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Literaturwissenschaftler Porombka
"Der Hochstapler ist eine Kultfigur des 20. Jahrhunderts"

Dem Prototyp des Hochstaplers hat Thomas Mann mit "Felix Krull" ein literarisches Denkmal gesetzt. Er sei ein Faszinosum des 20. Jahrhunderts, das mit der Entstehung der Mediengesellschaft einherging, sagte der Literaturwissenschaftler Stephan Porombka im DLF. "Der Hochstapler gehört in eine Zeit, wo die Kultur lernen musste, dass Sein und Schein nicht mehr zusammengehören."

Stephan Porombka im Gespräch mit Benedikt Schulz |
    Stephan Porombka, Autor und Professor für Texttheorie und Textgestaltung an der Universität der Künste Berlin.
    Stephan Porombka, Autor und Professor für Texttheorie und Textgestaltung an der Universität der Künste Berlin. (picture alliance / dpa / Horst Galuschka)
    In den Zeitungen, im Kino und später im Fernsehen seien Scheingestalten aufgetaucht, die größer seien als die wirklichen Gestalten. Gefeierte Hochstapler im 20. Jahrhundert hätten mit Differenz sehr gut zu spielen verstanden.
    Ende des 20. Jahrhunderts habe man aber kulturell verinnerlicht, dass es keinen eigentlichen Persönlichkeitskern mehr geben müsse. Heute trage jeder Mensch verschiedene Masken und habe sich den postmodernen Anforderungen angepasst.
    Die digitalen Medien trieben diese Entwicklung auf die Spitze. In jedem einzelnen Foto, über das ein Filter gelegt werde oder das mit Photoshop gearbeitet werde, stecke auch ein Stück Hochstapelei und ein bestimmter Moment von Betrug mit drin. Da jedoch alle in ähnlicher Weise agierten, habe die "Wirklichkeit" an Bedeutung verloren.
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