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Saudische Golf-Serie LIV
Die Waschmaschine kommt ins Stottern

Das amerikanische Rechtssystem bringt den milliardenschweren saudischen Investmentfonds in Verlegenheit. Der Rechtsstreit zwischen seiner LIV-Golf-Turnierserie und der PGA-Tour offenbart, dass die Sportswashing-Kampagne ein doppeltes Spiel treibt.

Von Jürgen Kalwa |
Der US-Golfer Bryson DeChambeau schlägt bei der LIV Golf-Turnier in Tucson ab.
Der US-Golfer Bryson DeChambeau hat sich seinen Wechsel zur LIV Golf-Serie mit 125 Millionen US-Dollar versüßen lassen. (IMAGO / Zachary BonDurant)
Die erste Saison in der prunkvollen, neureichen, mit saudischen Milliarden finanzierten Welt beginnt vor einem Jahr vom Feinsten. Die Preisgelder? Üppiger denn je. Der Weg zur Arbeit? Kostenlos in einer riesigen Charter-Maschine mit den Kollegen. Im Flieger? Eine große Lounge mit Bar, breiten Ledersitzen sowie musikalischer Hintergrundberieselung.
Der Komfort der LIV-Golf-Serie scheint manchem Golfprofi trotzdem nicht genug – obwohl einige für 100 Millionen Dollar gewechselt sein sollen.

Auseinandersetzung eskaliert schnell

Elf Spieler, darunter Phil Mickelson und Bryson DeChambeau, haben im August vor einem Gericht in San Francisco ihre alte Golf-Heimat verklagt, die PGA-Tour. Der Vorwurf: Die PGA-Tour, die beherrschende Golf-Tour in den USA, habe sie nach dem Wechsel zu LIV unberechtigterweise herausgeworfen. Inzwischen sind nur noch drei Spieler übrig, sie fordern weiterhin Schadensersatz von der PGA-Tour.
Die Auseinandersetzung eskaliert rasch. Und das nicht nur, weil Spieler wie Tiger Woods die Abtrünnigen und den Chefmanager der Saudi-Tour, den ehemaligen Weltranglistenersten Greg Norman, öffentlich attackieren:
"Niemand ist angesichts eines solchen Rechtsstreits bereit, zu verhandeln. Zuerst einmal muss Greg gehen. Und dann die Klage gegen uns vom Tisch. Und danach unsere Gegenklage."

Saudi-Arabien hüllt sich in den Mantel des Schweigens

Der Geräuschpegel, den der Streit in der Öffentlichkeit verursacht, ist das eine. Die eigentliche Zuspitzung des Konflikts passiert hinter den Kulissen, seitdem LIV Golf den Spielern vor Gericht beigesprungen ist.
Das Hauptverfahren ist zwar erst für Anfang 2024 terminiert. Aber die Anwälte der PGA-Tour machen sich die Hilfsmittel zunutze, die ihr die amerikanische Zivilprozessordnung zugestehen: die Beweiserhebung im Vorverfahren. Ein massiver Hebel, um auch gegen den Willen der Gegenseite heikle Interna herauszufinden.
Jodi Balsam, Jura-Professorin in New York und Expertin für Sportrecht, sagt dem Deutschlandfunk, wie das in den USA funktioniert:
“Es bedeutet, man kann in dieser Phase des Verfahrens Kopien von Dokumenten einfordern, Zwangsvorladungen an Zeugen schicken und sie unter Eid befragen. Im Fall von LIV Golf gegen die PGA-Tour können so die Veranstalter der wichtigsten Turniere unter die Lupe genommen werden - aber auch der staatliche Saudi Investment Fonds. Und der wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen, jemandem irgendeinen Einblick zu gewähren."

Welche Rolle spielt der saudische Staat im Hintergrund?

Was könnte der saudische Public Investment Fund, der umgerechnet zwei Milliarden Euro für LIV Golf locker gemacht hat, dagegen haben, über seine wahren Absichten Auskunft zu geben? Der Hauptgrund sei vor Gericht bereits deutlich geworden, sagt Jodi Balsam. Es geht um die Rolle, die der saudische Staat im Hintergrund spielt. Der Fonds ist kein eigenständiger Betrieb. 
"Sie betonen, dass so gut wie jedes Vorstandsmitglied des öffentlichen Investmentfonds ein hochrangiger Beamter der Regierung des Königreichs Saudi Arabien ist. Und das alle Informationen zu dessen Aktivitäten als vertraulich eingestuft werden. Es gibt auch keine Ausnahmen etwa für Zeugenaussagen oder Gerichtsverfahren. Geheimhaltung sei ein Grundwert des Rechtssystems des Landes. Die Saudis befinden sich damit in einer paradoxen Situation. Sie würden gegen saudisches Recht verstoßen, wenn sie in den USA aussagen. Wie also lösen sie das Problem? Ich denke, sie steigen so schnell wie möglich aus dem Verfahren aus."
Die Kuriosität ist allerdings, dass der Fond exakt diese Verflechtung ausdrücklich bestritten hat, als er 2021 den englischen Premier-League-Klub Newcastle United übernommen hat.
Damals sagt der Geschäftsführer der Premier League, Richard Masters, der BBC:
"Es gibt rechtlich bindende Zusicherungen, dass der Staat nicht die Kontrolle über den Klub haben wird. Wenn wir gegenteilige Beweise finden, können wir das Konsortium der Eigentümer im Einklang mit unseren Regeln entfernen.”
Wieviele Beweise braucht die Liga? Als die Entwicklungen im Prozess Anfang März in England bekannt werden, fordert Amnesty International, die Übernahme erneut zu prüfen. Die Liga ignoriert das bisher. Obwohl Yasir Al-Rumayyan, der Gouverneur des Staatsfonds, in Personalunion als Vorsitzender von Newcastle United amtiert und vor dem Gericht in San Francisco ein Aussageverweigerungsrecht durchzufechten versucht. Bislang vergeblich.
Weshalb die Zeichen auf eine außergerichtliche Einigung stehen, damit es nicht noch mehr Einblicke ins saudische Sportwashing gibt. Aber Jodi Balsam hat Probleme, sich so etwas auszumalen:
"Das saudische Sportswashing hat viele Formen angenommen. Die Taktik im Golf ist mit die ungeheuerlichste. Es ist eine Sache, in ein Team in einem fremdem Land zu investieren und sich dann an die dortigen Gesetze zu halten. Es ist etwas anderes, mit staatlicher Unterstützung eine Turnierserie wie LIV Golf zu gründen, mit dem Makel von Menschenrechtsverletzungen des Landes im Gepäck. Sich auf so etwas einzulassen, könnte für viele ein Schritt zu weit sein. Es dürfte einige PGA-Tour-Getreue geben, die sich schwer tun, die LIV-Golfer wieder aufzunehmen. Jedenfalls nicht sofort als Teil einer Einigung."