Transparency International hat in der Studie die Karrieren von 485 ehemaligen EU-Abgeordneten und 27 früheren EU-Kommissaren untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass Unternehmen frühere Mandatsträger anstellten, um Insiderkenntnisse, Zugang und Einfluss in die Politik zu erhalten, teilte TI mit. Als Beispiel wird das Technologieunternehmen Google angeführt. So war jeder zweite Google-Lobbyist früher für die EU tätig. 26 ausgeschiedene EU-Abgeordnete arbeiteten 2014 direkt für eine Brüsseler Lobby-Beratungsfirma.
Transparency sprach in dem Zusammenhang von einem "Drehtür-Effekt zwischen Wirtschaft und Politik". Die Anti-Korruptions-Organisation mutmaßt, dass sich die Mandatsträger in ihrer Amtszeit von Unternehmen beeinflussen ließen und sich dies nun durch den lukrativen Anschlussjob versilbern ließen.
Barroso als Anlass für Studie
Als prominentester Fall in der Vergangenheit gilt Ex-EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, der sein EU-Insider-Wissen nun mit einem hoch dotierten Vertrag als Berater bei Goldman Sachs einbringt. Der EX-Kommissionspräsident hatte nach zehn Jahren Amtszeit in Brüssel die vorgeschriebene Wartezeit von 18 Monaten nicht nur eingehalten, sondern um acht Wochen überschritten. Doch der Imageschaden für die EU und ihre Kommission war durch Barrosos Wechsel beträchtlich.
Auch Ex-EU-Kommissarin Viviane Reding, mittlerweile Abgeordnete des EU-Parlamentes, verdient als Beraterin des Agfa-Gevaert-Konzerns und als Kuratorin der Bertelsmann-Stiftung bis zu 180.000 Euro pro Jahr. Mit ausdrücklicher Genehmigung der EU-Kommission. Und die ehemalige EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes war mehrere Jahre parallel zu ihrem Job in Brüssel Direktorin einer Briefkastenfirma auf den Bahamas, ohne dass sie die EU-Kommission darüber informierte.
Aus Sicht von Transparency International sind die Regeln für die Seitenwechsel unzureichend. "Viele, die die EU-Institutionen und im besonderen die Politik verlassen, gehen jetzt Tätigkeiten nach, bei den Interessenkonflikte nicht ausgeschlossen werden können", schreiben die Autoren des vorgestellten Berichts.
Keine Auflagen für Abgeordnete
Zwar seien solche Seitenwechsel nicht per se ein Problem, die Vorkehrungen gegen den Missbrauch von Einfluss früherer EU-Kommissare seien aber zu lasch, meint Transparency. Für EU-Abgeordnete gebe es mit dem Ausscheiden aus dem Amt keinerlei Auflagen für einen Wechsel etwa in den Lobbyismus. Als Vorbilder nannte Transparancy Kanada und Frankreich.
Der grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold fordert ebenfalls mehr Kontrollen, sowohl was die Jobs nach dem Ende des Mandats angeht als auch Nebentätigkeiten während der Arbeit im Parlament und Kontakte zu Lobbyisten. "Untersagt werden soll, dass Abgeordnete – während sie Abgeordnete sind - bezahlt als Lobbyisten tätig sind", sagte er. Doch Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale blockieren das Nebentätigkeitsverbot.
(fwa/cc)