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Live Art Symposium in Kapstadt
Die Pioniere der Performancekunst

Die Kunst der Performance ist in vielen Kulturen Afrikas tief verwurzelt – davon sind die Tänzer auf dem Kontinent überzeugt. Sie verknüpfen Stammesrituale und alte Masken mit einer modernen Version von Performance. Als panafrikanisches Netzwerk wollen sie auch die Folgen der Kolonialzeit überwinden.

Von Leonie March |
    Künstler Panaibra Canda versucht in seiner Performance in vorkoloniale Zeiten zurückzukehren
    Künstler Panaibra Canda versucht in seiner Performance in vorkoloniale Zeiten zurückzukehren (Deutschlandradio / Leonie March)
    Performance, das ist etwas Ur-Afrikanisches. Davon ist der nigeranische Performancekünstler Jelili Atiku überzeugt.
    "The presence of performance art has been with us. It is in our DNA."
    Performance als Teil des Genpools. Atiku erzählt von uralten rituellen Feierlichkeiten der Dogon und Yoruba. Von Tänzen und Masken. Und er zeigt teils verblüffende Parallelen zu zeitgenössischen Performances auf.
    "Heute gelten wir afrikanischen Performancekünstler als Pioniere dieser Kunstform. Die Erinnerung an die eigenen Ursprünge ist jedoch weitgehend vergessen. Das ist eine der Folgen der Kolonialzeit, die viele afrikanische Traditionen zerstört oder verteufelt hat. Unsere Aufgabe ist es nun, diese Wurzeln wieder freizulegen, diesen Teil unserer DNA wieder zu reaktivieren. Die entscheidende Frage ist, wie wir das extrahieren, was bereits in uns schlummert."
    Atikus Worte werden in der ersten Performance des panafrikanischen Live Art Symposiums unmittelbar spürbar.
    Kommunikation über Emoticons
    Der mosambikanische Künstler Panaibra Canda verwandelt sich von einem ausdruckstarken, gefiederten Maskenwesen in einen zunehmend farblosen Papagei, der nun zwar die Kolonialsprache beherrscht, seine Muttersprache jedoch vergisst. Am Ende bleiben ihm für die Kommunikation nur Emoticons. Sein Körper versucht sich mit der Performance an das zu erinnern, was sein Kopf vergessen hat.
    Eine andere Art der Spurensuche zeichnet die Arbeit von Christian Etongo aus. Er beschäftigt sich intensiv mit den Ritualen in seiner Heimat Kamerun. Ein Reinigungsritual bildet die Grundlage seiner Performances.
    "In Kamerun ist es unmöglich, sich ohne dieses Ritual zu versöhnen. In meiner Performance 'After Tears' nutze ich Elemente dieses Rituals, um uns vom Blut der Kolonialzeit reinzuwaschen. Es hilft uns dabei, die Verbrechen zu vergeben. Es ist eine universelle Botschaft der Versöhnung und Freundschaft, die ich mit meinen Performances in alle Teile der Welt trage."
    Es fehlen Auftrittsmöglichkeiten und Kulturförderung
    Während Etongo regelmäßig zu Festivals in Europa oder den USA eingeladen wird, muss er in seiner Heimat weiterhin um Anerkennung kämpfen. Es mangelt an Auftrittsmöglichkeiten und Kulturförderung.
    "Ich bin dort ein Pionier. Viele haben lange nicht verstanden, was ich mache. Aber seit etwa vier Jahren ändert sich das langsam. Eine kleine Performance-Szene bildet sich, die meine Arbeit nicht mehr länger als Hexerei abstempelt, sondern wirklich als Kunst begreift. Durch Workshops, Projekte und Fernsehauftritte versuche ich weiter aufzuklären. Und langsam wächst das Publikum, das Performances versteht."
    Das neu gegründete panafrikanische "Live Art Network Africa", soll diese Entwicklung auf dem gesamten Kontinent weiter vorantreiben. Es vernetzt und unterstützt Künstler, die wie Etongo lange Einzelkämpfer gewesen sind. Der Initiator dieses Netzwerks, der südafrikanische Kunstprofessor Jay Pather, sieht die Zeit dafür gekommen.
    "Performances sind oft Teil von Demonstrationen"
    "Improvisation, die Einbeziehung des Publikums, Eruptionen und andere Elemente, die diese Kunstform auszeichnen hat es in Afrika schon lange vor der Erfindung des Begriffs "Live Art" gegeben. Heute leben Rituale und Zeremonien sowohl in der zeitgenössischen Kunst als auch als Teil von Protestbewegungen wieder auf. Performances sind oft Teil von Demonstrationen. Insofern bildet der soziale, kulturelle und politische Kontext einen fruchtbaren Boden für das Wachstum dieser Szene, die in Afrika auf eine jahrhundertealte Tradition zurückblickt."
    Um es mit Jelili Atiku zu sagen: Performance ist ein Teil der afrikanischen DNA. Sie muss nur reaktiviert werden.