"Johnson ist klug genug und versiert genug zu überschauen, dass das, was er da versucht hat, an der Illegalität grenzt", so Görner. Diese Provokation gegenüber der eigenen Partei sei kalkuliert gewesen.
Früher habe man immer auf England geschaut und das dortige politische System als Vorbild, "als Demokratie par excellence betrachtet". Doch genau dieser Mythos bröckele nun heftig, sagte der Literaturwissenschaftler.
Auch angesichts der mit dem Brexit aufgekommenen Sprache, die Görner als bellizistisch beschreibt. Grabenkämpfe würden simuliert und Machtspiele geführt. Diese Art der Rhetorik sei erschreckend und würde vor allem von der rechten Presse mitgetragen. Durch diese Art der Sprache würde ein Klima geschaffen, das nur noch eines kenne: Konfrontation. Dass es dazu gekommen sei, liege auch daran, dass viele Probleme verschleppt worden seien. Dadurch habe der Brexit zu einem Zündstoff werden können.
Mehr Rhetorik als Ernsthaftigkeit in der politischen Debatte
Was man im britischen Parlament nun an Debattenkultur erlebe, habe bereits Besuchern wie Heinrich Heine und Klaus Kinkel gefallen. Es sei dabei aber übersehen worden, dass das in vielerlei Hinsicht auch Theater sei. "Es ist eine Performativität sozusagen des Politischen." Das führe aber dazu, dass die Dinge einerseits scheinbar ernst genommen würden, in Wirklichkeit aber bliebe das rhetorische Spiel im Vordergrund.
"Was hier auf dem Spiel steht, ist in der Tat der Zusammenhang und Zusammenhalt des United Kingdom."
Was das Land dringend brauche, sei eine verfassungsgebende Versammlung, "die sich über die Prinzipien der britischen Politik in der Zukunft im Klaren wird".