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Literaturübersetzer
Eine Würdigung der Unsichtbaren

Auf Literaturfestivals stehen in der Regel vor allem die Autoren im Mittelpunkt. Jene aber, die deren Werke in zahlreiche andere Sprachen übersetzen und dabei darauf achten, auch den ursprünglichen Flair beizubehalten, bleiben meist im Hintergrund. Auf dem internationalen Literaturfestival in Berlin war das nun etwas anders.

Von Cornelius Wüllenkemper |
    Bücher stehen in einem Regal
    3.755 Belletristik-Titel wurden im Jahr 2014 ins Deutsche übersetzt, zumeist für mickrige Honorare. (picture alliance / dpa / Andreas Weihmayr)
    In der globalisierten Welt dienen Übersetzer und Dolmetscher als eine Art Service-Personal der internationalen Kommunikation. Frank Heibert, der seit über 30 Jahren Literatur aus dem Englischen und aus dem Französischen dem deutschsprachigen Publikum zugänglich macht, beklagte in seinem Vortrag zum Auftakt der Reihe "Die Kunst des literarischen Übersetzens", dass das Übersetzerhandwerk bei den meisten Zeitgenossen nur dann wahrgenommen werde, wenn mal wieder etwas schief läuft.
    "Am deutlichsten wird das bei den Dolmetschern, also jenen, die mündlich übersetzen. Sie sind so notwendig, wie Baugerüste, Automechaniker und Fensterputzer an Hochhäusern. Eine Art Krücke, an die wir lieber nicht so genau denken, gerade weil wir sie brauchen. Mit den Übersetzern, also denen, die schriftlich von einer Sprache in die andere Übertragen, ist es ähnlich. Sie sind noch ein bisschen unsichtbarer. Wie Heinzelmännchen, die in einer Zwischenetage der Textproduktion vor sich hinwerkeln und nur auffallen, wenn sie mal wieder versagt zu haben scheinen."
    3.755 Belletristik-Titel wurden im Jahr 2014 ins Deutsche übersetzt, zumeist für mickrige Übersetzerhonorare. Auch das Urteil des Bundesgerichtshofes von 2011, laut dem Übersetzer ab 5.000 verkauften Exemplaren zusätzlich mit 0,8 Prozent am Nettoladenpreis beteiligt werden müssen, ist bisher das Papier nicht wert, auf dem es steht. Der Kampf der Übersetzerbranche für einheitliche Tarife und auch um öffentliche Anerkennung ist dabei nicht das einzige Problem. Welches Spannungspotenzial der Übersetzer zwischen Autor und Verleger moderieren muss, wurde spätestens in der Diskussion zwischen der syrischen Autorin Samar Yazbek und ihrem Züricher Verleger Lucien Leitess deutlich. Yazbek, die 2011 vor dem syrischen Geheimdienst nach Frankreich floh und deren Reportagen und Romane aus dem Inneren des Bürgerkriegs auch auf Deutsch erscheinen, befürchtet durch das deutsprachige Lektorat eine Verfremdung ihrer Texte.
    "Wenn Sie sagen, das ist zu emotional, das streichen wir, dann streichen sie mit Rücksicht auf das deutschsprachige Lesepublikum zugleich eine kulturelle Besonderheit unserer Literatur. Die arabische Welt befindet sich in einem fundamentalen Wandlungsprozess, dessen Ausgang nicht absehbar ist. Wenn Kulturen sterben, sterben auch Sprachen. So gesehen ist das Übersetzen wie ein Armdrücken zwischen Autor und Übersetzer. Wenn man die Texte zu sehr ihrem Publikum anpasst, kann man sie so auch zerstören."
    Lucien Leitess, der in seinem Unions Verlag 449 Autoren aus 116 Ländern und 39 Sprachen herausgibt, konterte, dass in vielen Ländern der Welt eine professionelles Lektorat durch den Verlag nicht üblich sei und er daher keinerlei Hemmungen habe, Manuskripte eingehend zu überarbeiten.
    "Die Normalsprache im Arabischen ist bilderreicher, im Deutschen ist sie vielleicht eher karger. Wiederholungen haben in verschieden Literaturen und Kulturen ganz andere Bedeutungen. Wir müssen kulturell diesen Wandelungs- und Migrationsprozess bewusst bewältigen. Ich glaube, die Gefahr liegt immer in einem dummen oder einem schlechten oder mechanischen Lektorat. Aber die größere Gefahr ist in der Absenz des Lektorats."
    Wer Literatur und deren Übersetzung bisher als Mittel der interkulturellen Vermittlung ansah, stieß in der Diskussion mit Samar Yazbek auf Widerspruch. Erst seit Beginn des Syrienkriegs sei sie im Westen überhaupt als Autorin wahrgenommen worden. Sie beschäftigt vor allem die Frage, ob ihre Bücher im deutschsprachigen Raum allein aufgrund politischer Kriterien verlegt werden.
    "Das Problem liegt darin, wie der Westen auf die Araber blickt. Da herrscht eine besondere Sichtweise, und deswegen erfolgt die Auswahl auch aufgrund von bestimmten Stereotypen, die im Westen verbreitet sind und immer gerne wiederbelebt werden. Der Auswahl liegt die Unkenntnis des Anderen zugrunde."
    Der literarische Übersetzer, das wurde auf dem Berliner Literaturfestival deutlich, ist nicht nur ein Mittler zwischen Sprachen und Kulturen, sondern mindestens ebenso sehr zwischen Autoren und Verlegern.