Zwei bis drei Mal pro Woche bringt Achim Nöll mit dem Sattelzug Getränke zu Zentrallagern in Herten, Mülheim oder Bottrop. Der 48-Jährige lenkt den 40-Tonner vom Hof der kleinen Spedition im Essener Norden. Schon eine der ersten größeren Kreuzungen auf seiner Strecke ist eine besondere Herausforderung.
"Sehr schwer zu befahren als Rechtsabbieger, müssen wir auch schon in die linke Spur mit reingehen, damit wir hier auch überhaupt weit genug ausholen können. Und wenn dann noch ein Fahrradfahrer rechts kommt und so weiter, wird es schon meistens sehr eng."
Denn dann sind Fahrradfahrer oder Fußgänger rechts neben dem sechzehneinhalb Meter langen Sattelzug im toten Winkel. Für den Brummifahrer der Punkt, an dem es gefährlich wird.
"Eine ganze Schulklasse verschwindet im toten Winkel"
"Beim Linksabbiegen ist es so, wenn ich den Kopf ein bisschen nach vorne mache und das Fahrzeug eingeknickt ist, dann habe ich eigentlich das ganze Fahrzeug im Blick. Deswegen die meisten Verkehrsunfälle, die passieren ja dann auch wirklich beim Rechtsabbiegen, weil da ist wirklich ein toter Winkel, da gibt's halt Situationen, da hast du dann auch keinen Einfluss mehr drauf, weil du nichts mehr siehst."
Dann geht es sozusagen blind um die Ecke. Eine ganze Schulklasse verschwindet so übrigens im toten Winkel einer Zugmaschine - und das trotz vier Außenspiegeln. Am meisten muss Achim Nöll sich im Innenstadtverkehr konzentrieren. Viele Baustellen, Schlangen und immer den zeitlichen Druck im Nacken.
"Am besten wär's, wenn man mit so einem großen Auto nur von Lager zu Lager fährt und die Lager dann irgendwo außerhalb der Städte liegen, aber ist leider nicht so."
Abbiegeassistenten sollen zusätzliche Augen für den Fahrer sein und ihm anzeigen, wenn jemand im toten Winkel steht oder fährt. Sascha Klümpen ist Spediteur im Essener Norden und sitzt selbst oft am Steuer. In seiner Flotte von insgesamt 15 Sattelzügen hat nur eine Zugmaschine einen Abbiegeassistenten. Der hat rund 1.500 Euro gekostet, sagt er.
"Die Preise sind legitim für die Sicherheit, die wir den Fahrern und dem Verkehr bieten. Das Problem ist, es wird selten durch die Fahrer genutzt. Der Fahrer kann die Systeme ausschalten nach jedem Belieben, und so lange er das noch kann, dementsprechend wird es auch weiter zu Unfällen kommen."
"Großer Wunsch" an den Gesetzgeber
Hinzu kommt, dass der Assistent den LKW bislang nicht automatisch abbremse, sagt der Spediteur. Außerdem böten nicht alle LKW-Hersteller solche Systeme an. Der größte Wunsch an den Gesetzgeber ist für Sascha Klümpen
"Ich würde mir einfach wünschen, dass die ganzen Sicherheitssysteme wie mit dem Anschnallgurt einfach verpflichtend sind. Wenn ich mich nicht anschnalle, dann piept das Auto die ganze Zeit, kostet mir dementsprechend Geldbuße X - und das gleiche sollte es dementsprechend auch für die Sicherheitssysteme geben."
Erst vor einer Woche hatte es in Essen einen tödlichen Unfall durch einen LKW gegeben. Ein Containerfahrzeug hatte eine junge Mutter und deren Tochter beim Abbiegen erfasst. Bislang ist den Fahrern der Spedition von Sascha Klümpen noch kein schlimmerer Unfall passiert. Und auch Achim Nöll hat bislang immer Glück gehabt.
"Sollte mir mal irgendwann so etwas passieren, dass ich irgendwann mal ein Kind erfassen sollte und totfahren sollte oder schwer verletzen sollte, ich glaub dann würde ich den Job an den Nagel hängen, weil ich selber zwei Kinder hab und nee, da möchte ich mit keinem Fahrer tauschen, dem so etwas mal passiert ist."