der zurückgetretenen Lyrikerin Katharina Frostenson, der Ehefrau von Jean-Claude Arnault, die zudem beide bezichtigt werden, die Preisträgernamen vorher verraten zu haben.
Also: Am vergangen Mittwoch sah die Nobelpreiswelt noch ganz anders aus als heute. Nobelpreiswelt - man muss sie so nennen, weil sie eine Art Paralleluniversum geworden ist, in dem die Personen wie entlassen aus sozialer, politischer und kultureller Verantwortung wie ferne Götter handeln. Sie sah nämlich nach Uneinigkeit und verlängerter Stornierung des Nobelpreises aus. Und das, obwohl offizielle Stellen und Zeitungen wie Dagens Nyheter immer wieder betonen, dass man einig und auf einem guten Weg nach vorne wäre.
Brandmauer gegen Entflammen neuer Diskussion
Man kann jetzt nur vermuten, wieso in wenigen Tagen nach der zusätzlichen Rufschädigung sich die Nobelpreis-Stiftung, die das Geld verwaltet, zu diesem lange angekündigten Coup durchgerungen hat, jetzt eine Doppelpreisvergabe für den Herbst 2019 anzukündigen: einen nachgeholten Ersatznobelpreis für 2018 und einen regulären für 2019. Man wollte sicher schnell eine Brandmauer aufrichten, um ein neuerliches Entflammen der Diskussion um die Legitimität der Schwedischen Akademie zu verhindern.
Soweit so halbwegs klar. Nur: Wie vertrauensbildend ist diese Entscheidung eigentlich? Und vor allem: Ist sie richtig im Hinblick auf das Endprodukt des ganzen verfahrenen Procederes, das, was hinten rauskommt sozusagen: den Nobelpreis selbst?
Man darf sich die Antwort vor lauter moralischer Empörung nicht zu leicht machen. Natürlich haftet dem Nobelpreis ein Odium der Zufälligkeit, ja gelegentlich der Abseitigkeit an. Wieso Dario Fo, fragten viele. Und warum Elfriede Jelinek? Um Bob Dylan gab es Streit, den Sara Danius stark gemacht hatte. Und wo blieben überhaupt Kafka und Joyce und Philip Roth? Ja, in der Tat, da ging es gelegentlich seltsam zu. Und man kann zudem überhaupt daran zweifeln, dass eine planetarische Übersicht möglich und ein Abwägen der unterschiedlichsten Literaturtraditionen gegeneinander sinnvoll ist.
Wichtiges Instrument für die Literatur
Doch auf der anderen Seite gibt es kein Instrument auf diesem Planeten, das der Literatur mit einem Schlag eine solche Aufmerksamkeit verschafft, bekanntlich ein knappes, wertvolles Gut. Das gibt man auch in Schweden nicht leichtfertig hin.
Und deshalb spricht funktional viel dafür, weiterzumachen mit der Vergabe. Doch institutionell und prozessual hätte sich einfach viel mehr ändern müssen. Man hätte einen Nullpunkt suchen und mit gleichem Namen sich neu erfinden müssen.
Nobelpreis gerettet, Akademie tot - na ja, schwer angeschlagen, das ist nur halbwegs ein Anlass zur Freude.