Vielleicht war bereits der Zusammenschnitt vom ersten Tag ein gutes Beispiel dafür, mit wieviel heißem Dampf die neue Turnierserie verkauft wird:
Da rollte der ehemalige Weltranglistenerste aus Mettmann seinen Ball in eines der Löcher. Und der Kommentator feierte den Putt als historische Glanztat - als den ersten Birdie in der Geschichte dieser Serie, genannt LIV Golf.
Mehr als eine halbe Million Zuschauer haben die Szene seit Donnerstag auf YouTube gesehen. Doch wer es ganz genau wissen will, wird sich beim Blick auf die Webseite die Augen reiben. Der angebliche Birdie - in der Sprache der Golfer das Ergebnis von einem Schlag unter dem Platzstandard - wurde dort offiziell gar nicht registriert.
Geld als einziges wirkliches Argument
Trotzdem hat sich der Abstecher für Kaymer gelohnt. Obwohl in einem Feld von insgesamt 48 Golfern nur 15. und zehn Schläge hinter dem Gewinner, dem Südafrikaner Carl Schwartzel, verdiente er ein Preisgeld von 240.000 Dollar.
Wenig im Vergleich zum Sieger, der für drei Tage Golf vier Millionen einstrich. Aber immer noch deutlich mehr als das, was er in diesem Jahr auf der europäischen und amerikanischen Profi-Tour eingespielt hat. Kaymer deutete vor Journalisten zart an, wie wichtig die neue Einnahmequelle ist.
"Ich wollte einen klaren Schnitt ziehen und in der Lage sein, für mich selbst zu entscheiden. Da wo ich in meinem Leben und in der Weltrangliste stehe, macht das einfach Sinn."
Das Geld dürfte das einzige wirkliche Argument sein. Aber viele Profis tun so, als ginge es um irgendetwas anderes. Für den Amerikaner Dustin Johnson angeblich um frischen Wind für die Sportart: "Eine aufregende Zeit."
Zwei Milliarden Euro aus dem saudischen Staatsfonds
Dass hinter der Turnierserie LIV Golf zwei Milliarden Euro aus dem saudischen Staatsfonds stecken, einem der größten der Welt. Und dass der mit diesem Geld den angekratzten Ruf des Landes und seines autoritären Regimes aufzupolieren versucht, hat für die Star-Golfer keine Bedeutung.
Dem Amerikaner Phil Mickelson gelang der bislang größte geistige Spagat. Er sagte vor dem Turnier in einer Pressekonferenz:
"Ich heiße Menschenrechtsverletzungen nicht gut und bin mir bewusst, was mit Jamal Khashoggi geschehen ist. Das ist schrecklich. Ich habe aber auch gesehen, wie viel Gutes der Golfsport schon getan hat, und ich glaube, dass LIV Golf ebenfalls viel Gutes für den Golfsport tun wird."
Der Nordire Graeme McDowell setzte der inszenierten Naivität der Golfer die Krone auf. Sie seien nun mal keine Politiker, sagte er.
Handgelder von über 100 Millionen Dollar
Verstöße gegen die Menschenrechte, der Mord an Dissidenten wie Jamal Kashoggi und nun, nach dem Einstieg in die Formel 1 und in Newcastle in die Premier League, das Engagement im Golf, wofür einige Spieler mit Handgeldern von über 100 Millionen Dollar angelockt wurden - wegen so etwas lassen sich die Abtrünnigen keine grauen Haare wachsen. Sie nehmen mit, was sie kriegen können. Sie irritiert nicht mal, dass sie mit ihrer Abspaltung das lange Zeit bestens funktionierende Organigramm des Spitzengolfs weltweit torpedieren. Das steht seit Jahrzehnten stabil auf zwei Säulen - der PGA Tour in den USA, zu der eine Reihe von Ablegern in Nord- und Südamerika gehören, und der Europäischen Tour, die schon seit vielen Jahren zusätzlich mit Turnieren in Asien und Arabien einen Teil des restlichen Globus abdeckt.
PGA suspendiert LIV-Golfer
Die amerikanische PGA Tour reagierte heftig und strich alle Renegaten am Donnerstag einfach aus ihren Mitgliedsbüchern. Andere Konsequenzen dürften folgen. So hat zwar der amerikanische Golfverband, Ausrichter der US Open in der kommenden Woche offiziell erklärt, man werde LIV-Golfern nicht die Teilnahme verwehren.
Wofür Präsident Mike Whan formaljuristische Gründe nannte: "Wir haben die Teilnahmebedingungen vor einem Jahr erstellt und Anfang Februar veröffentlicht. Die in der Woche vor dem Turnier zu ändern, weil jemand an diesem Wochenende irgendwo gespielt hat, ist weder dem Wettbewerb noch den Teilnehmern gegenüber fair. Und wir glauben an Regeln und Vorschriften."
Die Gier der Spieler entsetzt
Der größte Teil der Spieler qualifiziert sich für die vier bedeutendsten Turniere - neben den US Open sind das die British Open, das Masters und die PGA Championship - über ihre Position auf der Weltrangliste.
Doch bis jetzt ist nicht klar, ob die Rebellen bei den LIV Golf-Turnieren überhaupt Wertungspunkte zugestanden bekommen. Und ob sie sich für den Ryder Cup qualifizieren können, den alle zwei Jahre stattfindenden Mannschaftswettbewerb zwischen den USA und Europa, das größte Golf-Event weltweit.
Wie die Rivalität ausgeht, lässt sich deshalb nicht vorhersagen. Aktuell sind Golf-Anhänger in den USA, wo das Spiel Volksport ist, vor allem über die Gier der Spieler entsetzt. So wie der bekannte Fernsehkommentator Brandel Chamblee vom Golf Channel, den die Summen, die die Saudis ausgeben, unbeeindruckt lassen.
Spieler sind nur Abschreibungsposten in der Buchhaltung
Erfolgreiche Golfprofis sind bereits jetzt Multimillionäre. Das Saudi-Geld geht nämlich an Spieler, die zwar einen Namen haben, aber sportlich längst über ihren Zenit hinaus sind. Kaymer etwa steht auf Platz 215 der Weltrangliste. Tendenz fallend.
"Sie kaufen diese Spieler und behandeln sie wie ein Abschreibungsposten in der Buchhaltung. Sie werden die Spieler abstoßen, wenn sie nicht mehr von Nutzen sind. Das Ziel von LIV Golf ist klar, einfach und sehr transparent. Es geht darum, mit Sport ein schlechtes Image reinzuwaschen. Sport ist dafür nur eine Fassade."